Review Poor Genetic Material – Paradise Out Of Time

Nach dem Abschluss ihres Jahreszeiten-Zyklus mit dem Album „Spring Tidings“ im letzten Jahr, haben sich POOR GENETIC MATERIAL nicht zur Ruhe gesetzt. Mit „Paradise Out Of Time“ präsentieren sie neun neue Songs und decken nach den Reisen durch Ambientsoundscapes und Progwelten nun wieder einmal neues Terrain ab.

Die Tracks auf dem neuen Album kommen schneller auf den Punkt, sind weniger fließend und ausladend, dafür kompakter und griffiger. Die Songlängen bewegen sich bis auf zwei Ausnahmen zwischen drei bis fünf Minuten. Auch bei der Instrumentierung des Materials hat sich einiges getan. Tastenmann Phillipp Jaehne greift hier nicht mehr auf analoge Synthesizer und Keyboardsounds zurück, sondern bedient nur das Piano und die Orgel. Gitarrist Stefan Glomb bringt zwar noch wie vor das eine oder andere elegische Solo ein, sein Sound ist aber rauer, dreckiger und roher geworden, nicht mehr so fein geschliffen wie noch auf dem Vorgänger. Außerdem übernimmt er bei den neuen Tracks öfters die Führungsrolle. Die größte Konstante dürfte nach wie vor Sänger Phil Griffiths von Alias Eye sein, der gewohnt hochklassig singt und dessen Stimme den Songs eine ganz besondere Eleganz und Ausstrahlung gibt. „Paradise Out Of Time“ lässt sich am ehesten als kunstvoller Pop beschreiben, mit kurzweiligem Rock, wie nun vielleicht vermutet, hat das hier nicht allzu viel zu tun. POOR GENETIC MATERIAL bleiben ihrem Stil treu, das betrifft auch die fantastische Produktion, die der Platte einen kristallklaren, akzentuierten und luftigen Sound verpasst, der der Band zusammen mit Phils Gesang wieder einmal einen leichten „sophisticated“-Stempel aufdrückt. Ich finde den Gesang für die teilweise recht positiven und ohrwurmigen Arrangements schon fast ein bisschen zu theatralisch und zu streng, das nimmt der Musik wieder etwas von der Leichtigkeit, die sie zeitweise ausstrahlt. Das ist aber keine Kritik, denn die ist hier völlig unangebracht. Das ist nur mein persönlicher Geschmack!

Mit „New Phase“ startet die Platte beinahe frühlingshaft mit einer schönen Pianomelodie und einladenden Gitarrenakkorden. Es entwickelt sich ein schöner Song mit guten Gesangsarrangements und vor allem einem hervorragenden Refrain. Kurz, mit wenigen Zutaten gestrickt, aber einfach gut gemacht. „The Key“ startet mit kurzem Drumsequencer und wird dann zu einem trocken vor sich hingroovenden Track mit Orgel- und Pianosounds, aber einem Refrain, der mir viel zu schwer verdaulich im Vergleich zur lockeren Strophenmelodie daherkommt. „Paradise“ bezeugt durch schöne Akustikgitarren und Violinenpassagen und einen entspannten Sound. So stelle ich mir Balladen von POOR GENETIC MATERIAL vor, einfach toll. Die Violine von Oliver Berger drückt übrigens auch anderen Stücken noch einen ganz eigenen Stempel auf, z.B. dem abschließenden „My Other Life“. „Out Of Time“ schließt sich direkt daran an und ist in erster Linie aufgrund seiner endlosen, beruhigenden Gitarrensoli ein Hochgenuss. Hier klingen die Jungs wieder so, wie man es gewohnt ist. Der Song ist dann mit 8 ½ Minuten einer der beiden längeren Nummern. „Beauty Passing“ ist wieder eine fröhlichere, Piano-orientiertere Nummer, und auch hier gibt es wieder tolle Gesangsarrangements. „Citizen Cyclops“ hat ein leicht wirres Intro mit Schlagzeug und Gitarrenfiguren, ehe sich daraus eine recht straighte, flotte Nummer entwickelt. Bei „Holy Ground“ begegnen uns die Drumloops dann noch mal, von Instrumentierung und Stimmung könnte das hier schon fast britische Popmusik sein. Bei „Starlightbound“ meine ich dann doch analoge Sphärenklänge zu vernehmen, ehe das Piano eine wunderschöne lyrische Ballade einleitet. Hier wird mit ganz wenig Mitteln wieder ziemlich viel erreicht. „My Other Life“ ist der zweitlängste Song des Albums mit ziemlich genau sieben Minuten Spielzeit und schon jetzt ein POOR GENETIC MATERIAL-Klassiker. Hier gibt es ihn wieder, den elegischen, lyrischen Prog. Und zum Ende des Songs hin darf Drummer Dominik Steinbacher dann auch mal beherzt so richtig auf die Felle einschlagen, während Stefan Glomb die Violine ablöst und ein tolles Solo runterreißt.

Es fällt mir nach wie vor schwer, den Sound der Band mit Worten zu beschreiben. Auch mit dieser selbstauferlegten Beschränkung auf kurze, einfachere Songs bleiben die Fünf aber für mich am deutschen Proghimmel immer noch eine der einzigartigsten und hell erstrahlenden Sterne. Denn hier ist Musik, unabhängig von den genutzten Stilmitteln, noch echte Kunst, die zu beeindrucken weiß. Und die Progfans, denen „Paradise Out Of Time“ nicht gefallen sollte (wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass es da große Probleme geben kann!), sei gesagt: Die Band arbeitet bereits am nächsten Album, einem Prog-Doppeldecker mit Konzept. Hoffentlich nicht, weil „Paradise Out Of Time“ mit 46 Minuten recht kurz geworden ist. In jedem Falle gilt: Prägt euch den Namen POOR GENETIC MATERIAL gut ein und empfehlt ihn weiter!

Wertung: 8 / 10

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