Review Poor Genetic Material – Spring Tidings

Allen, die sich einigermaßen in der deutschen Progrock-Landschaft auskennen, dürfte der Name Alias Eye durchaus etwas sagen. Die deutsche Artrock-Formation hat mit „A Field Of Names“ und „A Different Point Of You“ zwei gute Alben veröffentlicht und nicht zuletzt durch die Tour im Vorprogramm von den kanadischen MelodicProggern Saga deutlich an Bekanntheit gewonnen. Kritiker und Fans sind sich dabei einig: Neben den tollen Songs ist es vor allem die Stimme von Sänger Phil Griffith, die der Band eigenen Charakter verschafft und sie zu etwas Besonderem macht.

Jener Phil Griffith musiziert seit ein paar Jahren jedoch auch schon mit POOR GENETIC MATERIAL, einem südwestdeutschen Projekt, das anfänglich eher elektronische, instrumentale Musik machte und sich sehr auf das Erschaffen unterschiedlichster Soundscapes konzentriert hatte. Im Jahre 2001 begann man jedoch die Zusammenarbeit mit Phil Griffith, änderte den Stil in melodischen, stets eher gemäßigten, aber sehr lyrischen Artrock. Das Album „Summerland“ markierte in diesem Jahr auch den Beginn der vierteiligen Albenreihe zu den verschiedenen Jahreszeiten. Ein Jahr später folgte mit „Leap Into Fall“ die „Herbstplatte“, 2003 erschien „Winter’s Edge“. Mit „Spring Tidings“ wird nun diese Reihe abgeschlossen.

Die neue Platte bietet dem geneigten Hörer acht neue Songs zwischen zwei bis elf Minuten. Acht Songs zum Entspannen, zum Abschalten, zum Genießen. POOR GENETIC MATERIAL verschwenden keine unnötige Energie darauf, rockig zu klingen. Sie lassen sich Zeit, ruhige, atmosphärische, sehr stimmungsvolle Kleinode zu entwickeln, die stets von der erhabenen, beinahe klassischen, operesken Stimme Phil Griffiths getragen werden. Er verleiht den Songs verhaltenen Glanz, Schönheit, Emotion. Begleitet wird er von einem zurückhaltenden Schlagzeug, wunderschönen, stillen, aber doch unheimlich kraftvollen Gitarrenlicks, weichen Keyboardflächen und klassischen Pianoklängen. Keine Frage, POOR GENETIC MATERIAL verstehen es, Musik wie wahre Kunst erscheinen zu lassen. Alles wirkt perfekt und doch nicht anstrengend oder verkopft. Es fließt ganz natürlich, ruht in sich selbst, verwöhnt den Hörer wie die ersten Sonnenstrahlen eines beginnenden Frühlings. Ein ums andere Mal kommt man ins Träumen, vergisst Raum und Zeit, wird davongetragen von dieser eindrucksvollen Musik. Beinahe unheimlich erscheint dabei die Kombination der luftigen Produktion, der leichtfüßigen, aber doch nachdenklichen und tiefgehenden Musik mit dem fantastischen Artwork, das die Musik wunderbar unterstützt. Ein Gesamtkunstwerk also, stets sehr sophisticated, das nicht durch Einzelsongs scheinen möchte, auch wenn das zehnminütige „Watercolours“ einer der besten Artrock-Tracks des bisherigen Jahres ist.

Ein Album, das man sich nicht erarbeiten muss, aber bei dem man zuhören muss. Ein Album, dass auf den ersten Blick vielleicht sogar langweilig, eintönig und einschläfernd wirkt, weil es eben nicht rockt. Aber gerade deshalb gilt: Ein einzigartiges Werk, voller Eleganz, was man nicht beschrieben bekommen, sondern selbst erfahren muss. Ein Erlebnis!

Wertung: 8.5 / 10

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