Review Sören Vogelsang – Fernweh

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Entmetallisiert, Singer/Songwriter

Von den einen vergöttert, von den anderen verdammt – die Geschichte von SÖREN VOGELSANG lässt sich als Teil der Barden-Duos Das Niveau auf diese beiden Extreme runterbrechen. Eine Ebene dazwischen scheint es nicht zu geben bzw. gegeben zu haben, denn Das Niveau ist Geschichte und fünf Jahre nach „Augenblick“ präsentiert der Berliner nun sein neues Werk auf Solopfaden. Auf „Fernweh“ bedient er sich mal frech, mal nachdenklich aus allen Schubladen seines – nicht nur musikalischen – Daseins.

Mit „Augenblick“ startete SÖREN einen Trend: Die CD war das erste erfolgreich auf Startnext finanzierte deutsche Musikprojekt. Viele weitere sollten folgen. Fünf Jahre später scheinen die meisten musikalischen Wege ausgelatscht zu sein, gleichzeitig geht der Liedermacher für sich neue Wege: Ohne prominente Unterstützung an den Instrumenten und ohne Coverversionen zeigt er sich auf elf Liedern mehrheitlich von seiner persönlich-nachdenklichen Seite. Wer SÖREN VOGELSANG ist, das verdeutlicht „Ich bin ich“ anfangs noch sehr plakativ, anschaulich und launig. Ein Freigeist, ein Punker im Herzen und nicht zuletzt ein Künstler. Zusammen mit dem intelligenten „Zwei“ und „Fick dich“ zählt der Opener zu den schnelleren Vorzeigesongs. Letzterer passt prima zu allem, was viele von Das Niveau kennen und mögen – oder eben nicht. Der Rest von „Fernweh“ überzeugt im Vergleich zum Vorgänger durch ein breiteres Instrumentarium: Bass, Klavier, Percussion, Akkordeon, Cajon und auch ein Saxofon sowie mehrere Streicher liefern clever arrangiert die emotionale Tiefe für starke Texte. Akkordeon (in „Fernweh“) und Saxofon (in „Zwei“) erstrahlen sogar kurz im feinsten Sologewand. Kurzum: Wer auch dieses Album auf Startnext unterstützt hat und den Vorgänger auch für die ruhigen Momente mochte, der wird aller Voraussicht nach nicht enttäuscht.

Die Frau für’s Leben scheint SÖREN bis dato vorenthalten zu bleiben, das zeigen das „Abschiedslied“ sowie „Beziehungswaise“, zweiteres überraschend aufgemotzt durch Reggae-Rhythmen und mit geistreichen Wortspielen garniert. Wie in jenen beiden Balladen schwelgt der Singer-Songwriter auch in „Die Zeit“ in seinen Erinnerungen an frühere Tage, genauer gesagt seine Kindheit. Diese gesammelten Fragmente aus dem Leben des SÖREN V. aus B. sind unter dem Strich besonders für Gelegenheitshörer, Sommerkinder und Gute-Laune-Fetischisten etwas viel persönliche Rückschau und Wehmut, vielleicht auch etwas zu viel Niveau. Leichter bekömmlich ist dafür seine politische Angriffslust in „Gutmensch“. Von eben jenem oder auch dem sperrig betitelten „Kalsarikännit“ hätte es gerne eine Porition mehr sein dürfen.

„Fernweh“ ist somit ein in sich gekehrtes, persönliches Album eines Künstlers, der zweifellos die deutsche Sprache beherrscht und mit ihrer Hilfe sein Innenleben nach außen trägt. In der Instrumentierung und bei den Arrangements gerät die Platte angenehm reduziert und fokussiert sich über 45 Minuten auf das Wesentliche, Sörens markanten Gesang und seine Fertigkeiten als Texter. Für derlei Charmantes und überwiegend (Tief-)Sinniges muss man in der passenden Stimmung sein. Wer aber gerade leicht melancholisch und emotional unterwegs ist, findet mit „Fernweh“ ein wirklich schönes Kleinod.

 

Wertung: 8 / 10

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