Review Tangled Thoughts Of Leaving – No Tether

In den letzten Jahren hat sich im Post-Rock die Tendenz bemerkbar gemacht, dass viele Bands lieber auf bewährte Mittel zurückgreifen, anstatt etwas Neues zu auszuprobieren – was sehr schade ist, bietet das aktuell sehr populäre Genre doch grundsätzlich das Potential, eine progressive und abwechslungsreiche Musikrichtung zu sein. Umso hellhöriger wird man, wenn eine Band abseits bekannter Pfade ihr Glück versucht. In diese Schublade gehören definitiv TANGLED THOUGHTS OF LEAVING, die mit „No Tether“ ein Album außerhalb der Mogwaischen Komfortzone vorlegen.

Schon nach den ersten Minuten des ersten „richtigen“ Tracks „The Alarmist“ („Sublunar“ ist lediglich als eine Art Intro zu verstehen) wird klar, dass die Band aus Perth einiges anders als die meisten genreüblichen Vertreter macht: Das beginnt schon mit den soundtrackartigen Arrangements auf „No Tether“, die stärker auf Repitition eines bestimmten Patterns aufbauen als dies bei vielen Artverwandten der Fall ist. Über weite Strecken wirkt die Musik trotz der organischen Umsetzung somit fast loopbasiert und erinnert durch die sich steigernden Wiederholungen eher an Jazz als an Rockmusik. Beim ruhigen „Cavern Ritual“ ist das auch halbwegs gelungen, der Song hat was von Bohren & der Club of Gore. Der Haken: TANGLED THOUGHTS OF LEAVING arbeiten einen Großteil der Zeit auf einen Höhepunkt hin, der dann entweder zu lange auf sich warten lässt, oder im schlimmsten Fall nicht kommt.

Die Instrumentalisierung, die massiven Elektronikeinsatz in Form von Synthesizern, Noise-Elementen und Samples ebenso berücksichtigt wie klassische Instrumente à la Piano, Posaune und Trompete, sorgt zwar durchaus für Abwechslung (gerade die jazzige Schlagzeugarbeit macht Freude) – aber das alleine reicht nicht, um den Zuhörer über Albumlänge wirklich bei der Stange zu halten. Die instrumentalen Songs der Australier sind ausladend, langatmig und wirken hier und da sogar ein wenig unausgegoren. Auch hier sind Jazz-Vergleiche durchaus zulässig: viele Arrangements wirken eher wie eine improvisierte Jam-Session oder eine Songskizze, als wie ein auskomponiertes Musikstück. Die etwas dumpfe Produktion macht es leider auch nicht besser.

Auf der Haben-Seite ist die intensive und bedrohliche Atmosphäre zu verbuchen, die TANGLED THOUGHTS OF LEAVING erzeugen. Die Tracks kommen wesentlich düsterer und unangenehmer (im positiven Sinne) daher, als dies bei vielen anderen Post-Rock-Bands der Falls ist. Metallische Passagen gibt es auf „No Tether“ eher selten, aber dafür die eine oder andere Gitarrenwand wie zum Beispiel im letzten Drittel von „Signal Erosion“. Musikalisch ist das sicher nicht anspruchslos, aber eben auch nicht wirklich zugänglich – somit bleibt wenig im Ohr hängen.

Als potentieller Soundtrack für einen Film oder auch live wirkt das neue TANGLED THOUGHTS OF LEAVING-Album sicher anders und möglicherweise auch cooler als auf Platte. Als Studioalbum funktioniert „No Tether“ nur bedingt. Wer etwas für die sperrigeren Vertreter der Zunft wie Godspeed You! Black Emporer, das letzte God-Is-An-Astronaut-Album „Epitaph“ oder auch Sunn O))) übrig hat, darf „No Tether“ eine Chance geben – auch wenn das Album sicher nicht die Klasse der genannten Bands erreicht.

Wertung: 4.5 / 10

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