Review Týr – The Lay Of Thrym

Dass es auf der kleinen nordatlantischen Inselgruppe der Färöer mit ihren nicht einmal 50.000 Einwohnern eine Metalszene gibt, dürfte im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl kaum jemanden mehr unbekannt sein. Dazu hat DIE Institution jenes Millieus, namentlich TÝR, mit Sicherheit schon zu viel Aufmerksamkeit erregt. In kurzer Zeit wurde aus einem Geheimtipp eine feste Größe im europäischen Metalgeschäft, und die Mischung aus heimischer Folklore mit progressivem Heavy Metal hat insbesondere im deutschsprachigen Raum eine Menge Begeisterung erzeugen können.

Mittlerweile steht bereits das sechste Album der Färinger an, welches sich namentlich auf die „Þrymskviða“ bezieht. Die Geschichte jenes Eddaliedes dürfte auch als „Des Hammers Heimholung“ u.ä. weitbekannt sein: Es geht um den vom Riesen Thrym gestohlenen Hammer Thors, der mit Hilfe einer vorgetäuschten Hochzeit und List von den Göttern zurückgelangt wird. Die Erzählung über den Tyrannen Thrym, der für seine Erpressung bestraft wird, weist für den Wahl-Hamburger und Bandkopf Heri offensichtlich manchen aktuellen Bezug auf, und so ist „The Lay Of Thrym“ zumindest textlich das wohl modernste Album der Band.

Musikalisch wird bei TÝR im Wesentlichen der Weg weiter beschritten, den der Vorgänger „By The Light Of The Northern Star“ einschlug. Das heißt vor allem, dass der vormals recht schleppende und insbesondere rhythmisch manchmal etwas wirre Heavy Metal an Fahrt und Geradlinigkeit gewonnen hat, was sich im vorliegenden Beispiel schon an den drei ersten Songs bemerkbar macht. Sowohl „Shadow Of The Swastika“ und „Take Your Tyrant“ (hier ist der inhaltiche Bezug auf die aktuelle Weltpolitik am spürbarsten) sind wie energische Kampfansagen, die sich als strammer Ohrwürmer erweisen.
Wer nun fürchtet, dass die Nordmeer-Melancholie der Färinger flöten gegangen sein könnte, wird mit „Evening Star“ (im Stil von „Brother’s Bane“) eines Besseren belehrt. „Konning Hans“, eine dänische Nummer, versprüht ebenfalls angenehmen skandinavischen Schwermut, während der Gesamtsound der restlichen Songs doch deutlich mehr nach vorn geht als noch zu Zeiten von „Eric The Red“. Dass es sich dabei keineswegs um simpel gestrickte Lieder handelt, beweisen feine Gitarrensoli, genau akzuentiertes Drumming oder ein mehrstimmiger Refrain wie der von „Hall Of Freedom“, der an Queen oder Blind Guardian erinnert. Bedauerlicherweise findet sich nur ein Titel in der klangvollen Muttersprache von Heri & Co., doch für färöischsprachige Kostbarkeiten sei jedem Linguist das Schwesterprojekt „Heljareyga“ ans Herz gelegt.

Zwischendurch flaut „The Lay Of Thrym“ nur selten ab. „Fields Of The Fallen“ und „Nine Worlds Of Lore“ können insgesamt den sonst so hohen Standard nicht ganz halten und plätschern etwas weniger spektakulär vor sich hin. Alle Register ihres Könnens ziehen TÝR jedoch mit dem abschließenden Titelsong, der sich spannungsgeladen wie einst „Regin Smiður“ aufbaut und erneut mit einer eigentümlichen Mischung aus „hoffnungsvoll“ und „wütend“ Lust auf Revolution macht. Beim Refrain von „The Lay Of Thrym“ ist man erstaunt, wie so ungewohnte Melodieführungen sich so im Ohr festsetzen können.

TÝR stehen wie je zuvor als eine Bank im europäischen Viking Metal, ohne in irgendeiner Weise ein typischer Vertreter dieser Musik zu sein. Wünscht man sich als alter Fan vielleicht auch etwas mehr Folklore-Einschlag, so kommt man nicht umhin „The Lay Of Thrym“ als einen echten Kracher modernen Viking / Power Metals anzusehen. Die Färinger haben Mjølnir zwar nie aus der Hand gegeben, aber hätten sie es getan – mit diesem Album wäre es kein Problem, den Hammer zurückzuholen!

Wertung: 9 / 10

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