WETO – „Schattenspieler“-Listening-Session

Oft gründen Musiker Nebenprojekte zusätzlich zu ihrer Hauptband. Sie wollen Themen verarbeiten, die sie bewegen und gleichzeitig weder inhaltlich noch stilistisch kompatibel zu ihrem musikalischen Hauptaugenmerk sind. Im Falle von WETO verhält es sich anders, denn diese vier Buchstaben sind der Ursprung dessen, was später einmal Schandmaul wurde: Im Laufe der Zeit sahen die Schandmaulmitglieder Thomas Lindner, Martin Duckstein, Mathias Richter und Stefan Brunner allerdings, dass in der teils bitteren Alltagsrealität vor- und hintergründig immer noch andere Aspekte eine tragendere Rolle spielen als Geschichten, Mythen & Sagen – namentlich die Medien und mit ihnen die gerne unter den Teppich gekehrten gesellschaftlichen Kernprobleme von heute. Diese neuzeitlichen Entwicklungen und auch Krankheiten wollten die vier Musiker nicht verklausuliert und mittelalterlich verspielt vertonen, sondern eindringlich, direkt und ohne Kompromisse – um sie so offen anzusprechen wie es in der Tagespresse höchst selten der Fall ist.
So entschlossen sie sich 2006 zusammen mit Regicide-Keyboarder Heiner Jaspers das Projekt WETO wiederzubeleben, welches nach den großen Schandmaulerfolgen beinahe in Vergessenheit geriet – obwohl es bereits seit Anfang der 90er existiert und damit sogar länger als die weit bekanntere Folkformation. Vor fünf Jahren fiel die Resonanz auf das „Das zweite Ich“ sehr moderat aus, doch nun wollen WETO mit „Schattenspieler“ ein neues, erfolgreiches Kapitel in der Bandhistorie aufschlagen.

Bereits am ersten Klangbild werden die Unterschiede zwischen WETO und Schandmaul deutlich: Um krachende Gitarren schwirren die Synthesizer-Sounds der Keyboards herum. Die Texte sind keine Märchen, sondern Tatsachenberichte, die auch Otto Normalbürger aufwecken und aufmerksam machen sollen, wie WETO-Frontmann Thomas Lindner mit ernster Miene erzählt. Es geht ihm auch darum, Verständnis zu schaffen. In zehn der 12 Tracks widmen sich Thomas und Co. den unbequemen Themen, die trotz des Suizids von Robert Enke weiterhin totgeschwiegen werden: Depression und Burn-Out. Dabei reicht oft schon der Blick in den eigenen Freundes- und Bekanntenkreis, um heutzutage mit diesen Tabus in Berührung zu kommen – so auch im Fall von Thomas, aus dessen Feder wieder beinahe alle Texte stammen. In „Schattenspieler“ thematisiert er ohne zu beschönigen die Auswirkungen von Depressionen auf Beziehungen, während „Ausgebrannt“ (wie es der Titel bereits nahelegt) musikalisch den alltäglichen Verfolgungswahn zwischen Meeting, Kaffee und Überstunden aufgreift. „Krank“ behandelt wiederum die Gefahren des Internets: Kinderpornographie, Schläfer, etc. – wie immer lassen sich die WETO-Texte frei interpretieren und übertragen. So auch „Glaubst Du“, welches wie Thomas schildert im September/Oktober 2010 entstanden ist, als die politischen Unruhen zu hochstilisierten Debatten über die Sicherheit hierzulande führten. Nur gegen Ende gibt es mit „Wie Zwei Raben“ eine Ballade mit einem 3,5-minütigen Gitarrensolo als Abschluss. Dieses Solo ist ein Novum bei WETO.
An ihrer musikalischen Ausrichtung hat die Kombo indes nichts verändert: Noch immer bezieht Thomas seine Inspiration nach eigener Aussage größtenteils aus der Tagespresse und seine Mitmusiker setzen seine Texte mit der nötigen Härte schnörkellos um. Lediglich bei „Feuertanz“ standen Ken Follett und der große Schandmaulbruder Pate, denn dieses Stück ist bereits auf dem 2006er Schandmaulalbum „Mit Leib und Seele“ enthalten – obwohl es ursprünglich eine WETO-Komposition war, wie Thomas verrät. So drehten sich die Musiker einmal wissentlich im Kreis, um den damaligen Rohentwurf, der es nie auf eine CD schaffte, noch einmal aufzupeppen und von der folkigen Vorlage abzugrenzen.

Für „In das Licht“ holten sich WETO wiederum Unheilig-Keyboarder Henning Verlage ins Boot, der an einer Radioversion mitwirkte. Diese wirkt im Vergleich zur ebenfalls auf „Schattenspieler“ enthaltenen Rockversion poppiger. Wie Thomas verrät, ist auch der Mix ein etwas anderer: Die Gitarren halten sich etwas mehr im Hintergrund und Gesangsspuren werden teilweise gedoppelt. Dies sind allerdings die einzigen Abstriche, die WETO bewusst und mit Wohlwollen in Kauf nehmen, denn vielleicht bietet sich dadurch die Chance, eine größere Hörerschaft zu erreichen und mit der kompromisslosen Wahrheit der übrigen Stücke auf „Schattenspieler“ zu konfrontieren.

Hier noch die Trackliste von „Schattenspieler“ (VÖ: 19. August 2011):
01. Eiszeit
02. Feuertanz
03. Was bleibt
04. In das Licht (Albumversion)
05. Orient & Okzident
06. Glaubst du
07. Krank
08. Schattenspieler
09. Reise
10. Ausgebrannt
11. Wie Zwei Raben
12. In das Licht (Radioversion)

Wer WETO live sehen möchte, kann dies hier tun:

16.10.11 München, Backstage/Werk
18.10.11 Nürnberg, Hirsch
19.10.11 Stuttgart, Die Röhre
20.10.11 Köln, Werkstatt
21.10.11 Berlin, K 17
25.10.11 Leipzig, Moritzbastei
26.10.11 Hamburg, Marx/kleine Markthalle
27.10.11 Hannover, Musikzentrum
28.10.11 Dresden, Tante JU

Tickets gibt es hier: http://www.powerticket.eu

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