Interview mit Jason Köhnen von The Mount Fuji Doomjazz Corporation

Wenn eine Band schon THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION heißt, verbirgt sich dahinter mit großer Wahrscheinlichkeit mehr als nur Einheitsbrei – und in der Tat: Was die Doom-Jazzer vom KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE hier mit ihrem Imrpo-Sideprojekt abliefern, ist eines gewiss: Aussergewöhnlich. Was Gitarrist Jason Köhnen über Iron Maiden-Artworks, Improvisation und den musikalischen Bastard namens TKDE zu sagen hat, könnt ihr hier nachlesen:

Sers! Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst!
Zunächsteinmal Gratulation zu eurem neuen Album, welches wirklich beeindruckend geworden ist… Wenn man’s genau nimmt, handelt es sich dabei ja eigentlich um ein Live-Album, nachdem das Material bei drei Konzerten mitgeschnitten und später zu einem großen „Song“, „Sound“ oder wie immer man es nennen will, verarbeitet wurde.

Schön, dass dir das Album gefällt!

Warum habt ihr das Album nicht am Stück aufgenommen?
Nun, du kannst Improvisationen nicht so richtig kontrollieren. Wir hatten mehr oder weniger zufällig eine Sammlung verschiedener kürzerer Improvisationen, und als wir feststellten, dass es eine starke musikalische und atmosphärische Verbindung zwischen den Stücken gibt, hat es uns fasziniert, zu sehen, wie drei Impros aus komplett verschiedenen Ländern den Hörer immernoch auf eine kontinuierliche Reise mitzunehmen im Stande sind.
Also haben wir Raum und Dimension in menschlicher Gestalt als Konzept für das Album gewählt.

Wie habt ihr die Teile angepasst, damit sie so perfekt zusammenpassen? Ich kann beim besten Willen immernoch nicht heraushören, wo die Locationwechsel passieren…
Habt ihr diese Stellen vorher geplant, also vielleicht beim live spielen, oder habt ihr euch einfach die Aufnahmen angehört und den rechten Moment für einen Cut festgelegt?

Es ist kaum zu glauben, aber es gibt nur 10 bis 15-Sekunden-Fades, keine Schnitte oder Einschübe… ja, es ist verrückt, und hat uns auch auf eine Art überrascht. Ich wünschte mir, ich hätte eine komplexe Erklärung hierzu für dich, aber der Schlüssel ist einfach ein Haufen Musiker, die einen ähnlichen musikalischen Vibe teilen… ich denke, das ist generell die Magie von Improvisation.

Du hast es eben schon angesprochen, das Album ist nicht nur live eingespielt, sondern sogar improvisiert… die Aussage “Die Musik ist improvisiert” alleine beschreibt aber das, was ihr auf der Bühne getan habt, nur unzureichend, wie ich finde… Habt ihr euch im Vorhinein auf bestimmte Akkordwechsel oder Schlüsselfiguren geeinigt, hattet ihr grundlegende Strukturen im Kopf, oder habt ihr komplett frei drauflosimprovisiert?
Und in folge dessen: War wie im Jazz typisch, immer nu rein Musiker am improvisieren, oder habt ihr kollektiv zur gleichen Zeit improvisiert?

Für “Succubus” [das Vorgänger-Album, A.d.Red] und “Anthropomorphic” gab es absolute keine Absprachen oder Pläne – es war pure, freie Improvistion. Zumeist sind es Hilary oder ich, die ein Thema (Melodie) aufbringen, um damit anzufangen, dann hören wir uns hinein und gehen mit dem flow, fokussieren einen Aufbau und eine Klimax. Es geht hauptsächlich darum, den anderen zuzuhören und sich gegenseitig den Raum zu lassen, Musik zu machen. Ich denke, Improvisation enthält eine Menge Respekt deinem Mitmusiker gegenüber, du musst dein Ego beiseitelassen und zu einer Einheit verschmelzen…

Wie darf man sich das bei einer THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION-Probe vorstellen? Improvisiert ihr da auch nur, oder grundlegender gefragt: Probt ihr überhaupt?
Wir proben nie… Stecker rein und Shows gespielt.

Bezüglich der Shows eine andere Frage: Aus was für Leuten setzt sich ein typisches Publikum zusammen, wenn ihr mit TMFDC oder auch THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE auftretet… mehr Metal-Fans oder Jazzer?
Ich denke beides. Wir haben das Glück, eine sehr breite Hörerschaft zu erreichen, von Metal über Jazz, Electronics, was auch immer… Unser Publikum ist wirklich beeindruckend, es ist immer wieder eine große Ehre, für ein TKDE-Publikum zu spielen.
…und würdest du dich selbst eher als aufgeschlossener Jazz-Musiker mit einem Faible für die “Düstere Seite der Musik” sehen oder als Metal-Musiker mit einem Faible für Jazz?
Weißt du… mein Musikgeschmack ist ein derartiger Chaoshaufen, ich wüsste garnicht, wo ich anfangen sollte!

Wir haben TKDE ja gerade schon angesprochen, deshalb lass uns gleich mal auf den Zug aufspringen und über euer Bandnamen reden: THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, und THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION haben ja recht viel gemeinsam, vor allem den Bezug auf einen Berg. Was haben Berge mit eurer Musik zu tun, und warum habt ihr diese beiden ausgewählt, um in euren Bandnamen vorzukommen?
Den Namen TKDE habe ich irgendwann ±2000 angeschleppt. Ich habe mich einfach in das Wort Kilimanjaro verliebt, es ist ziemlich mysteriös, nicht nur, weil es ein Berg in Afrika ist, was eigentlich ausreichen würde, um deine Phantasie mit dir durchgehen zu lassen, sondern es ist schlicht auch ein großartiges Wort in der Art, wie es klingt und geschrieben wird. Als wir mit TKDE anfingen, wollten wir einen vollkommen einzigartigen Namen, wir hatten nur “Darkjazz”, was, wie ich fand, eine gute Gegenüberstellung war, nachdem ein Großteil des Jazz ja sehr sanft ist.
Auch das hat mit meiner Phantasie gespielt… eine alte Jazz-Combo aus Skeletten. Schließlich haben wir dann noch „Ensemble“ drangehängt, um die ganze Gruppe/Combo miteinzubeziehen.
Den Namen MOUNT FUJI DOOMJAZZ ORCHESTRA zu erfinden, war mehr sowas wie ein Joke: Wir haben uns dazu entschieden, ein Impro-Sideproject zu starten, also wollten wir einen bestimmten Link zu KILIMANJARO – also haben wir einfach vergleichbare Elemente gewählt: Berg+Genre+Combo und haben diesen zweiten Namen entworfen. Es hätte also genausogut THE HIMALAYAN DRONEJAZZ ORCHESTRA werden können.

Musikalisch sind beide Projekte ja sehr speziell, düster und irgendwo zwischen Noise, Drone und dergleichen auf der einen, und Jazz auf der anderen Seite angesiedelt… wie seid ihr zu all dem überhaupt gekommen, und gibt es Bands, die euch dahingehend beeinflusst haben?
Nein, eigentlich nicht. Es ist einfach ganz von alleine passiert. Wir hören privat alle möglichen Arten von Musik… aber vielleicht könnte man sagen, wenn Black Sabbath sich mit Miles Davis vereinigen und mit Stockhausen mutieren würden, käme am Ende der Bastard namens TKDE heraus.

Ihr werdet ja auch oft in einem Atemzug mit Bohren & der Club of Gore genannt, Last.fm gibt The Dale Cooper Quartett als Vergleichsband an. Würdest du mit diesen Vergleichen zustimmen, oder gibt es Askepte in euerer oder deren Musik, die es irreführend machen würden, die Bands als vergleichbar darzustellen?
Ich denke, es gibt durchaus eine Verbindung zu Bohren, da wir ähnliche Einflüsse aus Doom und Jazz mitbringen… aber wenn du beide Bands kennst, hörst du natürlich, dass wir komplett unterschiedlich sind. Der Punkt ist, glaube ich, dass das ganze „Genre“ ziemlich einzigartig ist, und wir aus diesem Grund ähnlich eingeordnet werden.

Mit gleich zwei Projekten dieser Art… wie könnt ihr da differenzieren, welche Idee ihr für welches Projekt nutzt? Nutzt ihr auch Ideen aus TMFDC-Improvisationen auf TKDE-CDs oder vielleicht sogar auch umgekehrt?
Auf jeden Fall. Du musst die beiden Projekte wirklich als eines sehen: Sie beeinflussen und inspirieren sich gegenseitig. Es ist quasi wie eine schizophrene Band. Der einzige Unterschied ist, dass TKDE die strukturiertere Band ist und TMFDC die frei improvisierende Einheit.

Man könnte THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION also mehr als das Ventil für spontane Ideen bezeichnen, wähend THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE eher das durchstrukturiertere Äquivalent davon ist? Als ich TKDE in München live gesehen habe, wirkte es nicht so, als wäre dort überhaupt Platz für Improvisationen…
Exakt,genau so ist es.

Wo wir die Tour gerade anspechen: Was für eine Erfahrung war das für euch? Gab es Unterschiede zwischen den Zuhörerschaften in den verschiedenen Städten oder Ländern? In München waren die Leute glaube ich ziemlich euphorisch und fasziniert von euem Auftritt, auch wenn es nur so um die 40 Leute waren. Habt ihr einen so familiären Flair erwartet?
Wir sind einfach glücklich, performen zu können. Manchmal spielst du für 50 Leute, manchmal für 500… aber das ändert weder unsere Dynamik noch unsere Hingaben. Wie du ganz richtig gesagt hast, war die Show in München wirklich großartig: Die Leute waren begeistert und wir haben 100% gegeben… ich denke, jeder ist da um eine großartigen Erfahrung reicher rausgegangen.

Kommen wir nochmal zurück zum neuen TMFDC-Album: „Anthropomorphic“ ist, wie ich finde, ein sehr starker und vielseitiger Titel… könntest du uns erklären, warum ihr euch für diesen Titel entschieden habt, und was du damit assoziierst?
Ha! Danke… leider kann ich das nicht. Ich persönlich finde es immer irgendwie enttäuschend, wenn Musiker ihre Interpretationen von Songs, Titeln oder Texten erklären, weshalb ich es vorziehe, meine Interpretationen „im Nebel verborgen“ zu lassen. Ich mag es, wenn eine Band von einer gewissen magischen Aura umgeben ist – Musik ist etwas sehr persönliches und sollte das auch bleiben.

Der Untertitel des Albums lautet ja „Space.Dimension.Form.Function“. Die ersten beiden Begriffe scheinen mir dabei perfekt auf die Musik zu passen, allein mit den Bauhaus-assoziierten Begriffen Form/Function habe ich so meine Probleme, sie mit Improvisation und jeglicher Form ungelenkter Kreativität in Verbindung zu bringen. Was meint ihr mit dem Untertitel, beziehungsweise worauf beziehen sich diese beiden letzten Begriffe?
Gut beobachtet! Form/Function sind in der Tat gegensätzliche Begriffe zu dem, was wir machen. In diesem Sinne sind die Titel ausgeglichen/unausgeglichen. Spannung funktioniert manchmal sehr gut, sie erregt Aufmerksamkeit.

Das Album ist exakt 60:01 Minuten lang… hier einen Zufall zu vermuten, erschiene mir sehr gewagt. Gibt es hierfür also einen speziellen Grund?
Gut möglich… aber das ist ein weiteres Mysterium, das dich bis ans Ende deiner Tage verfolgen wird!

…und auch das Artwork ist, um im wortlaut zu bleiben, sehr mysteriös: Willst du uns hier verraten, was dahintersteckt?
Ich würde dich gern fragen, was du in dem Artwork siehst, wenn du das Album hörst?
Ohne jetzt auf dieses Album-Artwork eingehen zu wollen, war ich immer fasziniert von den alten Heavy Metal-Alben, die ich mir gekauft habe. Ich kann mich erinnern, dass ich Stunden damit verbracht habe, meine Iron Maiden-Alben zu betrachtenking, als ich ein Teenager war… meine Phantasie ging richtig mit mir durch… das ist etwas, das mit den digitalen Formaten verloren zu gehen scheint.

Ok, das war dann auch schon meine letzte Frage für dieses Interview… vielen Dank für deine Geduld und die Interessanten Antworten!
An dieser Stelle würde ich das Interview gerne mit dem traditionellen Metal1.Info-Brainstorming beenden. Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du folgende Begriffe liest:
Shining:
„21st Century Schizoid Man“!!! Ein fantastisches Cover!
Wikileaks: Fuck the system
Kater: Komm damit klar.
Metal1.info: Gute Interviewer.
Politik: Korrupt
sunnO))): Großartiges Konzept

Dank dir nochmals und nur das Beste für dich und deine Bands! Die letzten Worte gehören dir:
Es war mir eine Freude, dieses Interview zu führen, ich hoffe, du bist mit dem Ergebnis zufrieden!

Publiziert am von Marius Mutz

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