Interview mit Julien Truchan von Benighted

Trotz der Tatsache, dass bis auf Sänger Julien Truchan seit dem letzten Album „Carnivore Sublime“ die komplette Band abgesprungen ist und durch neue Bandmitglieder ersetzt wurde, ist das neue BENIGHTED-Werk „Necrobreed“, erneut ein Sahnestück in Sachen Brutal Death Metal geworden, bei dem ein Killer-Track den nächsten jagt. Truchan gibt im Interview Auskunft über den Entstehungsprozess des Albums, Schizophrenie, nervige gehypte Musiker und seine Vorliebe für die deutsche Sprache.

Hallo Julien. Gratulation zu eurem neuen Album, es ist wirklich super geworden. Bist du auch damit zufrieden?
Vielen Dank! Wir haben genau das mit dem Album erreicht, was wir uns vorgenommen haben, sei es in Sachen Songwriting, Produktion, Artwork oder Sound: Wir sind zu 100 Prozent zufrieden. Das Album ist gleichzeitig intensiv und düster, es erzählt eine morbide, aber echte Geschichte, die die harte, brutale Seite unserer Musik verstärkt.

Bis auf dich haben sämtliche Bandmitglieder die Band zwischen den letzten beiden Alben verlassen. Warum und wann ist das passiert, und wie geht es weiter?
Das Projekt BENIGHTED verlangt einfach extrem viel Zeit und es ist sehr schwierig, diesem Rhythmus zu folgen, wenn du nebenbei arbeitest und auch noch eine Familie hast. Das war auch der Hauptgrund für die vielen Besetzungswechsel in den letzten Jahren. Nachdem „Carnivore Sublime“ erschienen ist, haben Adrien und Alex, unser Gitarrist und Bassist, die Gruppe recht plötzlich und unerwartet verlassen, um sich ihrem Pop-Rock-Projekt zu widmen, da sie von der Musik leben können wollten – sie haben sich jedoch kurz darauf aufgelöst. Unser Drummer Kevin hat immer gesagt, dass er eine Band finden will, mit der er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann – er hat ein Angebot von Abbath bekommen, das er nicht ablehnen konnte, und die Gruppe verlassen. Ein echter Goldjunge und unglaublich guter Drummer. Ich wünsche ihm nur das Beste.

Inwiefern haben die Abgänge die Arbeiten an „Necrobreed“ beeinflusst?
Unser neuer Gitarrist Manu (Emmanuel Dalle, Anm. d. Red.) hat einen Großteil der Riffs geschrieben. Ansonsten sind es eher die Arbeit im Kollektiv und unsere jeweiligen Einflüsse, die diese Alchemie ausmachen, aus der sich BENIGHTED ergibt. Wir wissen immer genau, in welche Richtung es gehen soll und die neuen Bandmitglieder haben diese Bandphilosophie nicht nur verinnerlicht, sondern bereichern sie sogar durch ihre unbändige Energie und ihre frischen Ideen.

Wie viel Zeit habt ihr benötigt, um „Necrobreed“ fertigzustellen? Wann habt ihr begonnen, die Lieder zu schreiben und wie lange wart ihr im Studio?
„Necrobreed“ wurde in neun Monaten fertiggestellt, wie eine Schwangerschaft. (lacht) Wir sind drei Wochen im Kohlekeller-Studio gewesen, um aufzunehmen.

Nehmt ihr Ferien, um genug Zeit zu haben, das Album aufzunehmen? Oder macht ihr das immer am Wochenende, beziehungsweise abwechselnd abends nach der Arbeit?
Im Kohlekeller-Studio in Deutschland aufzunehmen ist schon wie Urlaub, da wir mit Kohle (Kristian Kohlmannslehner, Anm. d. Red.) seit langem befreundet sind. Es ist immer cool, ihn zu sehen. Da wir leider nicht ewig Ferien haben, sind wir für die Aufnahmen immer zu zweit ins Studio gegangen, damit es immer noch eine zweite Meinung gab, wenn während der Aufnahmen Fragen aufkamen.


Kannst du nochmal erklären, was das textliche Albumkonzept ist?
Klar: Es geht um einen Schizophrenen, der aufgrund eines sexuellen Traumas einen Wahn entwickelt, und sich deswegen tote Tiere, die er auf der Straße aufsammelt, an den Bauch näht, um sie „auszutragen“, bevor er sie in dem Moment gebärt, in dem er die Hitze, die auf seiner Haut durch die Infektion entsteht, mit der, die das wiederbelebte Tier vorgefunden hätte, verwechselt, und das Tier zu seinem Kind wird. Um den Tieren ähnlicher zu sehen, näht er sich in der Folge Fellstücke und Körperteile der Tiere an den Körper, damit alle auch Teil der selben Familie werden.

Das Album ist in meinen Augen weniger melodisch und gleichzeitig extremer ist als die Vorgänger (vor allem Lieder wie „Der Doppelgänger“ und „Leatherface“) – gehört das zum Albumkonzept?
Da gehen die Meinungen weit auseinander, manche finden das Album viel melodischer und eingängiger als die letzten… Ums dir genau zu sagen: Wir achten darauf eigentlich nicht wirklich, alles was wir wollten, war ein düsteres, intensives Album zu schreiben, das einerseits eine richtig finstere Atmosphäre und ultra-brutale Parts bietet, gleichzeitig aber auch Refrains, die dir beim ersten Hören im Ohr bleiben.

Was bedeutet das Wort „Necrobreed“? Ist es eine Art Synonym für „Totgeburt“?
Nein, es ist eher ein Synonym für „Aufzucht der Toten“, das Symbol der Erschaffung einer Familie durch Kadaver.

Was zeigt das Albumcover und wer hat es designt?
Der Hauptcharakter ist der schizophrene Mann, der nach und nach Attribute eines Tieres aufweist, um seinen Kindern ähnlich zu sehen, und die beiden Mannequins an seiner Seite sind Träger von Haut, die er anziehen kann, um seiner Familie noch näher zu sein. Das Cover wurde von Gary Ronaldson gezeichnet, er hat das auch für unser Live-Album „Brutalive The Sick“ gemacht. Das Cover ist düster und super detailreich, ich liebe es!

Sind diesmal auch wieder Gastsänger dabei, und wenn ja, bei welchen Liedern?
Ja klar, diesmal insgesamt drei. Zunächst Asphodel von der Band Chenille, die die Stimmen in „Hush Little Baby“ spricht. Sie passen perfekt zur „80er-Jahre-Horrorfilm-Stimmung“, die wir schaffen wollten, da „Necrobreed“ die Sünde und die Gewalt dieser Art von Filmen verkörpert. Sie hat ihre Sache wirklich perfekt gemacht. Dann wäre da unser Kumpel Trevor von The Black Dahlia Murder. Mit ihnen sind wir 2016 getourt, der Typ ist unglaublich, auf und abseits der Bühne. Als wir „Forgive Me Father“ geschrieben haben, haben wir sofort an ihn gedacht, und als ich ihn angerufen habe, war er so enthusiastisch, dass er gleich mal ein neues Studio-Mic gekauft hat, um auch sicherzugehen, dass das bestmögliche Resultat dabei rauskommt. Zuletzt noch Arno von Black Bomb A, der mit seiner unfassbaren Bärenstimme die Delikatesse „Cum With Disgust“ noch weit über ihren unendlich poetischen Songtitel hinweg veredelt hat.

Was ist dein Lieblingslied auf dem Album, und warum?
Es ist „Reeks Of Darkened Zoopsia“, wegen seines Intros, das ich unglaublich finde, und des coolen Refrains.


Wenn ich es richtig verstanden habe, ist nicht nur der Titel, sondern auch die Lyrics von „Der Doppelgänger“ auf Deutsch. Warum hast du dich dafür entschieden, einen Track mit deutschen Texten zu schreiben, und worum geht es in diesem Lied?
Ich benutze die deutsche Sprache sehr gerne. Ich hatte schon für einen Song auf „Asylum Cave“ damit experimentiert, und es ist auch eine Hommage an alle unsere deutschsprachigen Fans, die uns seit so vielen Jahren unterstützen. Es geht um den imaginären Doppelgänger, der dich kurz heimsucht, wenn du kurz vor dem Tod stehst. In der Geschichte des Albums passiert dies dem Hauptcharakter jedes Mal, wenn er ein neues Tier gebärt, er wird „neu geboren“.

Neben seines düsteren Titels hat „Mass Grave“ ja auch einen Black-Metal-Touch und erinnert mich an Anaal Nathrakh. Worum geht es in diesem Song?
Es geht um das letzte Kapitel der Geschichte, in der sich der Hauptcharakter der Tatsache bewusst wird, dass er nicht so ist wie seine Kinder und es nie sein wird. Er entfernt sie von seinem Körper, setzt sich auf einen Stuhl und legt sie im Kreis um sich ab, die Pistole ans Kinn gedrückt, und setzt sich gemeinsam mit ihnen in Brand, damit er mit ihnen auf dem Scheiterhaufen derart vereint sein kann, wie er es in fleischlicher Gestalt nie konnte.

Euer Gespür für Ohrwurmmelodien ist wirklich außergewöhnlich – hat jemand von euch eine musikalische Ausbildung gemacht oder ist das einfach nur Talent?
Vielen Dank! Wir haben keine musikalische Ausbildung, wir vertrauen da einfach unserem Bauchgefühl, ohne darauf zu achten, was „gerade in ist“ oder was die Leute von uns erwarten.

Ihr werdet bald in Europa, auch in Deutschland, auf Tour gehen. Gibt es einen Ort, auf den ihr euch ganz besonders freut?
Ich liebe es, in Deutschland zu spielen, auch in Holland, aber eigentlich haben wir überall völlig verrückte Fans, das ist super. Das letzte Mal, das wir in Rumänien und Bulgarien gespielt haben, waren die Shows ausverkauft und die Leute waren von vorn bis hinten voll dabei, unglaublich.

Hast du den Eindruck, dass die französische Metalszene größer wird? Man hört von dort echt immer nicht viel….
In Frankreich gehört Metal nicht so zur Kultur und wird es auch nie, glaube ich. Selbst riesige Gruppen wie Gojira haben Schwierigkeiten, irgendwo in der Öffentlichkeit und in den Medien in Erscheinung zu treten. Erst mit ihrem letzten Album ist ihnen das zum ersten Mal gelungen, obwohl sie seit vielen Jahren großartige Musik machen und dabei in ihrem eigenen Land weniger gehyped werden als jeder drittklassige Hanswurst, der Claude François (französischer Komponist und Chansonnier, Anm. d. Red.) neu interpretiert. Aber das ist nicht so schlimm. Solange es Leute gibt, die mit Leidenschaft dabei sind und die Leute ihre Ärsche zu Konzerten schwingen, werden wir unsere eigene Kultur haben, die viel persönlicher und aufrichtiger ist als die ganze andere Suppe, die man uns auftischt.


Was habt ihr außer Touren noch für das Jahr 2017 geplant?
Wir werden noch einen neuen Videoclip produzieren, um das Album zu promoten, und darüber nachdenken, wie wir nächstes Jahr das 20-jährige Bandbestehen feiern werden.

Zum Abschluss des Interviews möchte ich gerne mit dir das Metal1-Brainstorming machen. Ich nenne dir ein paar Begriffe und du sagst mir, was dir dazu einfällt:
Donald Trump: Ein Witz
Wahlen in Frankreich 2017: Ein Witz
Belgisches Bier: Tödlich
Franck Ribéry:
Ein Witz mit Sprachfehler
Crystal Meth: Scheiße
Metal 1.info: Leidenschaft zum Teilen!

Danke für das Interview. Die letzten Worte an die Leser gehören dir. Machs gut.
Danke für das Interview und wir sehen uns auf Tour, um euch zu zeigen, wie sich „Necrobreed“ live anhört. Spread The Sickness !

Publiziert am von Pascal Stieler

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