Interview mit Julien Truchan von Benighted

Wenn es eine Band gibt, die seit Jahren die Grenzen extremer Musik immer weiter auslotet, dann die französischen Metzger von BENIGHTED. Das neueste Album „Carnivore Sublime“, das knapp drei Jahre nach „Asylum Cave“ erschienen ist, macht davon keine Ausnahme. Wir haben Sänger und Band-Mastermind Julien Truchan zum Interview gebeten und Interessantes über das Bandkonzept und die Thematik von „Carnivore Sublime“ in Erfahrung bringen können.

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Euer neues Album „Carnivore Sublime“ ist vor nicht allzu langer Zeit erschienen. Wie sind die Reaktionen eurer Fans und des Publikums bis jetzt ausgefallen?
Hi Pascal. Ja, es ist im Februar rausgekommen und hat voll eingeschlagen. Die limitierte Sammler-Edition war innerhalb einer Woche ausverkauft und das Feedback von Fans und der Presse sind unglaublich. Es hat unheimliche Lobreden auf das Album gegeben: Viele sagen, es sei unser bestes bisher, sei es im Bezug auf die einzelnen Songs, die Härte, die eingängigen Refrains oder die Produktion, die sowohl massiv als auch sehr aggressiv ist. Wir haben das Album mit der 17-Stop-Tour gemeinsam mit unseren Freunden von Loudblast beworben und die Leute haben schon zu Beginn die Refrains mitgesungen.

Wie viel Zeit habt ihr gebraucht um die Songs für das Album zu schreiben und später aufzunehmen?
Wir haben die Songs in neun Monaten geschrieben, wie eine Schwangerschaft, und haben drei Wochen lang in den Kohlekeller Studios in Deutschland aufgenommen. Wie bei einer Geburt sind wir sehr glücklich über unser neues Baby, das sehr brutal und groovy geworden ist. (lacht) Eine wilde Geburt, die die Gewalt des Extreme Metals von BENIGHTED und ihr eigenes verqueres Konzept über psychische Krankheiten zusammenbringt.

„Carnivore Sublime“ ist extremer als „Asylum Cave“ ausgefallen, vor allem von einem technischen Standpunkt aus. Habt ihr diese Änderung bewusst vorgenommen oder hat sich das einfach so ergeben?
Wir sind an das Album ohne Kalkül rangegangen. Wir haben es sehr instinktiv aufgenommen, mit all dem Eifer und der Motivation, die wir nach „Asylum Cave“ hatten, auf das wir ein enorm positives Feedback erhalten haben. Wir wollten uns keine Limits setzen, was Geschwindigkeit und Experimente angeht, vorausgesetzt, es kommt den Songs zu Gute. Ich gebe dir Recht, wenn du sagst, dass das Album noch extremer ist. Es ist der wilde und völlig entfesselte kleine Bruder von „Asylum Cave“.

benigted_682Seit 2012 besetzt Adrien Guérin den Leadgitarrenspot bei euch. Wie viel hat er zum neuen Album in Sachen Songwriting beitragen können?
Adrien hatte Liem schon während unserer 2011-er Tour mit Morbid Angel ersetzt, da Liem schon keine Zeit mehr hatte und sich in der Band nicht mehr so wohl gefühlt hat. Adrien ist ein hervorragender Gitarrist und Songwriter, eine wahre Riffmaschine. Man muss wissen, dass alle BENIGHTED-Songs von vorne bis hinten von der ganzen Band komponisert werden, ausgehend von den Riffs, die einer von uns einbringt. So schreiben wir unsere Musik. Und Adrien hat wirklich eine ganze Menge neuer Energie und Motivation miteingebracht. Er hat locker 60 % der Riffs geschrieben, das ist wirklich enorm.

Wer hat die Idee gehabt, ein Video zu „Experience Your Flesh“ zu drehen und was ist die Geschichte hinter dem Text und dem Video?
Ich bin ja derjenige, der hinter dem ganzen Bandkonzept steckt und ich habe auch die Orientierung für den Video-Clip vorgegeben. Es geht um den Hauptcharakter von „Carnivore Sublime“ und seine traumatischen Kindheitserfahrungen: Seine Lehrerin hat ihn sexuell missbraucht, was er nicht verstand, weil er erst sieben Jahre alt war. Diese Belästigungen haben in ihm Impulse geweckt, die er nicht kontrollieren kann und die zu seinem geistigen Ungleichgewicht beitragen.

Was besagt denn der Albumtitel „Carnivore Sublime“ selbst?
Der Hauptcharakter leidet an einer Persönlichkeitsstörung, die man Borderline nennt: Es ist eine Krankheit, bei der der Patient an einer panischen Angst vor der Einsamkeit leidet. Auf dem Album erfährt der Charakter, dass seine Freundin schwanger ist und dass er sie mit dem Baby teilen müssen wird. Das erträgt er nicht, tötet sie und isst sie stückchenweise, damit sie für immer bei ihm bleibt. Dies ist ein Verteidigungsmechanismus, der ihm hilft, seine schlechten Erfahrungen und unkontrollierbaren Impulse zu beherrschen. Er bezwingt seine Angst, verlassen zu werden, indem er zum Kannibalen wird.

Lässt du dich von deiner Arbeit im Krankenhaus inspirieren, wenn du Songtexte über psychisch kranke Menschen schreibst?
Ja, ganz genau. Alle Texte handeln von Krankheiten und echten Symptomen, mit denen ich während meiner Arbeit in einem psychiatrischen Krankenhaus konfrontiert wurde und werde. Meine berufliche Erfahrung, erlaubt es mir, Texte zu schreiben, die die Realität über solche Krankheiten darstellen und keine Klischees wie in Filmen oder Romanen. Diese Konzept gibt der Musik von BENIGHTED ein sehr verstörendes Element, die gut zur verschrobenen Komponente unserer Musik passt.

Wie auf den vergangenen Alben habt ihr wieder Songs mit französischen Texten auf dem Album (zum Beispiel “Les Morsures du Cerbère“). Worum geht es in „Les Morsures du Cerbère“ und wie legt ihr fest, welcher der Songs in französisch verfasst sein wird?
Es gibt auf jedem BENIGHTED-Album immer mindestens zwei Songs auf französisch, hier erkennt man es natürlich schon am Titel. Die Art und Weise, wie ich singe, macht es auch schwierig, die Sprache zu erkennen (lacht). “Les Morsures du Cerbère“ ist ein Stück, das von dem Hass des Hauptcharakters auf seine Freundin erzählt, als sie ihm klarmacht, dass sie schwanger ist. Der Text ist sehr poetisch und mit vielen Metaphern ausgeschmückt.

Denkt ihr, dass das ein Lied attraktiver für eure französischen Hörer macht, selbst wenn man nicht von dem Klischee ausgeht, dass die Franzosen miserable Sprachenlerner sind?
Aber das ist doch kein Klischee – wir sind wirklich miserabel in den Sprachen hier in Frankreich. Eine Katastrophe! (lacht) Ich habe immer Texte auf französisch geschrieben, da ich das einerseits liebe und andererseits als Hommage an alle unsere französischen Fans, die uns seit langer Zeit utnerstützen. Auf „Asylum Cave“ habe ich „Fritzl“ auf deutsch geschrieben, da es um diesen Österreicher ging, der gut zum schizophrenen Hauptcharakter des Albums passte. Ich habe die Gelegenheit genutzt, um unsere deutschen Fans zu grüßen, da deutsch eine Sprache ist, die ich in der Schule gelernt habe und an die ich mich noch ganz gut erinnern kann.

37220Während der letzten Wahlen hat der Front National viele Stimmen und Bürgermeisterämter in vielen Städten gewonnen. Siehst du darin eine Gefahr für Frankreich? Seid ihr generell politisch aktiv und was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit es wieder aufwärts geht?
Wir sind in keiner Weise als Gruppe politisch aktiv. Die Situation in Frankreich ist, meiner persönlichen Meinung nach, sehr schwierig, da wir kein ökonomisch wettbewerbsfähiges Land mehr sind. Egal, welche Partei an die Macht kommt, daran wird sich nichts ändern. Europa trifft die großen Entscheidungen und der Entscheidungsspielraum, der unseren Politikern bleibt, ist zu gering. Ich sehe für Frankreich keine rosige Zukunft, und einfache Lösungen scheint es auch nicht zu geben.

Werdet ihr dieses Jahr im Sommer in Deutschland auf Tour kommen?
Klar, wir sind Ende dieses Monats für das Grind The Mine Fest in Essen. Weitere Daten für große Festivals sind in Planung – es ist immer ein großes Vergnügen nach Deutschland zu kommen und mit unseren Fans zu feiern. Die Stimmung und die Unterstützung, die wir erhalten, sind stets großartig.

Danke für deine Antworten und viel Erfolg für den Rest des Jahres 2014. Wenn du noch etwas an unsere Leser loswerden willst, kannst du das jetzt tun.
Wir sehen uns sicher sehr bald bei einem weiteren irrwitzigen Konzert wieder, mit unserem Album „Carnivore Sublime“ im Gepäck. Danke für das Interview! Stay sick!

Publiziert am von Pascal Stieler

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