Interview mit Markus und Chris von Dante

Mit ihrer unlängst erschienenen dritten CD „November Red“ haben die deutschen Prog-Metaller von DANTE eindrucksvoll bewiesen, dass sie aus der Szene nicht mehr wegzudenken sind. Keyboarder Markus Maichel und Schlagzeuger Christian Eichlinger stellten sich unseren Fragen zur neuen CD und zur Musik im allgemeinen.


Hallo und vielen Dank, dass ihr euch für das Interview Zeit nehmt. Wie geht es euch nach der Veröffentlichung von „November Red“? Seid ihr mit Ergebnis und Resonanz zufrieden?
Chris: Grüß dich! Uns geht es nach der Veröffentlichung sehr gut. Es ist schön zu sehen, wie sich alles entwickelt und unser neues Label Massacre Records macht wirklich einen guten Job. Happy to be part of this family!

Wie kam es eigentlich zu eurer Entscheidung, die Band nach dem italienischen Dichter zu benennen?
Markus: Naja, wir haben die Band ja nicht wirklich nach ihm benannt. Das Ganze war ja zu Beginn ein Projekt von Markus Berger und mir, und ehrlich gesagt, haben wir lange über einen Namen gar nicht nachgedacht. Erst als sich mit dem Einstieg von Alex und Chris das Projekt zur Band wandelte, haben wir darüber nachgedacht. Es war dann schließlich Alex, der den Namen Dante ins Spiel brachte und er hat uns allen sehr gut gefallen: Er ist kurz und prägnant, sieht gedruckt auf CDs gut aus und die Konnotation mit Dante Alighieri kam uns auch nicht ungelegen, schließlich war es uns immer ein Anliegen, nicht nur bloße Unterhaltungsmusik zu schreiben, sondern auch immer einen künstlerischen Mehrwert zu bieten.

Sprechen wir über eure neue CD. Mir scheint, dass das Album in seiner ganzen Erscheinung euer bis dato persönlichstes Werk ist. Das scheint mir wiederum daran zu liegen, dass es in seiner häufig melancholischen Stimmung immer wieder die schwere Erkrankung und den zu frühen Tod eures Mitglieds Markus Berger zu reflektieren scheint. Würdest du dem zustimmen?
Markus: Eine schwierige Frage. Das Album ist sehr persönlich, keine Frage. Auch „The Inner Circle“ war das schon, aber da war der Ansatz auf der Textseite eher der, sehr lyrisch zu schreiben, das schafft natürlich immer auch eine gewisse Distanz. „Saturnine“ war da insgesamt auch deutlich distanzierter, ein wenig auch als Reaktion auf „The Inner Circle“. Was den Zusammenhang mit Markus´ Erkrankung angeht, ist das so ganz eindeutig nicht zu beantworten. Die grundlegende Ausrichtung des Albums hat er ja komplett mit auf den Weg gebracht und ein Großteil der Songs ist noch zu einem Zeitpunkt entstanden, als noch niemand von der Erkrankung wusste. Wir haben da auch lange mit Dummy-Texten gearbeitet, um die textliche Ausrichtung länger offen zu halten. Die persönliche und intime Richtung hat sich aber schon da abgezeichnet. Aber ganz klar: Das Wissen um Markus´ Erkrankung und das Wissen darum, dass es womöglich kein Happy End geben wird, waren dann spätestens Ende 2011 unsere ständigen Begleiter. Und in der Tat, viele der Texte, die ursprünglich gar nicht so sehr auf Markus abzielten, haben uns da buchstäblich eingeholt. Die finale Produktion mit all den finalen Entscheidungen zu den Texten, dem Sound, dem Artwork dann, die ja komplett ohne Markus stattfand, stand natürlich sehr im Zeichen seiner Erkrankung und das hört man auch.

Wie darf man eigentlich den Namen der aktuellen CD verstehen? Welche Überlegungen haben letztlich zum Titel „November Red“ geführt?
Markus: „November Red“, das ist gar nicht so sehr konkret inhaltlich festgelegt, das ist für uns einfach ein sehr lyrischer Ausdruck, der für das steht, was das Album durchzieht. „November Red“, für uns steht das für Zeiten des Übergangs, für das Enden der einen Dinge und das Entstehen und Erscheinen von neuen. So wie der Herbst, bildlich gesprochen, den Übergang von Sommer zu Winter markiert. Das sind immer auch Zeiten voller Wehmut, voller Verzagtheit, auch voll Angst und Trauer, aber immer auch Zeiten der Hoffnung. Das Album handelt von diesen Momenten, wenn einem bang um´s Herz wird, wenn man sich in diesem Moment gefangen fühlt. Wie gesagt, „November Red“ beschreibt da eher ein Gefühl. Eines, mit dem wir uns ganz konkret sehr viel stärker auseinandersetzen mussten, als uns lieb war.

Auf „November Red“ findet sich ein Stück mit dem Titel „The Low And Level Sands“, ein Zitat aus dem Gedicht Ozymandias von Percy Bysshe Shelley. Stand das Gedicht Pate für den Song?
Markus: Die Idee dazu hatte Alex, und ja, das Gedicht stand definitiv Pate!Ein altes Gedicht, von 1817. Aber sein Thema ist zeitlos: Wir alle sind vergänglich. Auch das Größte, scheinbar Unvergessliche, wird vergehen. Aber auch alles ist überwindbar. Auch das scheinbar Unüberwindbare. Am Ende findet sich jede Idee, jede Existenz, jedes Leben dort wieder, was Percy Bysshe Shelley “The lone and level sands” nannte.

Was könnt ihr über die Struktur der CD sagen – mir kommt es nämlich ein wenig so vor, als ob dem Ganzen ein Konzept zugrunde läge.
Markus: Das ist absolut richtig! Uns war es immer wichtig, gute und schlüssige Alben zu machen und keine Ansammlung von verschiedenen Songs abzuliefern, die eben zufällig auf einem Album gelandet sind. „November Red“ sollte ursprünglich sogar ein Konzeptalbum werden, der Arbeitstitel war sehr lange „Passenger“, die Songs sollten alle in diesem Kontext stehen. Man merkt das auch an vielen Stellen noch, besonders bei den Songs „Birds Of Passage“ und „Allan“ ist das noch sehr gut zu hören, die ja beide ganz explizit den Kosmos „Bahnhof und Reisende“ erwähnen.Aus dem kompletten Konzeptalbum ist dann schließlich doch nichts geworden, aber die Grundstruktur schimmert permanent durch! Wir sind da mit dem Fluss und dem inneren Zusammenhalt des Albums als Ganzem sehr zufrieden!

In euren Songs wirkt der Refrain immer sehr auflösend, befreiend, er bricht sozusagen die manchmal vertrackte Rhythmik auf und macht sie geradlinig – ist es das, was für euch ein Refrain bewirken soll? Habt ihr so etwas wie eine Theorie des Refrains?
Chris: So was wie eine „Theorie des Refrains“ liegt dem nicht zu Grunde. Jedoch sollte meiner Ansicht nach ein guter Song im Refrain immer aufgehen, groß werden. Ein guter Song ohne guten Refrain – das ist schwierig. Uns ist es ausgesprochen wichtig, dass wir, bei aller Progressivität, immer gute Songs schreiben und keine Ansammlung schwieriger Instrumentalteile, zwischen denen eben hier und da auch mal gesungen wird!

Wie zielstrebig geht ihr bei eurem Songwriting vor? Setzt ihr euch mit einem klaren Ziel hin oder verarbeitet ihr eher spontane Ideen und Eingebungen?
Chris: Ich denke, das ist ein Mix aus Eingebungen, spontanen Ideen und natürlich auch der Verarbeitung von Gefühlen. Zielstrebigkeit ist hier jedoch ein sehr wichtiger Faktor und Kontinuität ohnehin. Sonst geht einfach nichts voran.


Was zeichnet für euch eine wirklich gute CD aus und gibt es Scheiben, die ihr persönlich sehr schätzt, obwohl sie diesen Kriterien nicht entsprechen?
Chris: Eine gute CD muss mich die Zeit vergessen lassen. Ich möchte diesen Effekt von „schon vorbei?“. Es gibt diese CDs, die man hört, in denen man sich verliert und aus denen man erst wieder auftaucht, wenn sie vorbei sind – man hat gar nicht bewusst wahrgenommen, dass das verschiedene Songs waren. Natürlich ist es des Weiteren auch immer schön, wenn die CD auch dementsprechend gut produziert ist und in einer entsprechenden Aufmachung kommt.

Man liest häufig, dass das Internet die Lesegewohnheiten der Menschen verändert hat – und zwar hin zur Bevorzugung kürzerer und leichterer Texte. Findet ihr, dass bezüglich der Musik eine ähnliche Bewegung stattfindet, bei der die Musik und die Künstler zunehmend hinter der angeklickten Datei verschwinden?
Chris: Dass der Künstler hinter der angeklickten Datei verschwindet, ist definitiv eine Entwicklung. Das geschieht jedoch bei allen Produkten, die zunehmend digital konsumiert werden. Dementsprechend nimmt auch die Wertschätzung ab, da das Produkt, in diesem Falle die Musik, weniger fassbar wird. Ich denke, in unserem Bereich, unserem Genre, haben wir es noch etwas besser, weil die Fans noch Wert auf eine tatsächlich anfassbare CD legen.

In ihrem Song „Radio GaGa“ sangen Queen: „So don’t become some background noise “. Gehört ihr stattdessen noch zu den Leuten, die sich tatsächlich hinsetzen und nur Musik hören?
Markus: Absolut! Ich finde es von ganz elementarer Bedeutung, dass Musik bewusst gehört wird. Die Realität ist aber heutzutage natürlich die, dass 90% der Musik so produziert wird, dass sie im Hintergrund laufen kann und die Leute nicht groß stört. Kurz, dass das Radio vor sich hindudeln kann, ohne dass man durch allzu komplexe Sachen „gestört“ wird. Das ist schon eine sehr traurige Entwicklung, weil die Menschen das Hinhören verlernen und somit den Großteil dessen, was Musik zu einem so einzigartigem Erlebnis machen kann, gar nicht mitbekommen können – weil sie mehr hören nicht hören, weil sie nicht wissen, worauf sie achten müssen. Es hat schon einen Grund, warum bei so vielen Musikvideos mittels möglichst wenig Kleidung versucht wird, vom Song abzulenken! Wobei ich da tatsächlich wohl am extremsten bin innerhalb der Band. Mir ist es sehr wichtig, dass ich Musik bewusst höre, dass ich idealerweise gar nichts anderes mache, als Musik zu hören. Inzwischen höre ich sogar kaum noch Musik beim Autofahren. Da spielt aber natürlich auch eine Rolle, dass ich als Tontechniker natürlich das genaue Hinhören gewohnt bin und auch geradezu zwanghaft hinhören muss, wenn irgendwo Musik läuft – deswegen stört mich auch das angesprochene Dudelradio immer so sehr: Weil ich nicht weghören kann!

Ihr habt euch einen Ruf als ausgezeichnete Live-Band erarbeitet. Was erwartet den Besucher einer eurer Konzerte?
Chris: Wir möchten entgegen dem Klischee keine Stehlampen auf der Bühne sein, die nur unsere Musik für sich alleine zelebrieren. Wir möchten das Publikum mit einbeziehen und ihnen das Gefühl geben, dass sich die Reise gelohnt hat. Letzten Endes macht das Publikum einem Künstler ein großes Geschenk, es schenkt ihm seine Zeit und das ist in der heutigen Zeit ein sehr wertvolles Gut. Wenn unser Publikum nach Hause geht, möchten wir das Gefühl vermittelt haben, dass sie denken, „Hey, denen war es wichtig, dass ich da war“, und dass sie zumindest während des Konzerts den Alltag hinter sich lassen konnten und mit uns ordentlich das Haus gerockt haben.


Mit wie viel Live-Aktivität darf man 2013 rechnen?
Markus: Wir versuchen immer, so viel wie möglich zu spielen, aber natürlich ist es heutzutage ausgesprochen schwer, viele Gigs zu spielen, gerade mit Musik, wie wir sie machen. Das ist letzten Endes dann überwiegend eine finanzielle Entscheidung, was machbar ist und was nicht. Es ist leider immer häufiger der Fall, dass Clubbesitzer und Veranstalter jegliches Veranstaltungsrisiko an die Künstler weitergeben, indem sie relativ hohe Fixsummen kassieren, für die der Künstler erst mal aufkommen muss, und die er sich dann – vielleicht – über die verkauften Tickets, wieder hereinholen kann. Aus Veranstaltersicht ist das verständlich, auch ihnen geht es nicht so rosig, aber für Künstler, die nicht schon eine große Nummer sind, macht das das Leben ungemein schwer.Da kann man sich unschwer ausrechnen, was es etwa für uns bedeutet, Konzerte etwa in Norddeutschland anzupeilen, da hat man eine Anreise von einigen hundert Kilometern samt Equipment, da hast du Übernachtungen und da hast du auch schnell mal pro Abend Summen von 1000-2000€, die man erst mal vorstrecken muss, ohne Gewähr, dass man das wieder hereinbekommt. Aber nichtsdestoweniger werden wir auch in der zweiten Jahreshälfte noch etliche Konzerte spielen!

Gibt es für euch noch große Ziele und Träume, die ihr mit DANTE erreichen wollt?
Chris: The sky is the limit. Reicht das als Antwort?:-)

Herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute.

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