Interview mit Saturnus von Dead Limbs

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Mit ihrem Debüt „Spiritus/Sulphur“ haben die brasilianischen Atmospheric-Black-Metaller DEAD LIMBS ein sehr stimmunsgvolles, interessantes Album geschaffen. Saturnus, der die Lyrics des Albums geschrieben hat, erzählt uns im Zuge der folgenden Zeilen, wie es um die Metal-Szene in Brasilien bestellt ist, worum es im eigens für das Album geschriebenen Mythos geht und was „Dark Souls“ damit zu tun hat.

DEAD LIMBS ist ein eher ungewöhnlicher Name für eine Atmospheric-Black-Metal-Band, da denkt man vielleicht eher an Death Metal. Wie kamt ihr zu dem Namen?
Anfangs haben wir uns keine allzu tiefgründigen Gedanken über einen Bandnamen gemacht. Wir dachten einfach, dass er zu der Atmosphäre passte, die wir erschaffen wollten. Mit der Zeit erkannten wir in ihm jedoch einen tieferen Sinn. Der Tod ist nicht der letzte Zustand von etwas oder jemandem, es ist vielmehr der Pfad zur Transformation und Wiedergeburt. So wie sich der tote, abgetrennte Ast eines Baumes schließlich in etwas Anderes verwandelt, sind auch wir Teil eines immerwährenden Prozesses der Transformation.

Torsten von Northern Silence Productions scheint wirklich große Stücke auf euch zu halten. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Wir haben ein paar Mails an einige Labels geschickt, aber eigentlich haben wir nie damit gerechnet, ein Teil von NSP zu werden. Alles, was wir wollten, waren ein paar CDs und ein bisschen Promotion. Als er uns dann zurückschrieb, war das also eine erstaunliche Überraschung. Es ist echt unglaublich, dort zu sein, wo so viele der Bands sind, die wir gut finden, das ehrt uns sehr. Torsten ist wirklich nett und geduldig mit uns umgegangen, aber auch sehr gezielt und er hat uns in vielen Dingen beraten, in denen wir noch nicht so viel Erfahrung hatten. Das rechnen wir ihm hoch an.

Laut dem Label seid ihr von Agalloch und Mgła beeinflusst, das hört man auch wirklich. Gibt es noch andere Bands, die euch inspirieren?
Ich denke schon. Da musste ich aber Asclepius und Poimandres fragen, weil mir keine konkreten Beispiele eingefallen sind. Das liegt vielleicht daran, dass die Einflüsse so subtil in Erscheinung treten. Ich würde sagen, es waren wohl auch noch Bands wie Summoning und Batushka, die haben wir während des Komponierens viel gehört, aber wir sind uns alle einig, dass das Videospiel „Dark Souls“, aus klanglicher Perspektive, eine sogar noch größere Rolle gespielt hat.

Euer Debüt „Spiritus/Sulphur“ ist ein wirklich eindrucksvolles, atmosphärisch dichtes Album. Neben der Musik ist auch das Textkonzept echt faszinierend, ihr habt euren eigenen Mythos namens „The Ash Seeketh Embers“ geschaffen. Kannst du uns kurz erzählen, worum es dabei geht?
Er handelt von Wiedergeburt. Darum, zu sterben, und als jemand Größerer neu geboren zu werden. Die Geschichte beginnt in einer dekadenten und geplagten Herrschaft, die einst glorreich war, nun aber am Zerfallen ist, da die Menschen immer bösartiger und degenerierter werden. Als sie schließlich zugrunde geht, erhebt sich eine unheilvolle Kraft, die die Menschen verdammt. Dieses Szenario resultiert in der introspektiven Reise eines prophezeiten Kaisers, der den Mann in sich tötet und über seine menschlichen Schwächen hinauswächst, um sein Volk aus seinem Elend herauszuführen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Fabel, sondern um eine Allegorie über das spirituelle Streben, um ein erleuchtetes Wesen zu werden. Wir hoffen, dass die Geschichte den Leuten gefällt und dass sie ihr genauso viel Aufmerksamkeit zukommen lassen wie den Songs. Wir werden die komplette Sage bald veröffentlichen, den Prolog findet man bereits im Booklet des Albums.

Eure textlichen Einflüsse liegen in der Hermetik, der griechischen Mythologie und in der „Souls“-Serie, also der Videospiel-Reihe um „Dark Souls“. Was begeistert euch so sehr an diesen Themen?
Ich bin einer dieser Typen, die stundenlang in Videos, Wikis, Blogs, Reddit Posts usw. stöbern, um auch nur die kleinsten Details oder Theorien über das „Souls“-Universum zu finden. Es ist unglaublich, wie sie diese Welt über die Jahre geschaffen und geformt haben. Sie ist so reichhaltig und brillant gemacht, dabei auch so mysteriös. Ich bin aber kein guter Spieler. Der griechischen Mythologie konnte ich schon als Kind viel abgewinnen. Ich hatte viele Bücher mit Mythen darin und sie alle haben dieses Seltsame an sich. Menschen, die sich in Delfine verwandelten, ein König, der alles, was er berührt, in Gold verwandelt usw. Für Asclepius und mich sind außerdem die hermetischen Schriften sehr interessant. Wir vertiefen uns gern in okkulter Ästhetik und allegorischen Themen. Bei Poimandres ist das etwas Anderes, er hat inzwischen eine tiefe religiöse Verbindung dazu.

Wie kamt ihr darauf, auf diesen Themen aufbauend euren eigenen Mythos zu schreiben?
Das kommt daher, dass wir uns damit eingehend befasst haben. Wir wollten unsere eigene Welt erschaffen, unsere eigenen Geschichten. Als erstes haben wir einen einfachen Text geschrieben, der die Charaktere und Ereignisse definiert. Je mehr wir schrieben, desto komplexer wurde die Geschichte und desto größer wurde die Welt. Dann schrieb ich die Ursprünge eines jeden Charakters und die Geschehnisse, die zu der Story von „Spiritus/Sulphur“ führen. Ebenjene wurden später zum Prolog, der im Booklet des Albums zu lesen ist. Von da an wussten wir, dass wir diese Welt weiter ausbauen wollten.

Werden eure nächsten Alben diese Geschichte weiterführen?
Wir haben schon viel darüber nachgedacht und wir werden vielleicht etwas Neues erschaffen, aber das müssen wir noch diskutieren. Vielleicht einen anderen Mythos mit einer ähnlichen Atmosphäre, aber das werden wir noch sehen.

In eurer Bandinfo steht, dass Asclepius die Instrumente einspielt, während Poimandres für das Konzept zuständig ist und du für die Texte. Wie genau läuft denn die Zusammenarbeit zwischen euch ab und wen hört man hinter dem Mikro?
Dies ist unsere allgemeine Einteilung, aber jeder von uns war in sämtlichen Aspekten des Albums tief involviert. Obwohl also Poimandres hauptsächlich für das Konzept zuständig war, hat er auch am Songwriting mitgewirkt, dasselbe gilt für Asclepius und mich. Asclepius kümmert sich außerdem als Einziger um die Screams, während wir alle den Klargesang beisteuern. Wir wollten, dass sowohl der Gesang als auch die Screams der Erzählung zuträglich zusammenwirken, deshalb haben wir an manchen Stellen auch Cleans eingebaut.

Auch das Cover des Albums wirkt tatsächlich so, als könnte es ein antikes mythologisches Kunstwerk sein. Was kannst du uns darüber erzählen?
Ja, es ist tatsächlich ein altes, hermetisches Emblem. Wir fanden, dass die Illustration sehr gut zur bildlichen Essenz der Geschichte passte. Wir mussten also nur die darin enthaltene Symbolik adaptieren, damit er mit der Geschichte in Einklang kommt. Im Kontext des Albums ist die Sonne Spiritus und der Mond Sulphur. Die alchemistischen und hermetischen Allegorien waren essentiell für die Entstehung des Universums von „Spiritus/Sulphur“.

Trotz des ambitionierten Konzepts und der zum Teil langen Tracks ist „Spiritus/Sulphur“ nur 35 Minuten lang. Wieso habt ihr diese eher kurze Spielzeit gewählt?
Einer der uns wichtigsten Punkte beim Strukturieren des Albums war, eine kohärente Erzählung einer komplexen Storyline zu kreieren, ohne dass dabei die Lyrik abhanden kommt. Wir wollten außerdem ein möglichst geradliniges Album, deshalb schafften es nur die wichtigsten Parts auf das Album, deshalb klingt es für einen Außenstehenden vielleicht etwas unsinnig. Die Laufzeit spielte für uns keine Rolle. Ich fände ein paar Minuten mehr gut, aber wir sind glücklich so, wie es ist.

Einer der Gründe für die vergleichsweise kurze Laufzeit ist der, dass zwei der sechs Tracks kurze Interludes sind. Welche Rolle spielen diese beiden Zwischenspiele im Kontext des Albums?
Ihr Zweck ist es, die Momente einzuleiten, in denen der Protagonist tief in sich geht. Auf ebenjene Momente folgen entscheidende Ereignisse, die ihn verändern werden. Wie gesagt, wir wollten, dass das Album eher geradlinig ist, deshalb denke ich, dass die kurze Laufzeit gut funktioniert, wie ein Vorhang bei einem Theaterstück.

Produziert wurde die Platte von Patrick W. Engel im Temple Of Disharmony. Warum habt ihr euch gerade für ihn entschieden und wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Poimandres hatte mit dem, was er zur Verfügung hatte (also fast nichts) ein ganz gutes Mixing und Mastering hinbekommen, aber es ist nun mal Fakt, dass er kein Profi ist und dass wir überhaupt kein gutes Equipment haben. Deshalb brachte uns Torsten mit Patrick in Kontakt, damit er das Album mastern konnte, was uns einen ganzen Schritt weiterbrachte. Wir hatten ein paar Unstimmigkeiten bezüglich ein paar kleiner technischer Angelegenheiten, aber eigentlich ist das irrelevant, denn er weiß, was er tut und hat mit der Platte einen tollen Job gemacht.

Wie steht es um die Metal-Szene in Brasilien? Gibt es noch andere Bands, die ihr uns empfehlen könnt?
Ich sehe großes Potential in unserer Metal-Szene. Thy Light stechen zum Beispiel hervor und haben viel Einfluss auf die internationale Szene. Andererseits sind da auch viele Bands, die dieselben musikalischen Ideen haben und kaum etwas Neues auf den Tisch bringen. Ich lebe in einer kleinen Stadt im ländlichen Bereich um Rio de Janeiro und da gibt es dutzende Metal-Bands, die alle exakt gleich klingen. Deshalb ist die Szene schon so übersättigt, dass es sogar für Newcomer schwer wird, etwas Neues zu schaffen. Neben der Band, die ich bereits erwähnt habe, empfehle ich noch Labirinto, ein Must-Hear für alle, die etwas mit Post-Metal anfangen können.

Plant ihr auch live aufzutreten, vielleicht sogar in Europa?
Wir haben uns so in die Entstehung des Albums vertieft, dass wir noch gar nicht darüber nachgedacht haben, ob wir live auftreten wollen. Ich denke, wir werden mit DEAD LIMBS vorerst nur an weiteren Projekten wie EPs, Sagen und Alben arbeiten. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, sind wir aber bereit, darüber zu diskutieren. Europa ist aber wohl noch ein sehr ferner Traum.

Gut, dann nähern wir uns langsam mal dem Ende dieses Interviews. Zum Abschluss möchte ich dich noch bitten, bei unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming mitzumachen. Was fällt dir bei den folgenden Begriffen ein:
Agalloch: Eine Busfahrt vor ein paar Jahren von der Schule nach Hause, auf der ich „The Mantle“ gehört habe.
Dantes Inferno: Gotische Architektur
God Of War: Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinem Vater die ersten drei Teile durchgespielt habe. Das bringt schöne Erinnerungen zurück.
Religion: Etwas, das man erstreben muss.
Absolutes Lieblingsalbum: „Blessed He With Boils“ von Xanthochroid. Zumindest vorerst.
DEAD LIMBS in zehn Jahren: Unsere kreativen Ziele erreicht.

So, dann nochmals vielen Dank für dieses Interview. Wenn es noch etwas gibt, das du unseren Lesern mitteilen möchtest, kannst du das jetzt gerne noch tun:
Ich möchte dir für die Gelegenheit für das Interview danken, Stephan! Ich hoffe, den Leuten gefällt, was wir kreieren.

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