Interview mit Dominik Goncalves dos Reis & Peter Wolff von Downfall Of Gaia

Nach ein paar ausladenden Post-Black-Metal-Konzeptalben sind DOWNFALL OF GAIA kürzlich zu ihren Wurzeln zurückgekehrt: Auf ihrem aktuellen Album „Silhouettes Of Disgust“ spielt die deutsche Band nun wieder vermehrt kürzere Songs mit einer geballten Ladung Crust Punk. Wir haben mit der Band anlässlich der Veröffentlichung der Platte ein Interview geführt, in dem die beiden Sänger und Gitarristen Dominik Goncalves dos Reis und Peter Wolff unter anderem von der Vereinfachung ihres Songwritings, ihren Experimenten mit neuen Instrumenten und der Hassliebe zur Großstadt erzählen.

Euch wird nachgesagt, dass ihr eure Wurzeln im Crust Punk habt, mit der Zeit jedoch eher in Richtung Black Metal gegangen seid. Wie kam es zu dieser Entwicklung und wo verortet ihr euch selbst?
Peter: Das war eine natürliche Entwicklung über die Jahre. Schon bevor wir die Band gestartet haben, waren wir ein Teil der Crust/DIY-Szene und wurden dadurch musikalisch auch von dieser geprägt. Über die Jahre haben wir persönlich auch den Gefallen an anderer Musik gefunden, wie eben Black Metal, und zu guter Letzt auch an elektronischer Musik. So sind dann immer neue Elemente hinzugekommen und haben unsere Musik geformt. Es ist schwer zu sagen, wo wir uns selber musikalisch sehen, ich würde aber sagen, dass wir uns weiterhin eher im Crust-Bereich zu Hause fühlen.

Ihr habt wieder mehr Crust-Punk-Elemente in euer neues Album, „Silhouettes Of Disgust“, eingebaut. Wie kam es zu dieser stilistischen Rückbesinnung?
Peter: Wir wollten uns wieder mehr darauf konzentrieren, wer wir sind, was unsere Wurzeln sind und wo wir uns am wohlsten fühlen.

Downfall Of Gaia - Silhouettes Of Disgust CoverartworkPunk zeichnet sich üblicherweise durch eher simple Songstrukturen aus. Tatsächlich scheint „Silhouettes Of Disgust“ im Vergleich zu den vorherigen Alben ein wenig einfacher gestrickt zu sein. Trügt da der Schein?
Peter: Da hast du auf jeden Fall Recht. Wir wollten keine 8- oder 10-Minuten-Songs mehr schreiben, da wir gemerkt haben, dass wir selber zur Zeit auch lieber kürzere Songs hören. Auch war es uns wichtig, dass die Strukturen nicht mehr so vertrackt sind.

Wie denkst du heute rückblickend über eure früheren Veröffentlichungen?
Peter: Ich mag weiterhin jede einzelne Scheibe. Klar, würde man jetzt hier und da Sachen anders machen, aber trotzdem bin ich immer noch mit allem sehr zufrieden.

Eure aktuelle Platte ist während der Coronapandemie entstanden, weshalb auch nicht alles nach Plan verlief. Wie ging es euch mit den kurzfristigen Änderungen im Entstehungsprozess?
Peter: Unsere geplante Recording-Session musste kurzfristig abgesagt werden und wir haben die Gitarren und den Gesang in Eigenregie in meinem Studio aufgenommen. Auch wenn es zu dem Zeitpunkt ein großer Stressfaktor war, hat es auch manche Sachen positiv beeinflusst, wie dass wir beim Gesang mehr experimentieren konnten und die Gitarren teilweise noch während des Recordings überarbeiten haben.

Aus welchem Grund habt ihr mit den Aufnahmen nicht gewartet, bis die Aufnahmen wieder einfach möglich gewesen wären?
Peter: Leider ist die Planung nicht mehr so einfach wie früher. Wir leben in unterschiedlichen Städten, haben Familie und Arbeit. Auch andere Zeitpläne waren schon mehr oder weniger in Stein gemeißelt. Da wäre ein Verzug von einigen Monaten nur schwer plan- und verkraftbar gewesen. Wir sind aber sehr glücklich über das Ergebnis und ich denke, wir haben uns für den richtigen Weg entschieden.

Seid ihr mit dem Ergebnis also völlig zufrieden oder musstet ihr gewisse Kompromisse eingehen?
Peter: Wir sind sehr zufrieden und haben dadurch eigentlich eher einen Gewinn als Kompromisse gehabt.

Downfall of Gaia BandfotoAuf eurem neuen Album finden sich allerlei interessante Details wie etwa das Surren zu Beginn von „The Whirr Of Flies“ oder die brachial-abgehackte Einleitung von „Final Vows“. Ist das Experimentieren ein fester Bestandteil eures kreativen Prozesses?
Peter: Experimente gehören immer dazu, auch wenn sie nicht immer gelingen. Wir wollten schon vor langer Zeit elektronische Elemente einfügen. Nur damals konnte noch keiner von uns mit einem Synthesizer umgehen und wir haben die Idee wieder über den Haufen geworfen. In meiner Auszeit von DOWNFALL OF GAIA habe ich mich mit elektronischer Musik beschäftigt und so waren wir nun in der Lage, auch solche Dinge einfließen zu lassen. Wir haben während des Songwritings viel ausprobiert, welche Sounds sich gut mit unserem Gesamtbild verbinden.

Meines Wissens erzählt jeder Song auf „Silhouettes Of Disgust“ die Geschichte jeweils einer fiktiven Figur. Dabei geht es meist um Personen am Rande der Gesellschaft. Was hat euch dazu inspiriert, diesmal ein solches Storytelling umzusetzen?
Dominik: Um ehrlich zu sein, wollte ich nicht schon wieder ein Konzeptalbum schreiben, aber diese Form der „Erzählung“ hat dann doch etwas frischen Wind in die Segel geblasen und es war mal eine etwas andere Herangehensweise, als es auf den Alben zuvor der Fall gewesen ist. Nach der Inspiration muss man nicht lange suchen, im Grunde ist es ein Potpourri der letzten Jahre. So viele Dinge (weltweit) entwickeln sich momentan einfach in die komplett falsche Richtung und der Erdball marschiert aktuell eher zwei Schritte zurück, als einen nach vorne. Es ist eine unglaublich frustrierende Zeit, in der wir leben.

Ihr thematisiert damit freilich nicht bloß frei erfundene Einzelschicksale, sondern real existierende, strukturelle Probleme. Denkt ihr, dass ihr mit eurer Musik Denkanstöße gebt? Und ist euch das überhaupt ein Anliegen?
Dominik: In erster Linie geht es darum, Dinge für sich selbst zu verarbeiten und unterzubringen. Mir persönlich ist es jedoch ebenso wichtig, keinen inhaltsleeren Mist von mir zu geben und für das stehen zu können, was auch auf dem Papier zu lesen ist. Das hat natürlich auch viel mit unserer Sozialisation zu tun, es ging schon immer eher um kritische Töne. Wenn dieses natürlich die Leute zum Denken anregen kann, dann freut uns das natürlich.

Die Texte sind diesmal nahezu ausschließlich deutsch, das Album und die Songs sind jedoch englisch betitelt. Was hat es damit auf sich?
Dominik: Dafür gibt es eigentlich gar keine allzu verrückte Erklärung. Diese Kombination hat sich bei uns in all den Jahren irgendwie eingeschlichen. Dabei geht es tatsächlich auch ein wenig um den Klang. Deutsche Titel laufen gerne mal Gefahr, eine dezent peinliche Note zu haben. Es klingt halt einfach besser im Englischen.

„Silhouettes Of Disgust“ ist konzeptionell im urbanen Raum angesiedelt und hat eine entsprechend kalte, brutale Ästhetik. Welche Beziehung hast du zur Großstadt als Lebensraum?
Dominik: Ich wohne in Berlin, also quasi mittendrin im „Lebensraum Großstadt“. Es ist definitiv eine Hassliebe. Es kann sehr schnell zu viel werden und man will einfach nur weg. Aber kaum ist man weg, ist einem auch ganz schnell wieder langweilig und man vermisst den Trubel.
Ich weiß nicht… Es ist nervig, aber ohne geht irgendwie auch (noch) nicht.

Downfall of Gaia Bandfoto2

Oft wird die Metropole trotz ihrer Bevölkerungsdichte als etwas regelrecht Lebensfeindliches dargestellt. Ist die Großstadt aus deiner Sicht notwendigerweise ein abscheulicher Ort?
Dominik: Am Ende kommt es wohl einfach darauf an, was du daraus machst. Ich glaube, mit dem richtigen Setting und den richtigen Leuten um dich herum passt es überall. Mit Sicherheit gibt es angenehmere Orte zum Leben als eine zubetonierte Großstadt, allerdings ist die schönste Ecke auf Erden ohne die richtigen Leute ebenso nichts wert.

Zuletzt haben einige Bands sich kritisch darüber geäußert, dass viele Konzertlocations große Teile der Mercheinnahmen einfordern. Habt ihr auch mit diesem Problem zu kämpfen?
Peter: Das hatten wir noch nie. Kann ich also zum Glück nichts dazu sagen. Merchandise-Einnahmen ist die wichtigste Einnahmequelle einer tourenden Band, deswegen geht so etwas aus meiner Sicht überhaupt nicht klar.

Wie sieht es ansonsten bei euch aus? Das Album hat es in die Charts geschafft, ihr konntet nun auf Tour gehen – darf man davon ausgehen, dass ihr als Band gut über die Runden kommt?
Dominik: Sagen wir mal so, die Band finanziert sich von alleine, was natürlich eine extrem tolle Sache ist und wofür wir wirklich sehr dankbar sind. Allerdings sind wir auch meilenweit davon entfernt, dass großartig etwas hängen bleibt. Wir deckeln eher unsere Kosten. Aber darum soll es am Ende ja auch nicht gehen.

Kommen wir noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Dominik:
Naturromantik: Klingt kitschig, aber kann schon schön sein.
Klimaproteste: Wichtig und richtig.
Misanthropie: Kommt man dieser Tage nicht drum herum.
Urban Gardening: Why not?!
Hoffnung: Oft das Letzte, was bleibt.
DIY: Bin ich großer Fan von.

Zum Abschluss nochmal vielen Dank für das Interview. Möchtest du noch ein paar letzten Worte an die Lesenden richten?
Dominik: Danke für das Interview. Wir arbeiten aktuell an neuen Shows, immer zu finden auf http://www.downfallofgaia.com. Wenn etwas in der Nähe ist, kommt doch gerne vorbei!

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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