Interview mit Schwadorf von Empyrium

Ob als Produzent oder Gitarrist und Songwriter – Markus Stock ist stets ein Interview-Partner, der Interessantes zu berichten weiß. Auf der „Witching-Hours-Over-Europe“-Tour von The Vision Bleak hatten wir die Gelegenheit, Markus Stock alias Ulf Theodor Schwadorf auch zum Thema EMPYRIUM zu befragen. Was er über den aufwändigen Entstehungsprozess von „Into The Pantheon“, die Schwierigkeiten der Transformation von der Studio- zur Liveband und nicht zuletzt das kommende Album zu erzählen hatte, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

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Ihr habt unlängst euer Live-Dokument „Into The Pantheon“ veröffentlicht, von dem du gerade schon gesprochen hast. Bist du grundsätzlich so zufrieden mit dem Output, wie ihr es am Ende jetzt an den Start gebracht habt?
Ja, sehr zufrieden. Klar gibt es ein paar ganz kleine Sachen, aber Du wirst bei einer Veröffentlichung immer irgendwelche minimalen Sachen haben, die Dir nicht passen. Aber im Großen und Ganzen bin ich echt sauzufrieden damit – gerade, weil das eine Sache ist, die man nicht alle Tage macht, war der Arbeitsaufwand natürlich riesig und man muss auf so viele Dinge achten, dass man natürlich auch schnell mal den Überblick verliert. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mir das Finished-Produkt jetzt auch noch gar nicht angeguckt habe. Ich habe es natürlich daheim, aber die DVD habe ich mir nicht nochmal angeguckt, weil ich mir das während des Schnitts so oft angucken musste … und gerade was die Dokumentation angeht, ist es ja auch nicht immer angenehm, sich zwei Stunden selber zuzugucken.

Wie viel hast du bei der Veröffentlichung selbst in die Hand genommen? Hast du also auch den Schnitt und so gemacht?
Den Ton habe ich gemacht, den Livemix habe ich gemacht, der Schnitt wurde von Road-Film in Berlin erledigt. Die haben auch den Vorschlag zu der Dokumentation gemacht. Die war erst nicht so ausführlich geplant, aber der Ronald, der das gemacht hat, kommt vom Dokumentarfilm, und so hat sich das dann irgendwie verselbstständigt. Ich finde es auch echt gut, weil es gerade für Leute, die uns noch gar nicht so gut kennen, echt ein super Rundum-Paket ist.

empyrium-13-07Und für den Sound an dem Abend warst du dann auch so richtig zuständig und hast entschieden, wie alles zu klingen hat, oder hat das jemand anderes übernommen?
Den Sound an dem Abend hat natürlich jemand anderes gemacht, aber das bleibt nicht aus, dass ich mich da auch einmische, wenn ich dabei bin. Ich meine, ich bin ja auch so ein Kontrollmensch, ich kann dann nicht anders: Wenn der Gitarrenamp dann nicht klingt, wie ich denke, dass er gut klingt, dann renne ich da rüber und stelle noch was um und so, aber das ist auch immer so ultra anstrengend.

Belastet dich das also bei so einer Show noch zusätzlich?
Ich muss schon sagen, ich muss aufpassen, dass ich bei einer EMPYRIUM-Show meine Nerven im Zaum halte, weil es so viel ist … dieses für alles verantwortlich zu sein, so viele Musiker und das ganze Drumherum und die Crew zu organisieren und die Kommunikation mit der Plattenfirma. Zum Beispiel bei den nächsten Gigs allein die Organisation für den Flug nach Rumänien: wie kriegen wir die Backline da rüber und so weiter. Das ist wirklich so ein riesen Batzen Arbeit und es ist nicht einfach, sich da voll auf die Show zu konzentrieren.

Ihr wart jetzt sehr lange als reine Studioband aktiv. Was war das für ein Gefühl, die Musik endlich auf die Bühne zu bringen? War das schon speziell, war man da aufgeregt?
Der speziellste Moment war für mich, als wir die Songs dann das erste Mal zusammen gespielt haben. Das WGT hat für uns extra so einen Klub zum Proben gemietet, was ich ultracool fand, weil vorher haben wir die Songs ja nie zusammen gespielt: Ich habe nur mit jedem Musiker so Einzelproben gemacht und den Gitarristen eben Tabulaturen geschickt, den Streichern Noten und bin dann jeweils mit denen im Studio die Sachen einzeln durchgegangen. Und dann haben wir uns eben in Leipzig in diesem Klub zum ersten Mal zusammen getroffen … und wenn man dann zum ersten Mal die Songs, die ja so 15 Jahre alt sind, live hört, von der Band gespielt … das war schon echt ein ziemlich spezieller Moment, muss ich sagen.

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Wie kam euch die Idee zu dieser Live-Show?
Also, der Verantwortliche dafür ist der Thomas Görnert, der das WGT organisiert. Die Geschichte ist eigentlich eine seltsame, profane Geschichte: Mit dem Thomas Görnert war ich 2002 oder so beim Essen und wir haben ein paar King Fisher zu viel getrunken. Und weil er ein riesen EMPYRIUM-Fan ist, wollte er unbedingt, dass wir auf dem WGT spielen. Und irgendwann, nach diversen Bieren, sagte ich zu ihm: Ok, ich gebe Dir mein Wort, in den nächsten zehn Jahren werde ich mit EMPYRIUM auf dem WGT spielen. Ich hab natürlich gedacht, das ist vergessen, aber er konnte sich daran erinnern, und das Timing war dann natürlich perfekt, weil wir gerade auch den Song von der „For Whom The Moon The Nightsong Sings“ rausgebracht hatten und gerade eben so dran gedacht hatten, mit EMPYRIUM eine neue Platte zu machen und so weiter. Also das ging auch wieder alles so Hand in Hand, ohne dass wir da irgendwie so genau beeinflussen konnten.

War es bei euch in etwa so wie bei vielen Black-Metal-Bands, die nie live spielen, weil sie Angst haben, dass die Atmosphäre ihrer Musik bei Konzerten nicht so richtig rüberkommt?
Also, in den 90er, als wir mit EMPYRIUM richtig aktiv waren, hätte ich es mir überhaupt nicht vorstellen können, live zu spielen, muss ich ehrlich sagen. Weil das einfach nie auf meiner Agenda stand, wenn ich an EMPYRIUM gedacht habe: EMPYRIUM war für mich die Studionummer, das war Komponieren von Songs … an Livespielen habe ich nie einen Gedanken verschwendet. Und als die Anfrage letztlich dann natürlich kam und konkreter wurde, naja: Wenn das Drumherum nicht stimmt, kann die Atmosphäre verloren gehen, aber wenn alle Musiker in der Sache gut drin sind und die Location passt – wir spielen ja nicht in Klubs, sondern eher so Specialshows in Kirchen und so – und wenn sonst alles stimmt, dann wüsste ich nicht, wie da die Atmosphäre verloren gehen sollte. Die Atmosphäre ist in der Musik und es ist ja eigentlich nur eine Frage, wie man es dann präsentiert.

Wie ist es mit der Songauswahl? Soweit ich das verstanden habe, wollt ihr euer Set noch erweitern, aber gerade bei „Weiland“ stelle ich mir die Umsetzung wegen der vielen klassischen Instrumente schwierig vor. War das letztlich ausschlaggebend für die Songauswahl?
Wir spielen schon auch einige Songs von „Weiland“. Bei den nächsten beiden Shows werden wir noch einen weiteren Song ins Programm nehmen und bei den Berlin-Shows sicher noch einen Song von „Weiland“, weil wir in Berlin einen echten Flügel auf der Bühne haben. Es gibt ja die „Wassergeister“-CD und die basiert ja auf Piano – aus diesem Kapitel werden wir noch einen weiteren Song ins Programm nehmen.

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Haben sich denn schon mal Songs, die ihr eigentlich spielen wollte, schließlich als untauglich für die Live-Umsetzung herausgestellt?
Ne, gar nicht eigentlich, das hat alles funktioniert. Der schwierigste Song, den wir spielen – das meint man vielleicht nicht so – ist „Die Schwäne im Schilf“, weil der Song wahnsinnig tight gespielt sein muss. Das klingt zwar bei so klassischen Gitarren blöd, wenn man sagt `tight´, aber der muss wirklich ultratight gespielt sein, damit er wirkt. Das war eigentlich der Song, den wir am meisten geprobt haben. Die anderen Songs liefen echt alle super-smooth, aber bei „Die Schwäne im Schilf“ muss man einfach mehr investieren, was es im Endeffekt aber auch wieder wert war, weil der Song dann funktioniert hat. Aber am Anfang, bei den ersten zwei, drei Proben, habe ich schon gedacht, ohh, ob der live hinhaut … und es war auch jeder vor dem Song leicht gestresst. Das war echt so der Angstsong im Programm, eigentlich.

Ihr habt aber ja trotzdem manche Songs etwas umarrangiert,  beispielsweise bei „The Franconian Woods In Winter’s Silence“?
Ja, genau. Da fehlt eine Gitarre, aber ich finde das schon gut, dass da eine Stelle ist, wo es ganz simpel ist und Gitarre und der Gesang mal ganz alleine stehen. Dann bricht es danach umso mehr herein. Es wäre ja kein Problem gewesen, wenn ein anderer Gitarrist noch den Part darübergespielt hätte, aber es hat sich eben angeboten, es so zu machen.

Wie habt ihr eigentlich das Live-Line-Up zusammengestellt? Was waren da eure Kriterien bei der Musikerwahl?
Das hat sich eigentlich einfach so ergeben, da ich alle Musiker von Arbeiten im Studio kenne. Da weiß ich auf der einen Seite, dass sie das gut spielen können, auf der anderen Seite weiß ich von allen, dass sie EMPYRIUM mögen. Das war für mich an sich ausschlaggebend. Es hat auch keiner abgesagt – alle waren sofort Feuer und Flamme. Neige von Alcest beispielsweise hat mir immer in den Ohren gelegen, dass ich unbedingt wieder mit EMPYRIUM anfangen müsse. Dementsprechend war er für die Gitarre natürlich mein erster Ansprechpartner und beim Jochen (aka. Eviga, A.d.Red.) von Dornenreich war es eigentlich genauso. Seit wir miteinander in Kontakt sind, so seit 1996 oder 1997, war er ein riesiger EMPYRIUM-Fan. So hat sich das alles ergeben … das sind ja alles alte Weggefährten.

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Und die bleiben dann auch weiterhin für die zukünftigen Shows dabei?
Ja, genau, für die kommenden Shows sind die alle wieder dabei.

Wie geht sich das denn finanziell aus? Bleibt überhaupt etwas übrig, wenn die Musiker aus allen Ecken Europas anreisen müssen?
Ja, schon. Man muss ja sehen, was ich für eine Riesenarbeit mit den Shows habe und wenn da nichts übrig bliebe, dann müsste ich das schon überdenken. Ich meine, ich investiere Monate dafür, für die Shows … das alles vorzubereiten, die Songs zu transkribieren und so weiter. Es bleibt was übrig, klar. Aber vor allem deshalb, weil wir mit EMPYRIUM recht viel rausholen können, weil wir das alles sehr exklusiv machen. Deshalb sind natürlich auch die Eintrittspreise ein bisschen höher. Aber wenn ich das Geld nicht bekommen würde, könnte ich mit diesem Line-Up auch nicht auftreten.

empyrium-13-05Habt ihr schon mal drüber nachgedacht, dass Ganze live auch optisch noch etwas spezieller und exklusiver zu gestalten?
Nein, es soll wirklich nur die Musik für sich sprechen. Deshalb spielen wir auch im Sitzen und ohne irgendwelche Showelemente. Das Drumherum soll stimmen, der Ort, an dem wir auftreten, muss schön sein … aber auf der Bühne wird es keinen Schnick-Schnack geben.

Und der Plan ist es dann auch, hinsichtlich der Shows so exklusiv zu bleiben? Ihr geht also nicht als nächstes dann mit Dornenreich und den Prophecy-Records-Konsorten auf große Europatour?
Nein, ganz sicher nicht. Es wird maximal, und das ist schon viel, zwei Konzerte im Jahr geben.

Wenn du jetzt auf die Bandkarriere zurückblickst und merkst, dass die Songs live doch sehr gut funktionieren und ankommen – bereust du es dann, dass Ihr diesen Schritt erst so spät gegangen seid?
Für mich war das genau der richtige Zeitpunkt. Ich habe mich mit EMPYRIUM zwischen 2002 und etwa 2008 gedanklich überhaupt nicht beschäftigt und habe diesbezüglich bis auf „A Retrospective“ wenig bis gar nichts gemacht. Und wie ich vorhin schon erwähnt hatte, stand live zu spielen für mich in den 90ern überhaupt nicht zur Debatte. Es kann natürlich sein, dass wir mit der Band richtig groß geworden wären, wenn wir in den 90ern schon live gespielt hätten, aber so ist das Leben eben.

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Nächstes Jahr soll ein neues Album erscheinen. Was kannst du dazu schon verraten?
Das Album wird einen etwas anderen Stil haben als die Alben zuvor. Auf der anderen Seite wird es aber alle Elemente beinhalten, die bei EMPYRIUM wichtig sind: Sehr viele große Melodien, von den Arrangements recht keyboardlastig, zum Teil sogar ein paar elektronische Elemente, aber in keinster Weise experimentell. Wenn ich es mit irgendeiner Band vergleichen sollte, dann kämen mir da meine ganz großen Vorbilder Dead Can Dance in den Sinn, so ganz grob vom Stil her: Sehr ausgedehnte Themen, die sich langsam im Song aufbauen und zu einer Klimax anschwellen.

Wenn ich bei Lieblingsbands gerade mal anschließen kann: Was hältst du von der Entwicklung einer Band wie Ulver?
Ich liebe die Band nach wie vor, die neue Platte ist einfach Wahnsinn, richtig super. Klar, sie haben auch Platten gemacht, die mir nicht so gefallen haben, die „Blood Inside“ war nicht so meine Sache, aber die „Shadows Of The Sun“ ist zum Beispiel eine meiner absoluten Lieblingsplatten. Ich bin jetzt zwar nicht so der Ulver-Fanboy, aber in den 90ern hatte ich schon eine gewisse Obzession, die „Kveldsanger“ hat mich total vom Stuhl gehauen und so ist es immer noch eine Band, die ich nach wie vor wahnsinnig schätze.

Würde es dich denn auch reizen, musikalisch einfach mal völlig aus dem auszubrechen, was du sonst so machst? Noekk ist ja schon eine Weile her, bei The Vision Bleak weiß man auch immer, woran man ist. Oder deckst du dieses Verlangen vielleicht auch durch deine ganzen Produktionen ab, so dass du selbst keinen Bedarf an sonstigen Stilistiken hast?
Ja, das trifft es schon ein bisschen. Andererseits hatte ich aber auch immer Sun Of The Sleepless als Spielwiese. Wenn ich was Neues ausprobieren wollte, habe ich einen neuen Song für diese Band gemacht. Ich muss aber auch ehrlich sagen: Mit EMPYRIUM und The Vision Bleak fehlt mir auch etwas die Zeit für ein weiteres Projekt. Im normalen Alltag hocke ich jeden Tag neun Stunden im Studio, komme dann abends heim, da wartet noch die Familie … an neuer Musik kann ich also nur arbeiten, wenn ich im Studio frei habe. Und dann arbeite ich eben an Songs für The Vision Bleak oder EMPYRIUM. Ich muss aber auch sagen, im Moment fehlt mir nichts, dass ich etwa denke, ich bräuchte ein neues kreatives Vehikel.
Da eher schon was ohne viel kreative Herausforderung: Manchmal würde ich gern auch einfach nur Musiker in einer Band sein, Schlagzeuger oder so.

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Eine kleine Frage noch zum Schluss: Im Booklet von „A Wintersunset“ stand ja dieser Satz „Save The Planet, Kill Yourself“…
Da muss ich Dich korrigieren, das stand in der „Where At Night…“. In „A Wintersunset“ stand nur „Save The Planet“, deshalb war das ja so cool, dass ich dann das „Kill Yourself“ so dranhängen konnte …

Haha, ok. Dann lass mich aber trotzdem die Frage stellen: Inwieweit steht man da all die Jahre später noch hinter oder zu einer solchen Aussage? Ist das ein Teil Eurer Bandgeschichte, über den ihr heute schmunzelt, oder habt ihr da damals schon drüber geschmunzelt, oder wie ist das?
Ach, das war damals schon nicht ganz ironiefrei, sage ich mal. Ich habe den Satz damals in der Platte haben wollen weil, naja, sagen wir es mal so, damit die Leute EMPYRIUM nicht zu ernst nehmen und da Sachen da rein interpretieren, die nicht da sind. Deshalb wollte ich einfach auch mal so eine kleine, ironische Anekdote bei EMPYRIUM reinbringen. Andererseits, wenn ich heute den Fernseher einschalte, kommt mir dieser Satz dann doch manchmal wieder in den Sinn. (lacht)

Ok, das ist doch mal ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview und alles Gute für eure Show mit The Vision Bleak!
Danke euch und viel Spaß nachher!

 

Den ersten Teil des Gesprächs, in dem es um The Vision Bleak und das aktuelle Album „Witching Hour“ ging, findet ihr hier:

>> Zum The-Vision-Bleak-Interview …

 

Publiziert am von Jan Müller, und Marius Mutz

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