Konzertbericht: Empyrium w/ Helrunar, Sun Of The Sleepless

02.10.2018 München, Backstage (Halle)

Endlich wird wahr, was viele Fans nicht zu träumen gewagt hätten: Die deutschen Kult-Folker EMPYRIUM gehen mit Oldschool-Setlist auf ihre erste richtige Tour. Mit dabei sind HELRUNAR, seit sechs Jahren erstmalig wieder in deutschen Clubs zu sehen, sowie SUN OF THE SLEEPLESS, das Black-Metal-Projekt von EMPYRIUMs Ulf Theodor Schwadorf, bei dem live zudem Alsvartr (Helrunar) und Eviga (Dornenreich) mitwirken. Mit anderen Worten: Für Freunde deutschen Black Metals aus dem Prophecy-Productions-Dunstkreis führt an diesem Package kein Weg vorbei.

War an Ostern (zugegebenermaßen im Rahmen des Dark Easter Metal Meeting) die Backstage Halle bei SUN OF THE SLEEPLESS noch gesteckt voll, müssen sich Schwadorf und Konsorten heute mit vielleicht hundert Fans begnügen – daran ändert auch nichts, dass der Showbeginn bis 19:45 Uhr herausgezögert wird. Warum sich Empyrium-Fans den „kleinen, bösen Bruder“ entgehen lassen, ist unterdessen unverständlich: Zwar können SUN OF THE SLEEPLESS nicht mit Epik und Vielseitigkeit punkten – der klassische Black Metal des Quartetts weiß durch den Mix aus schönen Melodien und absoluter Hingabe, wie sie allen voran Eviga an der Gitarre ins Gesicht geschrieben steht, zu überzeugen. So vergeht die Dreiviertelstunde Spielzeit wie im Flug – doch selbst, wenn das mittlerweile auf gut das Doppelte angewachsene Publikum es gefordert hätte: Viel mehr Songs als die gespielten hätten SUN OF THE SLEEPLESS mit ihrem bislang einen Album („To The Elements“, 2017) sowieso nicht in der Hinterhand gehabt.

Um 20:45 Uhr übernehmen dann HELRUNAR das Zepter: Angeführt von einem sichtlich gut gelaunten Skald Draugir, der mit einer guten Mischung aus Ernst und Humor durch das Set führt, präsentieren sich HELRUNAR heute absolut stark: Abgesehen von der generellen Geschmacksfrage, ob das Material von HELRUNAR insgesamt nicht etwas zu wenig Abwechslung bietet, um über eine Stunde lang mitreißen zu können, lässt der heutige Auftritt wenig Raum für Kritik: Ein differenziertes Klangbild, eine spielerisch saubere Darbietung und ein geschickt aus vier Songs vom neuen Album „Vanitas Vanitatvm“ und den Hits aller alten Alben zusammengestellte Setlist begeistern nicht nur eingefleischte Fans. Aller alten Alben? Bis die Band um 21:55 Uhr die Bühne verlässt, ist noch kein „Frostnacht“-Song erklungen. Dass das natürlich auch nicht der Plan ist, offenbaren die auf der Bühne ausgelegte Setlists – allein, das Konzept der geplanten Zugabe geht heute fast schief: Eine Sekunde zu lange hinter der Bühne gezögert, verebbt der Applaus auch schon und macht es für HELRUNAR unmöglich, nochmal zurückzukommen. Nur einigen forschen Fans hat das Münchner Publikum heute zu verdanken, dass es doch noch in den Genuss von „Älter als das … wie hieß der Song nochmal?“ kommt, wie Skald Draugir den wohl größten Hit der Münsteraner und damit den krönenden Abschluss der 75-minütigen Show ankündigt.

Nach zwei Stunden schroffem Black Metal tut etwas Abwechslung dann wirklich Not – und wer könnte dafür besser sorgen als die Folk-Veteranen EMPYRIUM? Zumindest im heutigen Setting wohl niemand: Mit Fokus auf ihrem Meisterwerk „Songs of Moors And Misty Fields“, das komplett, wenn auch nicht in Albumreihenfolge dargeboten wird, kann zugegebenermaßen kaum etwas schief gehen. Was EMPYRIUM daraus machen, ist dennoch beeindruckend: Gefühlvoll bis ins letze Detail, hauchen Ulf Theodor Schwadorf und Konsorten dem Material auf der Bühne noch das Fünkchen Leben ein, das den Songs in ihren bisweilen etwas hölzern wirkenden Albumversionen fehlt. So werden nicht nur Perlen wie „The Ensemble Of Silence“ nochmal aufgewertet, sondern auch die Stücke vom (in Sachen Produktion aus heutiger Sicht doch eher mäßigen) Debüt „A Wintersunset …“. Ja, sogar „My Nocturnal Queen“ vom ersten Demo „… der wie ein Blitz vom Himmel fiel …“ darf so noch einmal zeigen, was in ihm steckt.

Dass die Instrumentalbesetzung ohne Cello und Neige (Alcest) an der dritten Gitarre verglichen mit vergangenen Shows merklich reduziert ist, fällt dabei kaum ins Gewicht. Kaum kleinzureden ist jedoch das Fehlen des zweiten Kopfes hinter EMPYRIUM: Thomas Helm. So sehr sich Schwadorf und sein The-Vision-Bleak-Kollege Allen B. Konstanz, der mit einem zweiten Mikrophon am Schlagzeug sitzt, auch um Kompensation bemüht sind: Ganz ist ein ausgebildete Sänger vom Format eines Helm einfach nicht zu ersetzen. Ein Wermutstropfen, ja, aber keiner, über den sich langes Wehklagen lohnen würde: Von der ersten bis zur letzten Minute, die EMPYRIUM auf der Bühne stehen, ist die Atmosphäre  in der schlussendlich gut gefüllten Halle auch so bezaubernd, dass selbst ein volltrunkener Störenfried mit seinen Zwischenrufen der dümmsten Art hier keinen bleibenden Schaden anzurichten vermag.

Dass Markus Stock als Produzent die deutsche Black-Metal-Szene geprägt hat wie kaum ein anderer, steht außer Frage. Sein eigenes musikalisches Werk wirkt dagegen bisweilen fast unterschätzt. Das zeigt sich auch heute: Dass EMPYRIUM mit 24 Jahren Bandgeschichte und fünf durchweg bemerkenswerten Alben auf ihrer ersten Halletour überhaupt (!) – noch dazu mit zwei derart hochwertigen Vorbands – nur ein paar hundert Leute anlocken, gerade genug, um die Backstage Halle angenehm zu füllen, ist so bezeichnend wie beschämend. Wer jedoch heute seinen Weg ins Backstage gefunden hat, wird dafür mit zwei starken Auftritten und einer Gänsehautshow belohnt.

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