Review Empyrium – Über den Sternen

(Black Metal / Doom Metal / Folk) Wenn eine Band nach einer längeren Ruhepause ein selbstbetiteltes Album veröffentlicht, steht hinter der Namenswahl zumeist eine klare Botschaft: „Es gibt uns noch und wir sind immer noch wir selbst.“ Dass die nach den höchsten Himmelssphären in der mittelalterlichen Kosmologie benannten EMPYRIUM ihr lang ersehntes sechstes Album auf den Namen „Über den Sternen“ getauft haben, kann man wohl auch in diese Richtung deuten. In diesem Sinne hätte die deutsche Kultband für ihr neuestes Werk keinen treffenderen Titel wählen können. Nach dem recht experimentellen „The Turn Of The Tides“ (2014) kehren EMPYRIUM stilistisch nämlich nicht bloß zu einer ihrer früheren Schaffensphasen zurück, sondern zu allen auf einmal. Das beeindruckende Ergebnis ist Querschnitt, Quintessenz und ein Quäntchen Selbstneuerfindung zugleich.

Schon im eröffnenden „The Three Flames Sapphire“ schlagen EMPYRIUM auf mitreißende Weise die Brücke zwischen dem melancholischen Doom Metal ihrer ersten beiden Alben und dem naturromantischen, märchenhaften Wesen der zwei Nachfolgeplatten. Während die schwungvollen Akustikgitarren und Drums einen grazilen Reigen tanzen, lassen Streicher, Flöte, Gesang und Leadgitarre tiefste Wehmut erspüren – und ehe man sich’s versieht, fühlt man sich im Geiste bereits in die wundersamen Wälder versetzt, die einst schon „A Wintersunset…“ (1996) beheimateten.

Durch diese führen EMPYRIUM auf so manch vertrautem Pfad: Das mysteriöse Akustik-Instrumental „Moonrise“ weckt Erinnerungen an „Waldpoesie“, das düstere Kernstück des „Weiland“-Albums (2002), wohingegen „The Oaken Throne“ mit seinen schwermütig-verträumten Clean-Gitarren im trüben Post-Rock von „The Turn Of The Tides“ schwelgt. Mit letzterem teilt „Über den Sternen“ außerdem seine imposante, vielschichtige Produktion, die den stimmungsvollen Kompositionen eine formvollendete, beinahe ätherische Gestalt verleiht. Doch nicht nur ihre eigene Vergangenheit ist EMPYRIUM im Zuge der Platte anzuhören – auch Markus Stocks und Thomas Helms andere kreative Outlets meint man hier und da hervorlugen zu sehen. So haftet dem bedrückenden „The Wild Swans“ ein Hauch der Verschrobenheit Noekks an und die Gitarrenriffs im schwarzmetallenen „A Lucid Tower Beckons On The Hills Afar“ strahlen eine Macht aus, die man von Stock so bisher bloß bei Sun Of The Sleepless vernommen hat.

Gesanglich zeigen Stock und Helm sich überdies in Höchstform: Während ersterer wieder vermehrt seine kraftvollen Screams erschallen lässt, erhebt letzterer insbesondere den majestätischen, zehnminütigen Titeltrack mit seinem himmlischen, oft als Chor arrangierten Gesang praktisch im Alleingang in paradiesische Höhen. Über das neuerdings prominent vertretene Hackbrett verleihen EMPYRIUM den Stücken zudem eine einnehmende, mystische Atmosphäre, die „Über den Sternen“ trotz seiner vielen Reminiszenzen zu einem ganz für sich stehenden Kunstwerk macht.

Schlussendlich kann man wohl ohne Übertreibung behaupten, dass EMPYRIUM ihre Hörerschaft kaum mit etwas Schönerem für ihre sieben Jahre währende Geduld belohnen hätten können, als sie es mit „Über den Sternen“ tun. Nicht nur ist es der Band gelungen, den Zauber all ihrer früheren Veröffentlichungen auf ein einziges, gut 50 Minuten langes Album zu bannen – Stock, Helm und ihre Mitmusikerinnen haben es vollbracht, daraus ein kohärentes, über seine bloßen Bestandteile hinausgewachsenes Werk zu formen. „Über den Sternen“ mag nicht ganz so gewagt und unkonventionell wie „The Turn Of The Tides“ sein. Mit seinen mal schmachtenden, mal drängenden, naturverbundenen, geheimnisvollen und stets berührenden Stücken fängt es jedoch den Kern all dessen ein, was EMPYRIUM ausmacht.

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Wertung: 9 / 10

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3 Kommentare zu “Empyrium – Über den Sternen

  1. Ich bin echt überrascht und positiv beeindruckt, so ein Album hätte ich Empyrium nicht mehr zugetraut. Zwar war das über all die Jahre schon auch irgendwie dolle Kunst, aber für mich hat es sich oft auch etwas in Belanglosigkeiten verloren. Spannend finde ich vor allem, dass gerade die Songs bzw Passagen, die am meisten zu den Wurzeln zurückreichen, am besten geworden sind. Episch, majestätisch und aggressiv im schönen Soundgewand (damit füllen sie die Lücke, die Aethernaeum leider, leider hinterlassen haben), das haben sie echt gut hinbekommen. So würde auch A Wintersunset noch wesentlich geiler klingen, aber natürlich lebt das Debüt ja auch von dieser Aura des absolut Unperfekten.

    Einzig der Operngesang bekommt mir zu viel Raum, teilweise kommt es mir so vor, als würde ich Songs von dieser Gregorian-Cover-Serie hören, schlecht natürlich nicht, aber da wäre in meinen Ohren weniger mehr gewesen. Nach bisher drei Durchläufen gehe ich bei 9/10 durchaus mit, vielen Dank für die schöne Review :)

    1. Hi!
      Schön, dass dir das Album auch so gefällt und Empyrium dich damit sozusagen zurückgewonnen haben. :)
      Das heißt, die Band hat dich nach dem zweiten Album nicht mehr so begeistert? Ich muss ja gestehen, dass ich mittlerweile jedes ihrer Alben schätze, tendenziell aber ihre Akustik-Alben und sogar TTOTT bevorzuge. Ich habe mich dennoch bemüht, unvoreingenommen an das neue Album heranzugehen, was mir üblicherweise, denke ich, ganz gut gelingt (das neue Autumnblaze-Album fand ich zB recht enttäuschend, obwohl ich sonst fast alles von ihnen mag). Insofern war ich sehr froh und sogar ein bisschen überrascht, dass „Über den Sternen“ so rundum fantastisch geworden ist. :)
      Helms klassischen Gesang find ich hier eigentlich sogar umso passender, weil er für mich dieses himmlische Element unterstreicht, das die Platte von den eher bodenständischen älteren Werken abhebt.
      Um Aethernaeum finde ich es jedenfalls auch sehr schade – ihre beiden Alben haben mir ebenfalls sehr gefallen.

      1. Jein, ich finde auch die Mittelphase nicht unbedingt schlecht, aber eben nicht so mitreißend und im Vergleich zu anderen Akustikbands wie Tenhi beispielsweise auch nicht so gut. Aber schlecht sind die Alben überhaupt nicht, nur finde ich sie aufgrund des eindimensionalen Konzepts recht bald langweilig. Die akustisch-orientierten Liedern auf dieser Platte sind wahrscheinlich für sich genommen gar nicht so viel besser als vielleicht auf „Weiland“, aber durch die Abwechslung mit den harten Songs passt das in der Gesamtheit sehr viel besser, als wenn ganze Alben nur in diesem Stil gehalten sind.
        Klar ist auch der klassische Gesang gut und passt oft, er kommt für mich nur zu oft vor, das hätte MIR besser gefallen, wenn sie es so wie beim Anteil der akustischen Songs reduziert hätten. Aber das ist natürlich höchstniveauvolles Jammern, wie gesagt, 9/10 ist auch meine Stimmungslage.

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