Klimawandel und Krieg, Rassismus, Hass und Ausbeutung: Tagtäglich werden wir mit negativen Nachrichten aus aller Welt bombardiert. Doch so wichtig es ist, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen, so wichtig ist es auch, das Positive im Blick zu behalten. Neben dem oft bitter nötigen „Eskapismus durch Musikgenuss“ bietet die Metal-Szene hierfür (bei allen nicht zu leugnenden Problemen) jede Menge tolle Projekte. In unserer Interview-Serie „HEAVY … aber herzlich!“ stellen wir euch sozial, ökologisch oder politisch engagierte Vereine, Veranstaltungen und Personen vor, die uns Mut und die Welt zu einem besseren Ort machen.
In Teil 5 dieses Specials stellen wir euch KEIN BOCK AUF NAZIS vor. Vor gut 20 Jahren von der Punk-Band ZSK ins Leben gerufen, handelt es sich dabei mittlerweile um die größte unabhängige Jugendinitiative gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Mit KEIN-BOCK-AUF-NAZIS-Mitbegründer und ZSK-Frontmann Joshi sprachen wir über seine Motivation und was ihm in diesen Zeiten Mut macht.
Mehr Informationen zu KEIN BOCK AUF NAZIS findet ihr auf der www.keinbockaufnazis.de, sowie auf Facebook und Instagram.
Hi Joshi, es freut mich, dass wir mal wieder ein Interview führen – heute mit dem Fokus auf Politik, einem Thema, das an Bedeutung in den letzten Wochen nochmal enorm zugenommen hat. Welche Konsequenzen hast du für dich aus dem Ergebnis der Bundestagswahl, aber auch den weltpolitischen Ereignissen der letzten Tage gezogen?
Ich könnte hier jetzt ganz schlau, endlos lang philosophisch antworten oder aber einfach sagen, wie es ist: Die Konsequenz ist zu wissen, dass die Welt im Arsch ist und es sehr viele, sehr böse Menschen da draußen gibt.
Ihr habt als ZSK 2006 die Initiative KEIN BOCK AUF NAZIS mitgegründet. Wie lief das damals ab? Gab es einen bestimmten Auslöser oder ein Ereignis, das euch dazu motiviert hat?Die Ausgangslage damals war eine komplett andere politische Situation als jetzt. Es gab außerhalb der Punkszene und der radikalen Linken kaum Interesse am Thema Rechtsextremismus. Vor allem in den Medien ein absolutes Nischenthema. Wir fanden das brandgefährlich, insbesondere in Anbetracht von fast 200 Todesopfern rechter Gewalt seit 1990. Also haben wir überlegt, wie wir dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschaffen können und gleichzeitig junge Menschen motiviert bekommen, sich gegen Nazis und Rassismus einzusetzen.

Erzähl doch mal, was KEIN BOCK AUF NAZIS ganz grundlegend ist und worum es bei dem Projekt konkret geht …
Wir wollen informieren, vernetzen und aktivieren. Es geht darum, dass möglichst viele Menschen klare Kante zeigen.
Auf eurer Homepage steht als eines der ersten Ziele: „Wir wollen Mut machen und Jugendliche aktivieren.“ Wie kann man bei den aktuellen Wahlergebnissen speziell jungen Menschen im Osten Deutschlands Mut machen? Wenn die politische Entwicklung in Deutschland aktuell einer Einbahnstraße gleicht, fahren die Rechten dort ja auf der Überholspur …
Wir wissen, wie schwer das gerade für alle ist. Aber deshalb ist es umso wichtiger, zu zeigen: Ihr seid nicht allein. Es gibt ganz, ganz viele Menschen in diesem Land, die weiter die Menschenrechte verteidigen und in ihrer Haltung stabil bleiben. Ein kleines Paket mit kostenlosem Infomaterial oder die Bilder von der riesigen Demo in Riesa gegen den AfD-Parteitag – all das macht Mut in diesen harten Zeiten.

Um allen Verschwörungmythen direkt das Wasser abzugraben: KEIN BOCK AUF NAZIS ist ausschließlich durch Spendengelder finanziert – ihr erhaltet also keine staatlichen Fördergelder für eure Arbeit. Warum ist das so, und welche Vor-, aber vielleicht auch Nachteile hat das für eure Arbeit?
Unsere Unabhängigkeit ist uns sehr wichtig. Deshalb stand es für uns noch nie zur Debatte, ob wir staatliche Fördergelder beantragen sollten. Der Vorteil ist ganz klar: Wir können machen und sagen, was wir wollen. Wir sehen das seit Jahren bei so vielen staatlich geförderten Projekten, wie das Innenministerium immer größeren Druck macht, dass man nichts mehr gegen die AfD sagen darf. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Die AfD setzt alles daran, ihre Kritiker*innen mundtot zu machen.
KEIN BOCK AUF NAZIS gibt es jetzt seit knapp 20 Jahren – und es ist eine absolute Erfolgsgeschichte. Ihr habt dafür Preise bekommen, aber auch einfach eine enorme Reichweite und seid (nach eigener Aussage) mittlerweile „Deutschlands größte unabhängige Jugend-Initiative gegen Rechtsextremismus und Rassismus“. Hättest du dir das je träumen lassen … dass das Projekt mal so groß wird?
Niemals! Ich sitze manchmal in unserem großen Berliner Büro und kann es selbst kaum fassen, was das für ein Riesending geworden ist. Freut mich alles maximal. Wir können richtig etwas bewegen, tolle Projekte anschieben und lokale Strukturen unterstützen.
Das Traurige ist ja, dass es auch wichtiger denn je ist. Anfang der 2000er wurde der Antifaschismus von Punks und Linken noch oft belächelt, als wäre es kaum mehr als Lifestyle. Heute steckt unsere ganze Gesellschaft mitten in der Debatte, wie man sich gegen Rassismus wehren kann. Hättest du dir je träumen lassen, dass eure Initiative mal so wichtig wird?
Also für uns gehörte der Kampf gegen Nazis immer ganz klar zu Punkrock dazu. Das war in unserer alten Heimat Göttingen Konsens. Und ich würde mir wünschen, dass die Kampagne gar nicht mehr nötig wäre, weil das Nazi-Problem beendet ist. Aber davon sind wir ja leider Lichtjahre entfernt …

Auf ganz persönlicher Ebene: Wie deprimierend findest du es, schon damals recht gehabt zu haben mit der Einschätzung, dass es mehr Engagement braucht?
Deprimiert bin ich eigentlich nie – wenn dann wütend. Und das ist ja oft auch sinnvoll, um Veränderungen anzustoßen.
Ärgerst du dich manchmal, dass antifaschistisches Engagement so lange nicht ernst genommen wurde – und mitunter heute noch als „Extremismus“ verunglimpft wird?
Ja, absolut. Es ist eine richtig schäbige Strategie rechter Kreise, alle Menschen, die sich gegen Nazis engagierten als „Linksextremisten“ zu brandmarken. Es spielt der rechten Szene in die Hände, wenn Medien und konservative Politiker*innen dieses Spiel mitspielen. Um es ganz klar zu sagen: Gegen Nazis zu sein ist doch die Pflicht jedes Menschen, der die Demokratie behalten möchte.

Gibt es besondere Erfolge, die dich besonders stolz gemacht haben?
Klar, ziemlich viele. Wir haben so viele spannende Aktionen gemacht. Riesige Wandbilder, eine Drohnenshow, die riesige Kundgebung in Riesa oder unser Flugzeug mit dem „Scheiss AfD“-Banner. Aber was mich wirklich am meisten freut, sind Mails von Leuten, die sich bei uns bedanken, weil ihnen unsere Arbeit Mut macht und zeigt, dass sie nicht allein sind. Das gibt mir viel mehr als ein großer Zeitungsartikel oder TV-Beitrag über uns.
Wie viele Mitarbeitende und Mitglieder hat euer Verein heute – und was muss man mitbringen, um sich bei euch engagieren zu können?
Wir haben sieben Festangestellte und ein Netzwerk von rund 40 Ehrenamtlichen. Wir haben neun Street-Teams quer übers Land verteilt. Da kann man sich anschließen. Mitbringen muss man nur genug Zeit und Durchhaltevermögen. Vier Tage Standbetreuung bei Rock am Ring ist anstrengender als man denkt.
Was braucht ihr am dringendsten – freiwillige Helfer, Sachspenden, Geld oder mehr Aufmerksamkeit?
Am wichtigsten für uns ist es, dass Menschen selbst etwas in ihrem Ort, an ihrer Schule oder in ihrem Klub starten. Das ist ja das Ziel von KEIN BOCK AUF NAZIS. Wir geben da nur Starthilfe, der Rest muss sich vor Ort entwickeln. Also mehr Menschen, die stabil bleiben gegen den ganzen rechten Mist – das ist letztendlich die Antwort auf deine Frage.

Es gibt neben ZSK noch jede Menge bekannter Persönlichkeiten aus der Punk-Szene, die KEIN BOCK AUF NAZIS unterstützen – von den Donots über Die Ärzte bis zu den Toten Hosen. Habt ihr in dieser Hinsicht schon „alles erreicht“, oder geht da noch mehr? Sucht ihr noch aktiv nach Supportern – ob nun Bands oder Events?
Wir freuen uns immer, wenn Bands klare Kante gegen Nazis und AfD auf der Bühne zeigen. Wir würden uns wünschen, dass das auch außerhalb der Gitarrenmusik mehr passiert. Ski Aggu, KIZ und Finch Asozial machen das. Aber ansonsten gibt es da noch viel zu wenig von den ganz großen.
Wer sich gegen Rassismus einsetzt, muss leider auch mit Gegenwind rechnen – wie geht ihr, ganz persönlich, aber auch als Initiative, mit „Kritik“ an eurem Engagement, oder eben sogar Anfeindungen um?
Ach, eine Morddrohung mehr oder weniger. Das interessiert uns ehrlich gesagt überhaupt nicht. Wir haben gar keine Zeit und Lust, uns mit dem Hass zu beschäftigen, der uns da jeden Tag entgegenschlägt. Wir haben viel wichtigere Sachen zu tun.
Hetze gegen linkes Engagement ist jetzt ja sogar im Kanzleramt angekommen, sei es die Lügengeschichte von Friedrich Merz, „die Antifa“ wäre beim Mord an Walter Lübcke nicht solidarisch gegen Rechts auf die Straße gegangen, oder die Bemühung der Union, linken Organisationen wie den „Omas gegen Rechts“ die Förderung zu streichen. Kann man sich auf den Staat im Kampf gegen Rechts noch verlassen?
Konnte man leider noch nie. Allein die ganze NSU-Geschichte hat das ganz klar gezeigt. Engagement gegen rechte Strukturen muss man selbst machen. Das wird uns niemand abnehmen.
Was können andere, kleinere Initiativen von euch lernen – worauf kommt es bei erfolgreicher politischer Arbeit gegen Rassismus an?
Es ist auf jeden Fall wichtig, niedrigschwellige Angebote zu machen. Dazu gehört auch, eine Sprache und Optik zu nutzen, die möglichst alle verstehen. Wenn man so studentisch und verkrampft herüberkommt, schließt man super viele Menschen aus und schränkt sich selbst ein. Engagement muss auch Spaß machen dürfen.
Fotos, sofern nicht anders angegeben: © KBAN (Nutzung mit freundlicher Genehmigung)
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