Interview mit Mirai Kawashima von Sigh

Die Japaner SIGH sind immer für Überraschungen gut, und auch „Hangman’s Hymn“ bietet wieder viel zu entdecken. Frontmann Mirai Kawashima sprach mit uns über das Album und erzählt, warum er fast alle Menschen hasst.

English original…

Hi Mirai! „Hangman’s Hymn“ wurde nun kürzlich veröffentlicht, wie sind die ersten Reaktionen darauf ausgefallen und bist du zufrieden damit?
Die Reaktionen waren wirklich gut. Bei jedem unserer Alben spalten sich die Meinungen, es ist immer ein Lieben-oder-hassen. Ich meine, die einen mögen es, während die anderen unsere alten Alben viel besser finden. Dieses mal aber waren die meisten Reaktionen positiv, was mich wirklich überrascht hat. Deswegen sind wir natürlich sehr zufrieden damit.

Jedes Sigh-Album unterscheidet sich von den anderen. War es von Anfang an euere Philosophie, zu tun was ihr wollt und nicht versuchen wollt, in ein Genre zu passen oder war das eine natürliche Entwicklung?
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass es immer sehr spontan ist. Wir ändern unseren Stil nie absichtlich und wir versuchen nie, fortschrittlich oder verrückt zu klingen. Es sind alles Ergebnisse, keine Absichten. Wenn uns eine Idee kommt, die der „Hangman’s Hymn“ ähnlich ist und sie noch toppen kann, könnte das nächste Album auch „Hangman’s Hymn 2“ werden. Unsere Alben mögen untereinander auch verschieden klingen, aber ich denke das ist ein oberflächlicher Unterschied und sie haben alle etwas gemeinsam. Wir haben immer das Konzept, Schönheit und Hässlichkeit zu vermischen, sozusagen schöne Hässlichkeit oder hässliche Schönheit. Unsere Musikkenntnis hat sich von Anfang an verbessert und die digitalen Technologien haben sich drastisch weiterentwickelt, wir werden also definitiv weiterhin die neuen Technologien auf jedem Album verwenden, aber das was dahinter steckt hat sich nicht verändert.

Erzähle doch bitte etwas über die Texte und das Konzept des Albums.
Ich würde nicht sagen, dass „Hangman’s Hymn“ ein Konzeptalbum ist, weil es keine wirklich durchgehende Geschichte oder sowas hat. Es gibt aber trotzdem musikalische und lyrische Verbindungen zwischen den einzelnen Liedern und die Nachricht, die wir damit vermitteln wollen, ist ziemlich simpel. Ich hasse schwache Menschen, die an Märchengeschichten wie denen der Religionen festhalten müssen. Ich hasse gierige und geizige Menschen, die nichts anderes im Kopf haben, als Geld zu machen. Ich hasse 99% aller Menschen auf dieser Erde und ich will einfach nur, dass sie alle sterben.
Es gibt vier Hauptbilder: Himmel, Hölle, Erde und das Grab. Sie sind im inneren Teil des Artworks dargestellt. Wie du siehst ist das Album in drei Akte aufgeteilt und der erste Akt geht über die Erde, also Gier. Akt 3 dreht sich um die Hölle; die brennende Welt. Der Himmel ist am Ende des Album als „In Paradisum“ beschrieben, wird aber sehr schnell durch einen dunklen Akkord unterbrochen. Das Grabbild ist zwischendrin eingebaut als Teil einer Begräbnismesse gesungen in Latein. Es wird alles sehr vage beschrieben und drückt meinen Hass auf die Gesellschaft aus.
Eines der großen Ereignisse, das das Konzept beeinflusst hat, war ein großes Feuer in meiner Nachbarschaft. Das Haus neben meinem brannte im letzten Jahr bis auf die Grundmauern nieder. Ich habe wirklich gedacht, meins würde abbrennen, als ich das Feuer ganz nah durch das Fenster gesehen habe. Glücklicherweise passierte meinem Haus nicht viel, die Wände brannten ein wenig an und die Fenster gingen kaputt. Am nächsten Tag habe ich den „Confutatis“-Part mit dem Geruch des niedergebrannten Hauses in der Nase und der Aufregung wegen des Feuers geschrieben und aufgenommen!

Wie kommt es, dass du mit „Musikalische Exequiem“ einen deutschen Untertitel für das Album gewählt hast?
Das ist der Titel einer Komposition von Heinrich Schutz aus dem 17. Jahrhundert. Ich mag den Titel wirklich gerne und da das Begräbnis eines der großen Elemente in „Hangman’s Hymn“ ist, habe ich es als Untertitel verwendet.

Viele sehen euch wohl als Black Metal Band, was entgegnest du ihnen?
Es ist in Ordnung, da ich denke, dass es an den Fans liegt zu entscheiden. Es ist sowieso nicht möglich, Musik mit Worten zu beschreiben. Kategorisierungen sind Bullshit, andererseits aber macht es mich wahnsinnig, wenn ich in einen CD-Laden gehe und dort alle CDs von Punk über Metal bis 60er Jahre Rockmusik unter „Rock“ eingeordnet sind!
Meiner Meinung nach entstand der Black Metal der 90er als Gegenbewegung zum trendigen Death Metal, der damals die Szene beherrscht hat, nämlich als eine Wiederauferstehung des 80er Thrash Metal. Aus dieser Sichtweise haben wir viel mit den sogenannten Black Metal Bands gemeinsam, auch wenn wir niemals satanische Symbolik.

„Hangman’s Hymn“ ist stark von deutscher Klassik beeinflusst. Welche Komponisten hörst du selbst gerne und wie kam es, dass du dir deutsche Klassik anhörst?
Ich liebe verrückte Komponisten wie Schubert, Schumann, Liszt, Bruckner, Mahler, Wagner und so weiter. Schubert war ein extrem unglücklicher Mann und die meisten seiner Werke, vor allem die letzte Klaviersonate, ist unglaublich düster und traurig. Schumann wurde irre und man kann seinen Wahnsinn in seinen Werken hören. Die Klavierstücke von Liszt sind ebenfalls verrückt, im seinen späten Tagen hatte er schlimme manische Depressionen, und das merkt man seinen Kompositionen an. Wagner wurde einmal verdächtigt, an der Brandstiftung an einem Musiktheater beteiligt zu sein, er war wirklich eine „Black Metal“-Persönlichkeit.
Als ich jünger war, habe ich über 20 Jahre lang klassische Pianostunden genommen, klassische Musik ist also einer meiner größten musikalischen Backgrounds. Und wie du wohl weißt war die deutsche Klassik immer das Zentrum der klassischen Musikwelt. Ich war schon als kleines Kind damit vertraut.

Was sind deine weiteren musikalischen und lyrischen Einflüsse und was sind deine Lieblingsbands, die dich beeinflussen?
Alle Musik, die ich mir anhöre beeinflusst mehr oder weniger mein Songwriting, auch wenn ich mir dessen nicht bewusst bin. Meine favorisierten Gruppen / Komponisten sind wohl Celtic Frost, Venom, Sacrifice (Canada), Whiplash, At War, Black Sabbath, Mercyful Fate, Iron Maiden, Dio, WASP, Deathrow, Bludwulf, Municipal Waste, Blood Tsunami, Frank Zappa, The Beatles, The Beach Boys, Nick Cave, Sham 69, Stiff Little Fingers, DRI, Crumbsucker, Cryptic Slaughter, Wehrmacht, Repulsion, um ein paar zu nennen. Lyrisch beeinflussen mich Bücher, Filme, das tägliche Leben und so weiter. Die Texte für „Hangman’s Hymn“ wurden definitiv aus meiner Frustration geboren!

Wie kamt ihr auf die Idee, als Videoclip für „The Tranquilizer Song“ einen Stummfilm zu drehen?
Dave Bekerman, der Regisseur des Videos, kam mit der Idee daher. Es hat definitiv eine gruselige Atmosphäre und passt zum Feeling des Songs. Dave hat übrigens auch die Videos zu „Midnight Sun“ und „Messiahplan“ gedreht, beide auch vom „Gallows Gallery“-Album.

Haben euere Videos, oder die anderer Metal-Bands, die Chance im japanischen Fernsehen zu laufen?
Es kommt darauf an, um welche Art Metal es geht. Der sogenannte Visual-Kei Müll ist oft im TV, ich persönlich sehe das aber nicht als Metal. Für alles andere ist es nicht einfach, im TV zu laufen.

Gibt es schon Pläne für Videoclips von „Hangman’s Hymn“?
Momentan noch nicht, aber das wird wohl noch. Wir werden bald mit Dave reden und sind gespannt, ob er interessiert ist.

Mikannibal ist jetzt ein richtiges Bandmitglied, wie kam es dazu? Es ist jedenfalls immer gut, eine gutaussehende Frau auf der Bühne zu haben…
Kennengelernt habe ich sie durch einen unserer Freunde und eigentlich war es nur geplant, dass sie für Bilder im Booklet von „Hangman’s Hymn“ posiert. Dann hat sie mir erzählt, dass sie mal in einer Death Metal Band gesungen hat und gab mir eine CD davon. Um ehrlich zu sein habe ich nicht viel erwartet, aber nach dem Reinhören war ich wie weggeblasen. Als ich sie dann auch noch live gesehen habe wusste ich, dass wir sie brauchen. Sie kann growlen, sie kann schreien und sie kann singen, außerdem spielt sie Saxophon und spricht Englisch. Und außerdem sieht sie wirklich sehr gut aus. Es gab also keinen Grund sie nicht zu fragen, ob sie nicht zu uns kommen möchte!

Habt ihr schon in Europa gespielt? Habt ihr Interesse an Gigs in Europa oder sogar in Deutschland und wie schätzt du die Chancen darauf ein?
Im April haben wir auf dem Inferno Festival in Norwegen gespielt. 1995 sind wir in Großbritannien/Irland getourt und 1999 haben wir zwei Shows in Deutschland absolviert. Natürlich würden wir gerne öfter in Europa auftreten, aber die Flugkosten sind immer das große Problem. Momentan haben wir leider auch keine konkreten Pläne.

Siehst du Sigh als Live- oder Studioband?
Ich sehe Sigh wegen der Komplexität des Sounds der Alben noch immer als Studioband. Trotzdem bauen wir Sigh momentan mehr und mehr als Liveband auf. Wir haben mit Mikannibal jetzt ja auch eine CoSängerin und Saxophonistin, nun können wir auch viele Songs spielen, die wir bisher live nicht umsetzen konnten.

Europäische Metalbands wie Blind Guardian oder Sonata Arctica sind sehr beliebt in Japan. Warum denkst du ist das so?
Ich bin mir nicht sicher, aber ein Grund könnte sein, dass Japaner eher zum melodischen als rhymtmischen Stoff neigen, weil unsere Sprache auch ziemlich melodisch ist. Die populäre Musik in Japan hat ebenfalls ihre Wurzeln in der deutschen Klassik, weil viele Komponisten vor 100 Jahren nach Deutschland gingen, um die westliche Musik zu studieren. Deswegen könnte unser Geschmack dem der europäischen Leute recht ähnlich sein.

Hier in Deutschland kennt man kaum Metal Bands aus Japan und auch kaum welche aus Asien. Kannst du etwas über die japanische Metalszene erzählen und ein paar gute Bands nennen?
Nun, es ist das gleiche wie überall, ich meine es gibt ein paar coole Bands und richtig viel Müll. Meine persönlichen Favoriten sind Abigail, Barbatos, Sabbat, Defiled, Gallhammer und Genocide.

Wie ich gelesen habe magst du Horrorfilme, kannst du auch hier ein paar empfehlen? Und wie findest du die bekannten japanischen Horrorfilme wie Ringu und Ju-On?
Meine persönlichen Favoriten sind in etwa: Die Blind Dead-Serie, The Beyond, The Gates of Hell, The House by the Cemetery, Burial Ground, Zombie Flesh Eaters, The Fog, Children Shouldn’t Play with the Dead Things, Jacob’s Ladder und so weiter. Ich mag vor allem Zombie-Streifen.
Nun, Ringu und Ju-On sind nicht schlecht, aber ich glaube, sie sind viel zu überbewertet. Ringu hat die großartige Atmosphäre, das Ende ist aber absolut lächerlich. Ju-On hat einige starke Momente, er wirkt auf mich aber, als wäre es aus den berühmten westlichen Horrorklassikern zusammengesetzt.

Du komponierst auch Musik für Videospiele, für welche zum Beispiel? Und spielst du auch selbst?
Ein international erhältliches Spiel ist dabei, Adellion (www.adellion.com).
Nein, selbst spiele ich nichts mehr. Als Kind habe ich viel gespielt, aber jetzt bin ich zu alt dafür und die heutigen Spiele sind auch viel zu kompliziert!

Was machst du sonst mit deiner Zeit, wenn du nichts für Sigh machst und keine Videospielmusik komponierst?
Ich habe auch noch einen normalen, täglichen Job, aber ansonsten mache ich normalerweise immer etwas musikbezogenes. Ich muss Musik komponieren, Instrumente üben, Texte schreiben, E-Mails und Interviews beantworten und so weiter. Da bleibt kaum Zeit für was anderes übrig!

Lass und zum Abschluss noch ein kleines Wortspiel machen. Was fällt dir zu folgenden Begriffen ein…

Herr der Ringe: Anfangs wollte ich die Filme gar nicht sehen weil ich dachte, es ist einfach wieder gewöhnlicher Hollywood-Mist. Ich war dann aber sehr beeindruckt davon, als ich es im Tourbus von Necrophagia gesehen habe. Es ist wirklich gut gemacht.
Bücher: Momentan lese ich kaum Bücher ausser denen, die mit Musik zu tun haben. Ich habe einfach kaum Zeit zum Bücherlesen.
Mangas: „Detroit Metal City“ ist heutzutage definitiv der beste Manga.
Metal1.info: Ich verstehe kein Wort Deutsch. (O-Ton)

Mirai, vielen Dank für deine Zeit, dieses Interview für uns zu beantworten! Ich hoffe, euch bald in Deutschland sehen zu können und wünsche dir alles gute für die Zukunft. Wenn du noch etwas zu sagen hast, die letzten Worte gehören dir.
Ich danke dir für das Interview. Und ja, wir würden in nächster Zukunft liebend gerne wieder in Deutschland spielen.
Für weitere Informationen besucht unsere Webseiten: sigh.gospel-virus.net und unsere MySpace-Seite.

Geschrieben am von Metal1.info

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