Konzertbericht: Bethlehem w/ Nebelkrähe & Support

07.04.2012 Erfurt, From Hell

Wer als Metalfreund schon etwas länger in Thüringen beheimatet ist, blickt, was Veranstaltungen angeht, wahrscheinlich des öfteren nostalgisch in die ferne Vergangenheit zurück, wo die zur Verfügung stehenden Etablissements und Metallveranstaltungen wesentlich zahlreicher waren als in den letzten Jahre. Umso tragischer die Nachricht Ende letzten Jahres, dass eine der gefragtesten Clubs dieser Art, das From Hell in Erfurt, schließen sollte. Schlicht aus dem Grund, weil die Besitzer ihren Wohnstandort wechselten. Die erfreuliche Nachricht jedoch kurz darauf: u.a. Metal Empire, bekannt für die bis dato dort organisierten Metalevents, übernahm den Laden und schmeißt seit kurzer Zeit wieder regelmäßig Konzerte. Das mit höherer Dichte, vielfältiger und mit bekannteren Bands als jemals zuvor. Vorweg somit ein Dankeschön in Vertretung vieler Musikliebhaber der härteren Klänge für die sozusagen Rettung eines der wesentlichen Eckpfosten des Metalveranstaltungsfundamentes im Thüringer Land.

Kurz nach 19.30 Uhr: Einlass. Auch beim Betreten merkt man, dass sich einiges getan hat, denn ab sofort ist im From Hell auch eine zweite Bar im hinteren Teil des Saals geöffnet, die eine bessere Getränkeversorgung während der Shows gewährleistet.
Als die Opener SCHATTENFANG beginnen, staunt man weiterhin freudig, dass die Lichttechnik für eine noch bessere Bühnenausleuchtung und Atmosphärenkreierung ordentlich aufgerüstet wurde, was auch sofort den Erfurtern mit ihrem an Nargaroth und Nocturnal Depression erinnernden Black Metal passend zu Gute kommt. Die Kombo mit Heimvorteil hat einige ihrer Fans mitgebracht, andere brauchen sichtlich, um mit dem Gespann warm zu werden. Möglicherweise liegt das aber auch einfach am sichtlich schlechten Sound, der anscheinend noch in der Aufwärmphase steckt. Ansonsten kann man dem – heute nur – Quartett jedoch wenig vorwerfen. Aktionstechnisch tendiert man zwar gegen Null, das scheint jedoch beabsichtigt und völlig passend zur kalten wie abweisenden Stimmung, die durch die klirrende Tonkunst kreiert wird. So versieht man die Bühne, ohne sich groß um das Publikum zu scheren, mit einer adäquaten Aura und v.a. Sänger und Bassist „Selvmort“ merkt man sein junges Alter keineswegs an.

Setlist SCHATTENFANG:
Introduction
Kalt
Mentale Disharmonie
…Vom Grabentod
Des Herbstes Schatten
An Der Eiche
Auf Der Reise

Bis AD-HOC die Bühne erklimmen, dauert es einige Zeit und ein ausgedehnter Soundcheck macht nach mehr als einer halben Stunde das Warten sichtlich schwer. Dennoch, es hat sich gelohnt. Im Vergleich zu Schattenfang ist die Soundqualität mindestens zehnfach gestiegen, so dass man den größtenteils differenzierten Klängen der Thüringer/Sachsen freudig lauschen kann. Auch wenn die Formation unter ihrem derzeitigen Namen erst knapp zwei Jahre aktiv ist, ist es wohl kein Geheimnis, dass sie mit ihrer Historie, namentlich Mortal Intention, musikalisch wesentlich mehr Jahre auf dem Buckel haben. Genau das macht sich aber auch in der Professionalität und Ausgereiftheit des Präsentiertem deutlich bemerkbar. Kredenzt wird äußerst melodischer Black Metal, der zwischen Mid-Tempo wie Prügelpassagen galant hin und her zu springen weiß und zusammen mit (vorwiegend) Keif wie (seltener) Growlgesang alles zu einem ganz eigenen Klangteppich webt. Selbst betitelt man sich zwar als Avantgarde Black Metal, was auch durchaus in manchen Teilen stimmen mag, wo es die erfahrenen Musiker schaffen, den Zuhörern mit ihren ausgefeilten Kompositionen regelrecht Knoten in die Ohren zu drehen, doch in seiner Gesamtheit kann man AD-HOC getrost auch in die in die melodiösere Ecke der schwarzen Sparte stecken. Eingestiegen ins Set wird mit „Ewig während Schmerz“, dem zweiten Song ihres erst im November vergangenen Jahres erschienen Full-length-Erstlings „Ad-Hoc“ und wohl gleichzeitig einem der fesselndsten Stücke ihres Werkes. Somit ist ihnen die Aufmerksamkeit des Publikums sicher und ein locker gefülltes From Hell erfreut sich sichtlich an dem so ganz eigenen, durchaus mit reichlich Wiedererkennungswert versehenen Kompositionen der Schwarzmetaller.

Setlist AD-HOC:
Ewig Während Schmerz
Aschfahl
Einsamkeit
Wie Dem Auch Sein Mag
König Sein, Sterbender
Neubeginn

Wiedererkennungswert ist auch bei der folgender Band Stichwort, wobei NEBELKRÄHE sich noch deutlich mehr vom ursprünglichen Black Metal entfernen und sehr viel weiter in avantgardistische Gefilde à la Dornenreich und Empyrium vorstoßen. Somit sucht man auch hier infernalischen High-Speed Black umsonst. Auch wenn der Opener „Über den Fluss hinweg“ vom ersten Silberling „Entfremdet“ im Vergleich mit ordentlich Tempo daher kommt, bleibt die schwarz/weiß-Bemalung das einzig klischeehafte. Die Münchener wissen mit ihrer Mischung aus kunstvoll abwechslungsreichem Gitarrenspiel, tragenden Melodien (und das ganz ohne Keyboard) sowie einer variablen Gesangsstimme durchaus Atmosphäre zu erschaffen, die allerdings durch ihre Vielschichtigkeit nicht für jedermanns Ohr geeignet ist. Weniger erfreulich ist hingegen der Sound, der doch gerade bei diesen Kompositionen essentiell für die richtige Stimmung ist. So haben es Publikum wie Band diesbezüglich anfangs sichtlich schwer, auf der Bühne lässt man sich davon jedoch wenig beeindrucken und zieht seine Show ungerührt bewegungs- wie ausdrucksintensiv durch. Als man zusehends in die Gefilde des neuen, durch widrige Umstände momentan leider noch nicht veröffentlichen Albums „Lebensweisen“ vordringt, werden auch endlich einige Ohren mit den teilweise manchmal fast doomigen Klängen warm, so dass zum Ende hin sichtlich begeistert die ein oder andere Mähne kreist.

Setlist NEBELKRÄHE:
Über den Fluss hinweg
Lebenswaisen
Ebenbürdig
Das Karussell
Der Flaneur
Versucher
Et In Arcadia Ego

[Diana Muschiol]

Für welche Band das Publikum an diesem Tag allerdings ins From Hell gekommen ist, zeigt sich mehr als deutlich, als BETHLEHEM mit dem Klassiker „Teufelverrückte Gottdreizehn“ loslegen, denn was Bartsch und Konsorten hier auf die Bühne bringen, ist nichts weniger als beeindruckend – und das gleich in vielerlei Hinsicht:
Geschickt gesetzte Lichteffekte untermalen hier eine perfekte Live-Darbietung, welche druckvoll und klar im Klang keinen Raum für Kritik lässt. Beeindruckend ist dabei vor allem zu hören, wie perfekt der Band-typische Sound von den Alben auf die Bühne gebracht wird – hört man doch jedem einzelnen Akkord mit geschlossenen Augen an, welche Band hier auf den Brettern steht.
Von der mehr als gelungenen Gesamtatmosphäre sowie der Songauswahl, die keine Wünsche offen lässt, abgesehen, ist es vor allem Sänger Rogier Droog (Weltenbrand), welcher mit seiner Performance beeindruckt. Nicht nur, dass der Holländer die deutschen Passagen sprachlich perfekt meistert, auch gesanglich überzeugt der Mann auf ganzer Linie: Egal ob hohes Heulen oder scharfe Shouts – mangelnde Vielseitigkeit in der Stimme kann man Droog beim besten Willen nicht unterstellen. Vielmehr vermag er die Vokals der alten Songs sogar deutlich besser umzusetzen, als dies beispielsweise Niklas Kvarforth auf dem eher unglücklichen „S.U.i.Z.i.D.“- Rerelease „A Sacrificial Offering to the Kingdom of Heaven in a Cracked Dog’s Ear“ zu tun in der Lage war.
Egal, aus welcher Schaffensperiode der Band die Songs stammen, heute funktioniert wirklich alles. So begeistert ein „Maschinensohn“ ebenso wie der Evergreen „Gestern starb ich schon heute“ – und das, obwohl es die Band in dieser Besetzung erst seit knappen drei Monaten gibt, die Zeit für Konzertvorbereitung also entsprechend knapp bemessen war.
Dass sich BETHLEHEM nach dem Re-Release-Reinfall überhaupt noch einmal zurückmelden würden, hätten wohl viele nicht mehr erwartet; erst die „Stönkfitzchen“- EP lies hier wieder Hoffnungen keimen. Nach dem heutigen Auftritt ist jedoch klar, dass das noch lange nicht alles war. Denn wenn der Auftritt des sympathischen Quartetts eines klargestellt hat, dann das: BETHLEHEM sind auch nach 20 Jahren Bandbestehen noch mit Freude und Elan bei der Sache – vielleicht sogar versierter denn je. Ein neues Album ist in Planung – wer indes die Chance hat, sich diese Band im Herbst auf ihrer Tour mit Dordeduh und Secrets Of The Moon anzuschauen, sollte sich diese Gelegenheit keinesfalls entgehen lassen.

Setlist BETHLEHEM:
Teufelverrückte Gottdreizehn
The Eleventh Commandment
Vargtimmen
Aphel – Die Schwarze Schlange
Durch Befleckte Beruhrung Meiner Nemesis
Schatten Aus Der Alexander Welt
Du Sollst Dich Töten
Gestern Starb Ich Schon Heute
Tagebuch Einer Totgeburt
Verheißung – Du Krone Des Todeskultes
Tote Weisse Marder
Apocalyptic Dance
Pillerthrillaren
Maschinensohn
Von Bittersüßem Suizid


Fazit: Somit bleibt als Resümee nichts anderes als ein erfolgreicher Abend. Und im Ernst: kann man einen Karsamstag besser verbringen als bei einer ordentlichen Portion völlig kranken Black/Dark Metals? Allen, die ob ihrer überfüllten Ostermägen faul zu Hause auf der Couch geblieben sind, sei gesagt: Definitiv deutlich was verpasst! [Moritz Grütz]

Publiziert am von

Fotos von: Diana Muschiol

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