Konzertbericht: Disturbed w/ Papa Roach & Support

2010-11-25 München, Zenith

„Taste of Chaos“ prangte in giftgrünen Buchstaben auf den zahlreichen schwarzen Plakaten vor dem Zenith. Darunter folgte die Liste der namhaften US-Metalbands, die dem Münchner Publikum am eisig kalten Winterabend des 25. November einen Vorgeschmack auf das Chaos geben wollten: DISTURBED, PAPA ROACH, BUCKCHERRY und HALESTORM.

Auf meinem Plan stand erst einmal: Einheizen bzw. Aufwärmen mit den bis mir dato unbekannten Halestorm. Leider machte mir die erneut äußerst kompetente Eventorganisation von PGM einen Strich durch die Rechnung, so dass ich erst gut 45 Minuten und etliche Telefonate später endlich Einlass in die nur durchschnittlich gefüllte Industriehalle erhielt. Halestorm hatten zu diesem Zeitpunkt ihren relativ kurzen Auftritt, von dem ich nur das Beben der Wände im Vorraum mitbekam, bereits beendet. Schade, aber wieder einmal der Beweis, dass selbst 20 Jahre stupides Sitzen am Einlass (ungleich Erfahrung und noch ungleicher Ahnung) vor Dummheit nicht schützen.
Zu Buckcherry hatte sich der anfängliche Trubel schließlich gelegt. Mit ihrem neuesten Album „All Night Long“ im Gepäck versuchten die New Yorker ihren melodiösen Hard Rock an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Dieses musikalisch insgesamt recht hochwertige Unterfangen scheiterte allerdings kläglich, da sich das Münchner Publikum keine Sekunde auf die Performance einließ und nur auf die beiden Headliner zu warten schien. Entsprechend mau fielen selbst die Reaktionen auf eingängige Feiersongs wie „It’s A Party“ und den Albentiteltrack „All Night Long“ aus. Die eindeutigen Bewegungen von Sänger Josh Todd in Richtung der weiblichen Fanschar in Reihe 1 und schließlich auch mit Blick auf seinen Schlagzeuger und dessen Instrument trugen ebenfalls nicht unbedingt zu einem Stimmungsumschwung bei. So wirkten besonders die ersten Reihen beinahe teilnahmslos, als die letzten Gitarrenklänge von Keith Nelson verklangen, nachdem zuvor bereits einige Animationsversuche zum gemeinsamen Fäuste-in-die-Höhe-strecken bereits im Keim erstickt wurden. Allerdings schienen Buckcherry auch nicht sonderlich interessiert an ihren deutschen Anhängern zu sein, sondern beschäftigten sich größtenteils mit sich selbst und wahlweise ihren Instrumenten.

Die größten Mainstreamzeiten von Papa Roach sind zumindest in Deutschland schon einige Jahre her. An ihren Anfangserfolg mit „Last Resort“ konnten die Jungs um Sänger Jacoby Shaddix in all den Jahren danach nie wieder anknüpfen. 2010 veröffentlichten die US-Metaller ihr Best Of – und entsprechend gestaltete sich auch die Setliste bei „Taste of Chaos“, die davon gekrönt wurde, als die gesamte Menge am Ende zu „Cut my life into pieces…“ einstimmte. Doch bereits zuvor wussten Papa Roach gut zu unterhalten: Wie ein Derwisch fegte Shaddix ab der ersten Sekunde über die Bretter und ließ weibliche Herzen schmelzen, als er seinen Gürtel in die Menge warf oder ihnen tief in die Augen blickte. Intensiv und dennoch mit der nötigen Finesse führte die spielfreudigen Musiker ihre Fans schließlich bis in die Anfangsjahre mit den Longplayern „Infest“ und „LoveHateTragedy“. Schnell wurde deutlich, dass besonders die alteingesessenen Papa Roach-Fans besonders wegen diesen Abstechern in die frühen New Metal-Jahre ins Zenith gekommen waren. Die Stimmung erreichte jedenfalls erwartungsgemäß ihre Höhepunkte bei den größten Banderfolgen wie eben „Last Resort“ und „Getting Away With Murder“. Qualitativ wirkten diese Songs auch eine Stufe besser als alles, was die Crossoverfetischisten danach bis einschließlich „Metamorphosis“ folgen ließen. Selbst live verfügte das neueste Material über zu wenig Individualität und auch Inspiration, doch die spürbare Power der Gitarrenakkorde und die allgemeine Performance konnten diesen Makel größtenteils ausgleichen.

Hierzulande haben Disturbed mit ihren Auftritten bei Rock im Park/Rock am Ring bereits mit die größten Bühnen gesehen. Entsprechend mickrig wirkten die bestenfalls 3000 Fäuste beim Song „10.000 Fists“ in München. Auch Sänger David Draiman hatte insgesamt sicherlich schon bessere Abende als den 25. November: Jedenfalls vergeigte er beim Genesis-Cover „Land of Confusion“ am Anfang jeden einzelnen Ton und konnte erst gegen Ende die an sich geniale Adaption vor dem totalen Livedebakel bewahren – insgesamt der etwas andere Vorgeschmack auf ein in diesem Fall gesangliches Durcheinander. Allgemein wirkte Draiman am besten, wenn seine Stimme – nur grob am ureigenen Klang erkennbar – in den Schlagzeug-, Bass- und Gitarrenklängen von Mike Wengran, Dan Donegan und John Mayor mitschwamm. Aber glasklare Töne hatten die treuen Disturbed-Fans wohl eh nicht erwartet, dafür eher All-Time-Favs wie „Stupify“ und „The Game“, die ihrem Ruf als echte Livebretter zweifelsohne gerecht wurden.
Abseits des Sounds werteten die überdimensionalen Videowände trotz fragwürdiger Elemente (Kriegszenen…) den Auftritt der Taste of Chaos-Headliner definitiv auf. Doch sollte die Show eher Zugabe als zentrales Element sein und insgesamt wirkten Disturbed zu sehr wie eine typische US-Metal-Band, die für einen kurzen Abstecher nach Good Old Germany kommt, einen halbgaren Auftritt auf Sparflamme abliefert und dann wieder die Heimreise antritt. Dieser Eindruck manifestierte sich besonders am Ende, als es nach dem obligatorischen „Down With The Sickness“ nur eine kurze Ansage voller Fucks und „You rock“-Abwandlungen gab, bis die Band nach exakt 75 Minuten auf nimmer Wiedersehen ohne weitere Zugaben verschwand und die Ordnung blitzartig wieder Einzug im Zenith erhielt. Wem’s genügt…

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