Und sonst so … Juni 2019


Metal ist eines der der lebendigsten Genres, die es gibt. In der Folge ist es bei der mittlerweile enormen Zahl an Veröffentlichungen schier unmöglich geworden, sämtliche Alben in ausführlichen Reviews vorzustellen. In unserer Rubrik „Und sonst so …“ kommen deswegen in Form von Kurz-Kritiken ein paar der Alben zur Sprache, die trotz Zeitmangel und Überangebot nicht unter den Teppich fallen sollten.


Neal Morse - Jesus Christ The Exorcist

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Mit „Jesus Christ The Exorcist“ hat NEAL MORSE (ex-Spock’s Beard, Transatlantic) ein besonderes Studio-Release geschaffen, von dessen Idee bis zur Umsetzung zehn Jahre ins Land gingen. Über zwei CDs beziehungsweise drei LPs und satte 100 Minuten bringt er in Form eines progressiven Rock-Musicals seine spirituellen Überzeugungen zum Ausdruck. Jeder Sänger wurde einer festen Rolle zugeordnet, was den Konzeptcharakter nochmals unterstreicht. Zwischen den 25 Titeln finden sich einige Songperlen wieder  („Jesus‘ Temptation“, „Get Behind Me Satan“). Leider sind längst nicht alle Songs so packend geraten („Free At Last“, „The Last Supper“). Viel Pathos und überladene Strukturen sind hier zu finden, auch wenn der zweite Teil deutlich geradliniger und rockiger ausfällt. Weniger wäre insgesamt mehr gewesen und eine Rockoper funktioniert auch mit kürzerer Laufzeit, siehe Trans-Siberian Orchestra. Erlöst wird man von diesem Longplayer leider nicht, dafür aber zumindest phasenweise gut unterhalten.

[Christian Denner]


Grim Tormentor - Lizard

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GRIM TORMENTOR ist das Solo-Projekt des walisischen Musikers Zaraza, der mit „Lizard“ nun seine Debüt-EP vorlegt. Die fünf Songs kommen auf eine stattliche Laufzeit von knapp 52 Minuten. Die beiden Langstücke „Tormentor“ und „Lizard“ nehmen mit 17 bzw. 23 Minuten den Hauptteil dieser Veröffentlichung ein. Inspiriert wurde die Musik vorrangig von H.P. Lovecrafts „From Beyond“, aber auch mittelalterlicher Astrologie und Chaosmagie. Zaraza garniert seinen Black Metal mit diversen Einflüssen aus Dark Cabaret, Spoken Word oder Drone. Die schleppenden Parts wissen größtenteils zu überzeugen, während die schnellen Passagen deutlich übersteuert klingen und keinen Hörgenuss aufkommen lassen. Bei diesem Manko hilft die vorhandene Saitenfertigkeit von GRIM TORMENTOR leider auch nichts. Die Screams geben ebenfalls keinen Anlass für Lob – zu undifferenziert tönen sie aus den Boxen. „Lizard“ ist eine Debüt-EP geworden, die man ohne schlechtes Gewissen übergehen kann. Die wenigen guten Momente wiegen das Negative in keiner Weise auf.

[Christian Denner]


The Rolling Stones - Bridges To Bremen

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Am 2. September 1998 spielten THE ROLLING STONES vor 40.000 Zuschauern im Bremer Weserstadion während ihrer „Bridges To Babylon“-Tour. Dieses Auftritt wurde jetzt als „Bridges To Bremen“ erstmals veröffentlicht und enthält 22 Songs. Wie groß die Hitdichte der Briten ist beweist, dass das Konzert mit den Nummer-Eins-Hits „(I Can’t Get No) Satisfaction“ und „Let’s Spend The Night Together“ eröffnet wird. Die Qualität der Aufnahmen ist gut gelungen, weder das Publikum noch die (teilweise deutschsprachigen) Ansagen von Mick Jagger wurden aus den Songs herausgeschnitten. So entsteht ein schlüssiges Live-Erlebnis, nicht nur für die anwesenden Konzertbesucher. Musikalisch zeigten die legendären Musiker bereits damals ihre über 30-jährige Erfahrung und spielten ihre Stärken voll aus. So sind das funkig angehauchte „Anybody Seen My Baby?“, das psychedelische „Out Of Control“ oder „It’s Only Rock ’n‘ Roll (But I Like It)“ positiv hervorzuheben. Ihren vielzähligen Live-Releases haben THE ROLLING STONES ein weiteres wichtiges Kapitel hinzugefügt. „Bridges To Bremen“ ist als Doppel-CD, 3-LP, DVD und Blu-ray erhältlich.

[Christian Denner]


Stalagmites - Indignation (EP)

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Aus Sherwood Park in Kanada kommen STALAGMITES, die experimentellen Hardcore spielen und mit „Indignation“ ihre dritte EP seit 2017 vorlegen. Die sieben Songs haben durchaus experimentellen Charakter vorzuweisen, spielen neben Hardcore- auch mit vielen Black-Metal- oder Crust-Elementen. So entsteht eine düstere Mischung, die dem Facebook-Steckbrief der Band sehr gerecht wird: „We make angry music for angry people.“ Diese Wut tropft aus jedem Ton des Trios mit präziser Wucht. Die Produktion wurde entsprechend rau und unverfälscht gehalten, was einige kleinere Unfeinheiten mit sich bringt, die für eine Eigenproduktion aber in Ordnung gehen. Wer Dark-Hardcore-Acts wie Downfall Of Gaia oder Alpinist etwas abgewinnen kann, der wird auch bei STALAGMITES einige interessante Ansätze finden.

[Christian Denner]


Serpent Of Gnosis - As I Drink From The Infinite Well Of Inebriation

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SERPENT OF GNOSIS ist ein neues Deathgrind-Projekt, gegründet von den Goratory-Musikern Darren Cesca, Alan Glassman und Max Lavelle (auch Bassist bei The Black Dahlia Murder). Zur Komplettierung holte Glassman noch zwei seiner Bandkollegen von Job For A Cowboy mit ins Boot. Auf seinem ganz Grindcore-typisch gerade einmal 21 Minuten langen Debütalbum „As I Drink From The Infinite Well Of Inebriation“ beweist das Quintett, dass Banderfahrung durchaus nicht zu unterschätzen ist. Anders wäre ein Erstlingswerk wohl nicht schon so ausgereift wie dieses hier. Mit seinem mitreißenden Deathgrind in leicht schwarzem Anstrich wird das Album zwar sicher keinen Meilensteinstatus erlangen, aber in ihrem Genre gehören SERPENT OF GNOSIS damit trotzdem zu den Gewinnern des Jahres.

[Simon Bodesheim]


Baroness - Gold & Grey

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Mag es auch verständlich sein, dass BARONESS das Übersteuern ihrer Produktion als Stilelement nutzen, nimmt es dennoch so langsam lächerliche Ausmaße an. Bereits bei “Purple” rief es selbst unter Fans Kritik hervor, trotzdem knackst und knistert “Gold & Grey” sogar noch mehr. Schade, denn musikalisch gehören BARONESS mit ihrem emotionalen, progressiven Stoner/Psychedelic Rock zu den interessantesten und spannendsten Vertretern dieser Musiksparte. “Gold & Grey” kommt im Vergleich zum Vorgänger “Purple” wieder merklich ruhiger daher. Zwischendrin finden sich immer wieder sanfte Akustiknummern, die überwiegend gelungen und authentisch wirken. An das enorm starke “Purple” reicht “Gold & Grey” letztlich aber nicht heran, allein schon weil es mit einer Stunde Laufzeit deutlich zu lang geraten ist und weil die ständigen, nutzlosen Interludes nerven.

[Simon Bodesheim]


Sadistic Ritual - Visionaire Of Death

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Obwohl es SADISTIC RITUAL schon seit zehn Jahren gibt und sie neben diversen Demos, EPs und Splits sogar schon ein Live-Album veröffentlicht haben (warum auch immer), ist “Visionaire Of Death” tatsächlich ihr Debütstudioalbum. Nach Debütqualität klingt das, was SADISTIC RITUAL hier machen, nach so viel Erfahrung natürlich schon lange nicht mehr. Die vier US-Amerikaner aus Atlanta wissen genau, was sie tun, weshalb “Visionaire Of Death” auch wie eine Platte einer seit etlichen Jahren eingespielten Band wirkt. Damit ist SADISTIC RITUAL ist ein spaßiges Thrash-Metal-Album mit starken Death-Metal-Einflüssen geglückt, das vor allem auch mit einer stimmigen Produktion punkten kann.

[Simon Bodesheim]


Enthroned - Cold Black Suns

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Eine sehr seltsame Angelegenheit: Stilistisch wohl am ehesten noch mit Bands wie Secrets Of The Moon vergleichbar, spielen ENTHRONED ihren Black Metal auf ihrem elften Studioalbum „Cold Black Suns“ sehr atmosphärisch und mit langklingenden, dissonanten Tönen. Doch genau wie das Tempo von Song zu Song zwischen langsamem Doom und sehr schnellen Blastbeats wechselt – was die Musik grundsätzlich sehr abwechslungsreich macht – schwankt auch die Qualität des Songwritings. Da werden begeisternde Killersongs an totale Langweiler gereiht und man fragt sich, wie beide aus der gleichen Feder stammen können. Letztlich überwiegen die guten Songs aber deutlich und so kann man das Album auf jeden Fall als hörenswert empfehlen. Trotzdem wäre da mehr drin gewesen, wenn man sich die Highlights der Platte anhört und merkt, zu was die Belgier fähig sind.

[Simon Bodesheim]


Aurora - A Different Kind Of Human (Step 2)

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(Art-Pop) Auch wenn AURORA mit „A Different Kind Of Human (Step 2)“ kein Meisterwerk wie “It Happened Quiet” von ihrer letztes Jahr erschienenen EP “Infections Of A Different Kind (Step 1)” geglückt ist, stellt Teil zwei ihres als Doppelalbum konzipierten Werkes die etwas stimmigere Hälfte dar. Denn seichte Pop-Zugeständnisse ans Massenpublikum wie “Queendom” oder “Forgotten Love” gibt es hier dieses Mal keine. Abgesehen vom etwas unspektakulären, abschließenden “Mothership” ist die Norwegerin hier ihrer künstlerischen Herangehensweise an sphärischen, emotionalen Pop mit Message durchgehend treu geblieben. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Zwar ist das alles keine Björk-Level-Genialität, aber gerade für AURORAs noch sehr junges Alter von 22 Jahren sehr beeindruckend.

[Simon Bodesheim]


Soilwork - Underworld (EP)

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Die vier enthaltenen Songs wurden bereits als Bonustracks des aktuellen Albums “Verkligheten” veröffentlicht und nun noch mal als digital als separate EP. Wahrscheinlich, weil das Nuclear Blast einfach noch mal mehr Geld in die Kasse spült. Immerhin: Die Stücke können qualitativ mit dem Album mithalten. Wirklich vollends zum Kauf überzeugen tut diese Veröffentlichung aber nicht, zumal einer der vier Tracks nur die Originalversion des bereits auf dem Album enthaltenen “Needles And Kin” darstellt. Für Fans ist das wahrscheinlich interessant, alle anderen können sich „Underworld“ aber getrost sparen.

[Simon Bodesheim]


Birdflesh - Extreme Graveyard Tornado

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Albumtitel, -cover und Bandlogo verraten es schon: Grindcore. Und zwar von der Blödelhumorsorte. Wer sich an Ulk-Wortspielen und Gags wie “Home Of The Grave”, “Guacamolestation Of The Tacorpse”, “Botox Buttocks” oder “Accused Of Suicide” nicht erfreuen kann, für den wird das hier wohl eher einige Fragen aufwerfen. BIRDFLESH spielen ihren Grindcore sehr Punk-orientiert. Die knappe halbe Stunde, die „Extreme Graveyard Tornade“ aufgeteilt auf 24 Tracks bietet, ist durchaus unterhaltsam, wenngleich musikalisch auch keine Konkurrenz zu den besseren Grindcore-Releases dieses Jahr.

[Simon Bodesheim]


Temple Koludra - Seven! Sirens! To A Lost Archetype

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Die Band, die hier zuerst in den Sinn kommt, ist Deathspell Omega. Das Soloprojekt TEMPLE KOLUDRA geht hier ähnlich avantgardistisch, aber insgesamt etwas braver und nicht ganz so risikofreudig vor. Das gefällt dank einem dissonant-düsteren Sound, wirklich viel hängen bleibt von “Seven! Sirens! To A Lost Archetype” aber nicht. Zudem fehlt auf dem Debüt (noch) das Gespür für geschickte Kürzungen. Die Songs sind fast alle zu lang. Grundsätzlich verfolgt TEMPLE KOLUDRA aber einen sehr spannenden Ansatz, aus dem sich potentiell einer der interessanteren deutschen Newcomer-Acts entwickeln könnte. Und allein schon weil diese Art Black Metal eher selten vertreten wird, ist die Platte empfehlenswert. Nach der vielversprechenden, selbstbetitelten Debüt-EP stellt “Seven! Sirens! To A Lost Archetype” jedoch eine kleine Enttäuschung dar.

[Simon Bodesheim]


Inert - Vermin

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„Vermin“ ist eines dieser typischen Alben, gegen die man objektiv wenig sagen kann, weil sie handwerklich absolut tadellos gemacht sind. Einzig: Musikalisch ist das eben Death Metal in seiner pursten Form. So pur, dass INERT ihn zwar mustergültig spielen, dabei jedoch ähnlich wie viele andere Death-Metal-Bands klingen. Wer von diesem klassischen Death Metal nie genug bekommt, für den ist “Vermin” wie geschaffen. Wer auch nur die kleinste Spur Innovation oder zumindest einen eigenständigen, wiedererkennbaren Stil sucht, der wird hier nicht fündig. Alles in allem ist das aber eine mehr als respektable Leistung, vor allem für ein Debüt. Lediglich das sterbenslangweilige Animic-Cover hätten sie sich sparen können (welches aber glücklicherweise nur als Bonus-Track dazugepackt wurde).

[Simon Bodesheim]


Publiziert am von Christian Denner und Simon Bodesheim

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