Konzertbericht: Feuerschwanz w/ Ignis Fatuu

2011-04-08 Spectaculum Mundi, München

Der gute Geschmack – individuell und subjektiv verschieden, aber dennoch objektiv immer vorhanden. Mehr denn je haben es sich FEUERSCHWANZ zur Aufgabe gemacht, auf ihrer ersten Headliner-Tour zu ihrem neuesten Werk „Wunsch ist Wunsch“ die Grenzen auszuloten. Über weite Strecken geht das Konzept des „Mittelaltermallorcas“ auf, doch ab und es gibt ihn doch: den einen Schritt zu viel.

Vorab muss man Hauptmann Feuerschwanz und seiner Gefolgschaft allerdings attestieren, dass sie sich seit mehreren Jahren größte Mühe geben, immer neue Komponenten in das beengte mittelalterliche Folkcomedykonzept einfließen zu lassen. War es früher noch die Schwanze (eine Kombination aus Lanze/Dildo inkl. „Erguss“) mit größtenteils lockeren Folkrhythmen, so sind es heute die Metmaschine und Miezen mit härteren Metalanleihen. Eines hat sich indes nicht geändert: Musikalisch behandeln die Franken auf teils verteufelt eingängige Art und Weise immer noch genau zwei Themen: Alkohol und Frauen bzw. im Fachjargon: Met und Miezen. Nur selten blitzt musikalischer Tiefgang in den Stücken auf, wie z.B. im Opener „Der Henker“. Gemäß des vorherrschenden Alkoholpegels im Münchner Spectaculum Mundi war am 08. April aber sowieso niemand gekommen, um über tiefsinnige Texte nachzudenken. Folglich war fast der gesamte Konzertabend einzig und allein auf eine mittelalterliche Folkparty nebst Animationsprogramm getrimmt. Ein bisschen Ballermann eben: Hirn aus, Party an.

Zwar sind Feuerschwanz von den individuellen Fertigkeiten her mit Sicherheit über DJ Ötzi, Onkel Jürgen und Co. zu sehen, doch ist dies keinesfalls das Erfolgsrezept: Vielmehr zielt des Hauptmanns Geiler Haufen schlicht drauf ab, plumpe Klischees zu bedienen und diese auszuschmücken. Dies gelingt live erwartungsgemäß viel besser als auf CD, da man die teils überaus fragwürdigen Texte mit Elementen wie „Ene mene muh und raus bist du“ bequem ausblenden kann, vor allem wenn man sich von der Stimmung in den ersten Reihen tragen lässt. Diese baute sich in München zwar erst langsam auf, doch je länger die Feuerschwänze ihre Anhängerschaft mit Livebrettern wie „Met & Miezen“, „Jungfernkranz“ und „Wir lieben Dudelsack“ animierten, desto mehr Konzertbesucher ließen sich anstecken. Den Höhepunkt der kollektiven Party bildete schließlich der beeindruckende Lindwurm im Zugabenblock bei „Meister der Folter“: eine Polonaise mit Prinz Richard Hodenherz als Kopf, an der sich ca. drei Viertel der Anwesenden beteiligten und die die Menge auch quer durch das ganze Gebäude auf die offene Straße hinaus führte.

So weit, so gut: Allerdings blieb der feurige Auftritt nicht frei von einem gewissen Fremdschämfaktor. Da wäre zum einen das Thema Bierdusche: War es letztes Jahr beim Schlosshof Festival noch ein netter Spaß für Zwischendurch, so mutiert es als „vollwertiger“ Bestandteil einer Liveshow zu einem billigen Partygag, der eher zu Eimersaufen und Mallorca passt als zu einem Konzert, welches andererseits durch wirklich gute handgemachte Musik überzeugt (siehe z.B. „Feuerkantate“). Ganz besonders unerträglich werden solche Einlagen, wenn gewisse „Fans“ sie zur grenzenlosen Selbstinszenierung nutzen, wie es leider in München der Fall war.
Apropos Biertaufe und Eimersaufen: Ist „Metmaschine“ als Song schon eine mittelschwere Zumutung, so ist das Liveschauspiel nebst einer grell blinkenden Maschine namens MAMA noch eine Schippe skurriler: Minutenlang werden meterlange Schläuche herumgereicht, an denen sich jeder laben kann, der dies möchte. Waren die übergroßen Methörner noch stilvoll und halbwegs nett, so ist eine elektronische Maschine zum Kollektivbesäufnis alles andere als zwangsläufig erforderlich – das Ergebnis konnte man am Ende unter anderem auf den Toiletten des Spectaculum Mundi begutachten.

Aus rein musikalischer Perspektive avancierten Prinz Richard Hodenherz an den Flöten/Dudelsack und Hans der Aufrechte an der E-Gitarre zu den Helden des Abends. Beide hatten spielerisch einen sehr guten Tag erwischt und konnten auch fernab der Lobeshymnen auf Alkoholismus und pubertärer Sexualfantasien überzeugen. Alles andere als überzeugend war hingegen die eingesetzte Lichttechnik, die die Bühne größtenteils in ein einheitliches Dunkel tauchte. Allerdings dürfte das wahrscheinlich nur die allerwenigsten Besucher wirklich bemerkt oder gar interessiert haben. Unter dem Strich können sich Feuerschwanz damit brüsten, dass sie die in sie gesetzten Erwartungen vollends erfüllt haben – was kein Kompliment per se ist. Geschmäcker sind eben verschieden und an Auftritten dieser Art werden sich besonders auf Festivals noch einige Geister scheiden, die nicht darauf vorbereitet sind.

Setliste Feuerschwanz:
01. Der Henker
02. Maria
03. Met & Miezen
04. Jungfernkranz
05. Wir lieben Dudelsack
06. Der Teufel
07. Wunsch ist Wunsch
08. Des Kriegers Sohn
09. Latte
10. Hurra, hurra, die Pest ist da
11. Feuerkantate
12. Toleranz
13. Metmaschine
14. Verteidiger des wahren Mets
15. Symposium

16. Metvernichter
17. Das Turnier
18. Arsch voll Met
19. Monogamie
20. Am Feuer

Weitaus gediegener und straighter eröffneten IGNIS FATUU den Abend und bewiesen, dass sie trotz ihres überschaubaren Bekanntheitsgrades nicht umsonst auf dem Billing des diesjährigen Wacken-Festivals stehen. Deutlich härter klingt das brandneue Studioalbum „Neue Ufer“ im Vergleich zum folkigen Debüt „Es werde Licht“. Die Mischung aus beidem ergibt ein äußerst vielversprechendes Liveprogramm, welches an jenem Abend nur vereinzelt unter stimmlichen Unzulänglichkeiten von Sänger Alex litt. Abgesehen davon haben die Franken ein hervorragendes Gespür für Arrangements und deren Livetauglichtkeit, was sie u.a. bereits beim Mera Luna, Burgfolk und Tanzt! unter Beweis stellen konnten. Entsprechend fielen die Publikumsreaktionen aus, so dass Ignis ihr Liveset noch mit ihrer obligatorischen Zugabe „Wächter der Nacht“ stilecht beenden konnten. Die erste Headlinertour der Folkrocker dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

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