Konzertbericht: Imminence w/ Novelists FR & Port Noir

11.05.2022 München, Backstage (Werk)

Imminence Tourplakat

Im letzten Jahr war es endlich so weit: Die Metalcore-Band IMMINENCE, die live immer zu überzeugen wusste, hat es auch endlich geschafft, ein vollständig gelungenes Album zu veröffentlichen. „Heaven In Hiding“ heißt das vierte Album der Schweden, auf dem sie endlich ihr Hit-or-miss-Vorgehen abschalteten und ein durchweg solides Werk erschufen. Nachdem die Truppe nur elf Tage zuvor schon in München eine ausverkaufte Akustik-Show spielte, treten sie an diesem Mittwochabend zur „Heaven In Hiding“-Tour im Backstage Werk wieder mit elektrischen Gitarren auf die Bühne. Begleitet werden sie dabei von der französisch-deutschen Kombo NOVELISTS FR – erstmals mit neuem Sänger auf Tour – und der etwas aus dem Raster fallenden Synth-Rock-Kombo PORT NOIR.

Bereits um 19:45 Uhr – als Startzeit war eigentlich 20:00 Uhr angegeben – betreten die Schweden von PORT NOIR die Bühne. Das Werk, das am heutigen Abend im hinteren Bereich abgesperrt und somit nur ein kleines Upgrade zur Backstage Halle ist, ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr übersichtlich gefüllt. Ob dies an der verfrühten Startzeit, dem Genre des Openers oder schlichtweg seiner Unbekanntheit liegt, ist schwer auszumachen. Das ist nicht nur schade für die Band, sondern auch für alle, die den Auftritt des Trios verpassen: Der hauptsächlich vom Bass getragene Sound (Gitarre und Synths wirken eher als ergänzende Elemente) wummert ordentlich durch die Boxen, die Stimme von Frontmann Love Andersson ist kräftig und eingängig und die Songs tanzbar und wuchtig zugleich. Mal versprühen die Mannen mystische Vibes mit Nirvana-Referenzen („Deep Waters“), mal gute Laune mit verdammt einprägsamen Singalongs („Old Fashioned“). Und so treffen PORT NOIR bei einigen der Anwesenden durchaus einen Nerv, auch wenn sie fernab jeglichen Metalcores agieren.

PORT NOIR live in München

  1. All Class
  2. Preach
  3. Sweet & Salt
  4. Young Bloods
  5. Champagne
  6. Deep Waters
  7. Old Fashioned

NOVELISTS FR live in MünchenFür die folgenden NOVELISTS FR haben sich auf der Fläche vor der Bühne nun schon deutlich mehr Menschen versammelt. Obwohl die Progressive-Metalcore-Band drei hervorragende Alben in ihrer Diskografie vorzuweisen hat, scheinen dennoch nur die wenigsten mit ihnen vertraut zu sein. Daran ändert auch ihr neuer Sänger Tobias Rische nichts, der mit seiner alten Band Alazka selbst europaweit Hallen füllte. Musikalisch gesehen sind die Franzosen mit dem deutschen Frontmann die vielleicht interessanteste Band des Abends: Vereinen hier zwei Gitarrenvirtuosen eine technisch-verspielte Komponente mit ordentlich Groove und Gefühl – und auf den neuesten Singles sogar mit Industrial-Einfluss. Live gelingt an diesem Abend aber erstmal nicht viel: Die ersten Tracks der Setlist, „Lost Cause“ und „Smoke Signals“, lassen bezüglich des Sounds jegliche Power vermissen und plätschern vor sich her. Zudem wirken Instrumentalabteilung und Frontmann noch nicht optimal aufeinander abgestimmt. Hinzu kommt, dass das Publikum in den verspielten, leisen Momenten – hierzu gehört auch ein Solo des neuen Gitarristen Pierre Danel zwischen zwei Songs – etwas Respekt vermissen lässt und in fröhlichen Plausch ausbricht, anstatt den hervorragenden Gitarrenkünsten zu horchen. Zum Glück kann sich das Quintett ab dem dritten Song gehörig steigern: Mit „Gravity“ kehrt ein vernünftiger Sound ein, die kurze Setlist enthält mit „Souvenirs“ eine wahrhaftige Überraschung und ein weiteres technisches Problem von Bassist Nico Delestrade überspielt Frontmann Rische mit sympathischen Ansagen und einer kleinen Tour-Anekdote. Auch wenn dieser Auftritt alles andere als glatt lief und nicht die Live-Qualitäten der Band repräsentiert, dürften die Jungs zumindest mit ihrer Authentizität und Sympathie die Meute von sich überzeugt haben.

  1. Lost Cause
  2. Smoke Signals
  3. Gitarrensolo Pierre Danel
  4. Gravity
  5. Souvenirs
  6. Gitarrensolo Florestan Durand
  7. Do You Really Wanna Know?
  8. Terrorist
  9. The Light, The Fire

IMMINENCE live in MünchenUm 22:40 Uhr fällt der Vorhang vor der Bühne und IMMINENCE tauchen dahinter eingehüllt in Nebel auf. Ein ohrenbetäubendes Kreischen geht durch das Backstage und ein knackiges Metalcore-Riff setzt ein. Sänger Eddie Berg zückt seine Violine hervor und beweist gleich in den ersten Sekunden des Auftritts, warum man IMMINENCE live gesehen haben sollte: Die Kombination aus melodischem Metalcore und einem Frontmann, der das Geigenspiel genauso gut beherrscht wie Screams und Klargesang ist einzigartig und sorgt für eine ganz eigene Atmosphäre. Das Publikum zeigt sich von Beginn an äußerst textsicher – dies ist bei der Vielzahl an Singalongs und Ohrwürmern am heutigen Abend durchaus wichtig – und bewegungsfreudig. Dass die Schweden ihr Set mit zwei eher härteren Tracks, „Ghost“ und „The Sickness“, eröffnen, lässt auch gleich den Pit aufkochen, der heute von Wall Of Deaths und Wohlfühlatmosphäre geprägt sein sollte. Für das wohlige Beisammensein tragen auch die Musiker bei, die immer wieder verkünden, wie sehr sie München lieben und nach den Songs mit ihren Händen Herzen formen. Mit einer Akustik-Version von „This Is Goodbye“ schlagen die Mannen zwischenzeitlich sehr sanfte Töne an und bieten all jenen einen Einblick in ihre Vielseitigkeit, die ihre Unplugged-Show vor anderthalb Wochen verpasst haben. So spielen sich IMMINENCE querbeet durch ihre letzten drei Alben, zünden bei kraftvollem Sound ein Feuerwerk der Mitsing-Refrains ab und zeigen sich dabei des Öfteren sehr fan-nah: Doch wird Sänger Berg nicht der Wunsch erfüllt, einmal durch den kompletten Saal zu crowdsurfen – nach der Hälfte schicken ihn die Fans zur Bühne zurück. Mit insgesamt 16 Songs (plus zwei Intros) und 80 Minuten Spielzeit liefern IMMINENCE einen Auftritt ab, der eines Headliners würdig ist und bestätigen abermals ihre Live-Qualitäten. Mit der harten Version von „This Is Goodbye“ fordern sie zum Abschluss das gesamte Backstage nochmal zum Mitsingen auf und hinterlassen vor der Bühne einen ganzen Haufen fröhlicher Gesichter.

  1. I Am Become A Name
  2. Ghost
  3. The Sickness
  4. Disconnected
  5. Erase
  6. Surrender
  7. Chasing Shadows
  8. Lighthouse
  9. Saturated Soul
  10. Alleviate
  11. This Is Goodbye (Akustik)
  12. Up
  13. Infectious
  14. Paralyzed
  15. Heaven In Hiding
  16. Temptation
  17. This Is Goodbye

Obwohl das Werk vielleicht noch einen Tick zu groß für IMMINENCE ist und die Stimmung in der intimeren Halle noch deutlich besser hätte sein können, zeigen die Schweden auch an diesem Abend, weshalb sie live ein Erlebnis sind. Unterstützt von den etwas unglücklich agierenden NOVELISTS FR und den komplett überzeugenden PORT NOIR wurde hier ein Package zusammengeschnürt, das musikalisch zwar nicht hundertprozentig zusammenpasst, aber doch mächtig Laune macht. Und dies hat man Fans und Bands auch wirklich angemerkt.

Publiziert am von Silas Dietrich

Fotos von: Patrick Schaewel

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