Festivalbericht: Meh Suff! Metal-Festival 2023

08.09.2023 - 09.09.2023 Hüttikon (Schweiz)

Wacken, Breeze, Party.San … kennt jeder. Aber das MEH SUFF! Metal Festival? Eher nicht. Bei einer größe von nur rund 1.000 Besucher:innen einerseits kein Wunder – bei seiner malerischen Lage auf den waldgesäumten Feldern vor Zürich in der Schweiz, seinem Jahr für Jahr bemerkenswert hochkarätig besetzten Billing und der stets rundum entspannten Atmosphäre ist das aber definitiv ein Fehler.

Freitag, 08.09.2023

HEATHEN HERETIC auf dem MEH SUFF 2023Nach eher durchwachsenem Wetter im letzten Jahr hat das MEH SUFF! 2023 ein Spätsommer-Wochenende abbekommen, das dieses Begriffs würdig ist. Strahlend blauer Himmel und brütende Hitze machen es HEATHEN HERETIC nicht eben einfacher, mit ihrem eisigen Corpsepaint-Black-Metal zu punkten. Vor schon erfreulich vielen Fans gelingt es den 2019 gegründeten Newcomern aus Zürich trotzdem: Eine souveräne Performance, der Verzicht auf übertriebene Trueness und die kraftvolle Screaming-Stimme von Fronterin Viola Bona machen den Auftritt zu einem rundum gelungenen Auftakt des diesjährigen MEH SUFF!

BEDRÄNGNIS auf dem MEH SUFF 2023Nicht minder düster geht es – bei strahlendem Sonnenschein – bei BEDRÄNGNIS weiter: In blutgetränkten (ehemals) weißen Shirts gibt das Duo zwischen ausladenden Kerzenständern klassischen Depressive Black Metal zum Besten. Was auf Platte – das Debüt „Die Bürde die wir tragen“ erschien 2022 – gefällig klingt, funktioniert live (zumindest unter den gegebenen Umständen) leider nicht auf Dauer: Die genretypische Monotonie der Songs in Kombination mit der unausweichlich statischen Performance einer Einmann-Show mit Schlagzeuguntermalung lässt leider jedwede Dynamik missen. Dass die Gitarre zudem immer wieder kurz ausfällt, ist für die Stimmung auch nicht eben förderlich. Vielleicht ist Depressive Black Metal auch einfach keine Musik für die Bühne – zumindest nicht nachmittags halb drei.

CONSTRAINT auf dem MEH SUFF 2023Kunstblut hat am heutigen Nachmittag Hochkonjunktur: Auch CONSTRAINT treten großflächig mit roter Farbe eingeschmiert auf – ansonsten hat die Show der bereits seit 2008 aktiven Truppe aber nichts mit dem bisher Gesehenen zu tun: Geboten wird thrashiger Death Metal, der das Publikum in seiner schnörkellosen Direktheit schnell zum kollektiven Headbangen verleitet. Eigenständigkeit oder Groove sucht man im Sound von CONSTRAINT allerdings vergeblich. So bleibt von diesem 45-Minuten-Auftritt – im Guten wie im Schlechten – wenig in Erinnerung … wenn man ehrlich ist, eine klassische Nachmittagsprogramm-Band also. Die muss es ja auch geben.

MORTAL FACTOR auf dem MEH SUFF 2023Statt den Amerikanern Malevolent Creation, die wegen eines Flugausfalls später als geplant eintreffen, stehen im Folgenden nochmal Schweizer auf der Bühne: MORTAL FACTOR. Von der Performance her ist das Trio, das eigentlich als letzte Band des Tages eingeplant war, dem deutlich besseren Slot um 16:50 Uhr aber durchaus gewachsen: Mit ihrem Mix aus groovigem Death Metal und an Sodom erinnerndem Oldschool-Thrash regen MORTAL FACTOR die Fans zum Mitgehen an – ihr sympathisches Auftreten tut dann sein Übriges. Trotzdem merkt man dem Publikum an, dass es so langsam für die erste Show einer renommierten Band aus dem Ausland bereit wäre.

VOMITORY auf dem MEH SUFF 2023Damit können anschließend VOMITORY dienen: Die schwedischen Death-Metal-Urgesteine überzeugen von der ersten Minute an musikalisch, aber auch mit ihrem trockenen Humor: Ansagen wie „The next song is a love song: ‚Terrorize Brutalize Sodomize‘“ reichen, um die Fans schnell in Laune zu bringen – ein bunt gemischtes Set mit Songs von immerhin sieben ihrer neun Alben tut sein Übriges: So schwedisch-stoisch die Band performt, so wild geht es im Pit zur Sache. Damit herrscht nun endlich eine Stimmung vor der Bühne, die dem großartigen Ambiente des MEH SUFF! auch gerecht wird. Das müssen die Kollegen von Grave erst mal überbieten!

CARACH ANGREN auf dem MEH SUFF 2023Davor wird es mit CARACH ANGREN aber erst einmal deutlich düster-melodischer. Auch der im charakteristischen, fein ausgearbeiteten Corpsepaint dargebotene, keyboardlastige Black Metal der Niederländer stößt auf großes Interesse: Das Infeld ist sehr gut gefüllt, und sogar der musikalisch eher unpassenden Bitte von Fronter und Bandkopf Seregor nach einer Wall Of Death kommen die Fans nach. Im Mittelpunkt des Sets steht erwartungsgemäß das noch aktuelle Album „Franckensteina Strataemontanus“ (2020) – dazu kommen interessanterweise vier Songs von den ersten beiden Alben „Lammendam“ (2008) und „Death Came Though A Phantom Ship“ (2010), während die gesamte Schaffensphase dazwischen außen vor bleibt.

GRAVE auf dem MEH SUFF 2023Nach dieser melodiegeschwängerten Show geht es zurück ins raue Schweden: Abgefeiert von den Kollegen von Vomitory am Bühnenrand liefern GRAVE ein weiteres Lehrstück in Sachen schwedischen Oldschool Death Metals. Zwar ist der Gesang von Fronter Ola Lindström viel zu leise abgemischt, sodass manche Songs in der heutigen Darbietung fast wie Instrumentals klingen – umso besser kommt dafür das griffige Riffing der Schweden zur Geltung. Über volle 60 Minuten geht es zur Primetime quer durch 35 Jahre Bandgeschichte – die Ankündigung eines neues Albums gibt es (allerdings noch ohne Songpräsentation) obendrein. Dem Sound geschuldet bleiben im Schweden-Death-Match heute trotzdem Vomitory die Sieger.

WATAIN auf dem MEH SUFF 2023Was folgt, ist schon im Umbau spektakulär: Dass die WATAIN-Crew es tatsächlich schafft, fast die komplette Staffage einer regulären WATAIN-Show auf der Mini-Bühne des MEH SUFF! Metal Festivals unterzubringen – und das in der vorgesehenen Standard-Umbau-Zeit von 30 Minuten – ist eine Meisterleistung. Kleine technische Probleme mit den gasbetriebenen Feuerkreuzen sorgen dann zwar trotzdem noch für einen leicht verspäteten Beginn – dann jedoch kann dem feurigen Spektakel nichts mehr Einhalt gebieten.

In leider nicht ganz optimalem, aber durchaus tragbarem Sound liefern WATAIN ebenjenes Ritual, in dessen Erwartung so ziemlich alle MEH-SUFF!-Besucher:innen ins Infield gekommen sind: Erik zündet alles an, was brennen kann – sogar eine Plane auf der Bühne fängt zwischendurch (ungewollt) kurz Feuer –, schüttet Kunstblut ins begeisterte Publikum und verlöscht zuletzt die kleinen Fackeln mit bloßen Händen. Dass die Schweden dabei auch eine musikalisch mitreißende Performance abliefern, gerät bei so viel Show fast zur Nebensache. Dabei glänzt das Set mit einigen Highlights – „Legions Of The Black Light“ etwa, das WATAIN ironischerweise just nach dem Auftritt auf dem MEH SUFF! 2019 aus dem Set gestrichen und erst 2023 wieder reaktiviert haben. Fazit: Wenn das kein würdiger Headliner-Auftritt ist, was dann?

SEPTICFLESH auf dem MEH SUFF 2023An eine solche audiovisuelle Vollbedienung anzuknüpfen, ist keine leichte Aufgabe. SEPTICFLESH sind dafür aber besonders ungeeignet. Denn während die Band in ihrer (mit kurzer Unterbrechung) seit 1990 währenden Geschichte im Studio unzweifelhaft Großes geleistet hat, gelingt es ihnen nur selten, ihren symphonisch untermalten Death Metal auf der Bühne zum Leben zu erwecken. Auch heute ist der Auftritt der Griechen über weite Strecken lahm: Während der Songs kommt ein Großteil der Musik vom Band, zwischen den Songs geht die komplette Band von der Bühne – wie soll da Stimmung aufkommen? Im Publikum tut sich jedenfalls lange gar nichts – erst als SEPTICFLESH im dritten Drittel ihrer Show mit „Communion“ und „Anubis“ zwei Hits ihres grandiosen Comeback-Albums von 2008 hintereinander raushauen, entwickelt sich ein kleiner Moshpit. Für einen 60-Minuten-Slot ist das eine ernüchternde Bilanz. Immerhin: Mit Kerim „Krimh“ Lechner – ehemals bei Decapitated und neuerdings auch bei Dååth aktiv – sitzt ein Ausnahmetalent am Schlagzeug, dem man auch einfach mal 60 Minuten beim Spielen zuschauen und -hören kann, ohne dass es langweilig wird.

MALEVOLENT CREATION auf dem MEH SUFF 2023Nachdem weniger Dynamik eigentlich nicht möglich ist, können MALEVOLENT CREATION, die nun doch noch ihren Auftritt vom Nachmittag nachholen dürfen, eigentlich nur gewinnen. Dass die Amis die Show ihrem 2018 verstorbenen Sänger Bret Hoffmann widmen, lädt den Auftritt zudem mit Pathos auf. Das ist aber auch nötig, denn ansonsten ist die erste Show mit dem neuen Fronter Deron Miller (ja, dem Deron Miller von CKY) eher durchschnittlich: Während der wilden Pit vor der Bühne vornehmlich vom Alkoholpegel der Beteiligten getrieben scheint, wirkt auf der Bühne auch nicht mehr jeder ganz frisch. Deutlich wird das gegen Ende des Sets, als MALEVOLENT CREATION ihre 45 Minuten Stagetime heilos überziehen, beim obligatorischen Foto vor der Crowd herumirren wie ein Hühnerhaufen, um sich dann doch noch auf „Manic Demise“ – nach eigener Aussage Millers Lieblingssong – als Zugabe zu einigen und damit die 60 Minuten voll zu machen. Immerhin: Mangelnde Spielfreude kann man der umstrittenen Truppe nicht vorwerfen.

Ob sich im amerikanischen Death Metal nicht auch eine weniger kontroverse Band gefunden hätte, die mindestens genauso solide abgeliefert hätte, drängt sich als Frage natürlich auf. Davon – und vom stimmungsmäßigen Durchhänger bei SEPTICFLESH – abgesehen, lässt der erste Festival-Tag wenig Raum für Kritik: Bei durchweg gutem bis sehr gutem Sound sorgt ein so abwechslungsreiches wie hochkarätiges Billing für viele Highlights: Musikalisch machen heute VOMITORY das Rennen, in Sachen Show (natürlich) WATAIN.

WATAIN auf dem MEH SUFF 2023


Samstag, 09.09.2023

BLUTSPIEL auf dem MEH SUFF 2023Der Samstag beginnt um 13:05 Uhr mit BLUTSPIEL – einer Schweizer Dark-(Death-)Metal-Band die genretypischer kaum klingen könnte: Stampfendes Drumming und simple Riffs, dazu milde Growls und unterkomplexe Songs – mit diesem Sound bekommt man in der größten Mittagshitze selbst das grundsätzlich sehr begeisterungsfreudige MEH-SUFF!-Publikum nicht vom Zeltplatz gelockt. So müssen sich BLUTSPIEL – leider nicht ganz zu unrecht – für ihre Show mit vielleicht 70 Fans begnügen. Immerhin: Die Band lässt sich keine Enttäuschung anmerken und ziehen ihr Ding bis zum Ende hochmotiviert durch. Dafür: Daumen hoch!

AMPUTATE auf dem MEH SUFF 2023Auf gänzlich anderem Niveau agieren die in Portugal gegründeten, aber mittlerweile in Zürich beheimateten AMPUTATE: Die – der Bandname lässt es erahnen – Brutal-Deather bieten Highspeed-Geprügel der groben, technisch aber durchaus anspruchsvollen Sorte. Den Nerv der MEH-SUFF!-Besucher:innen trifft aber auch das noch nicht: Zwar füllt sich das Infield langsam – statt den bei der Musik eigentlich angebrachten Mosh- und Criclepits ist vor der Bühne aber nur gefälliges Kopfnicken zu beobachten. Bei dieser Hitze ist das allerdings verständlich – Vorwürfe brauchen sich AMPUTATE deswegen nicht zu machen.

MALPHAS auf dem MEH SUFF 2023Dass die Fans für MALPHAS im vorderen Drittel des Infields bereits vor Showbeginn dicht gedrängt stehen, liegt allenfalls auch daran, dass dort bereits Schatten ist: Als die Schweizer Nachwuchs-Black-Metaller die Bühne betreten, ist der Zuschauerbereich nämlich bis hinten gefüllt. Der Auftritt rechtfertigt das große Interesse: Angeführt von Session-Sängerin A.Tlemati bieten MALPHAS mit Leder, Nieten und Kunstblut garniert feinsten „schwedischen“ Black Metal. Wer bei Watain eine gute Zeit hatte, müsste auch hier seine Freude haben – getrübt höchstens von dem Umstand, dass A.Tlemati heute ihren letzten Auftritt mit MALPHAS bestreitet. Hoffentlich sieht man diese charismatische Frau eines Tages irgendwo wieder. Wer auch immer bei MALPHAS nachfolgen wird: Die Latte hängt hoch.

BRUTAL SPHINCTER auf dem MEH SUFF 2023Auf diese bitterböse Performance folgt die vielleicht lustigste Show des Festivals: Mit BRUTAL SPHINCTER hält der Goregrind ins Tagesprogramm Einzug. Mit zwei Sängern, genretypischem Gegrunze und viel Humor haben die Belgier – obwohl stilistisch absolute Außenseiter im Billing – das Publikum schnell auf ihrer Seite: Egal, ob ein riesiger (wenn auch langsamer) Circle-Pit um die Essensstände und den Mischer-Turm, oder eine Wall of Death, die nicht in links und rechts, sondern in hinten und vorne (!) geteilt wird – die Fans sind heute für jeden Spaß zu haben: Einige haben sogar die genretypischen Klobürsten mitgebracht. BRUTAL SPHINCTER geben aber auch Vollgas: Zwischendurch ist (neben einem Plüsch-Hai mit Corpsepaint!) sogar Bassist Spermain spielenderweise im Moshpit unterwegs. So richtig mag das alles nicht zum MEH SUFF! passen – als Ausnahme aber ein echtes Highlight.

LEGION OF THE DAMNED auf dem MEH SUFF 2023Spätestens mit LEGION OF THE DAMNED ist dann auch der Samstag bei den international renommierten Acts angekommen. Die Niederländer haben mit „The Poison Chalice“ ein neues Album am Start, von dem sie natürlich ein paar Songs mitgebracht haben. Große Überraschungen bleiben allerdings aus: Zwar gibt es mehr Soli als früher zu hören, das Riffing der Thrasher bleibt aber ziemlich belanglos. So merkt man auch dem Publikum zwar neugieriges Interesse an der ersten Show von LEGION OF THE DAMNED auf dem MEH SUFF! seit 2016 an – Stimmung kommt aber nicht so richtig auf. Ein kleiner Pit direkt vor der Bühne ist hier das Höchste der Gefühle, zurück bleibt das fade Gefühl einer Enttäuschung.

MELECHESH auf dem MEH SUFF 2023Eine solche droht auch bei MELECHESH, verzögert sich der Beginn doch aufgrund technischer Probleme mit Ashmedis Gitarre. Sind diese aber erst behoben, liefern MELECHESH eine mitreißende Show ab. In komplett neuem Lineup, das heute sein Live-Debüt feiert, feuert die Band Hit um Hit aus ihrer 30 Jahre währenden Karriere ab. Dass mit dem Griechen George Kratsas nun ein Gitarrist dabei ist, der auf einer zehnsaitigen Gitarre spielt, kommt dem orientalischen Sound durchaus zu Gute. Sympathiepunkte sammelt Ashmedi mit einer sehr ehrlichen Ansage, in der er um finanzielle Unterstützung via Crowdfunding für das nächste Album bittet – in diesem Kontext ist es besonders schade, dass die Band kein Merch mitgebracht hat. Als daraufhin mit „Ledders To Sumeria“ der wohl größte Hit der Band erklingt, bricht ein wilder Moshpit los. Stark! Bei dieser mitreißenden Performance bleibt nur zu hoffen, dass das neue Album schnell fertiggestellt werden kann, damit MELECHESH wieder auf Tour gehen können.

SOLSTAFIR auf dem MEH SUFF 2023Aktuell gefühlt ständig auf Tour sind SÓLSTAFIR: Anfang des Jahres mit Katatonia, im Herbst dann mit Amorphis – und dazwischen spielt das Quartett eine ganze Wagenladung Festivals. Erholsam dürfte das nicht sein, zumal die Isländer auch für das MEH SUFF! erst am Showtag direkt aus ihrer Heimat eingeflogen sind. Doch obwohl man der Truppe eine gewisse Erschöpfung anzumerken meint, liefern SÓLSTAFIR auf bemerkenswertem Niveau ab. Das gilt einerseits für die lupenreine Performance, die trotz Ersatz-Schlagzeuger nichts zu Wünschen übrig lässt – andererseits aber auch für die Show selbst: Fronter Aðalbjörn “Addi” Tryggvason sichert sich mit nur wenigen Worten die Sympathien des Pubikums – vor allem aber sein Auftreten begeistert: Immer wieder kommt er bis an den Rand der vor der Bühne stehenden Boxen, für „Ótta“ balanciert er, nur vom Pubikum gestützt, die gesamte Absperrung des Bühnengrabens von einer Seite bis zur anderen entlang. Mehr Fannähe geht kaum – mehr Gänsehaut auch nicht. 

HYPOCRISY auf dem MEH SUFF 2023Mit HYPOCRISY steht im Anschluss der unangefochtene Headliner des diesjährigen MEH SUFF! auf dem Programm. Wie schon Watain, haben auch HYPOCRISY ihre Show kräftig abgespeckt: Die Lichteffekte, die bei den großen Festivals ein Ufo simuliert hatten, ist heute zu Hause geblieben. Auch sonst wirken Mastermind Peter Tägtgren und Konsorten ziemlich entspannt: So stellt Tägtgren seinen unlängst von einem Herzinfarkt außer Gefecht gesetzten Gitarristen Tomas Elofsson als Mr. Heartattack vor – und schließt die Vorstellungsrunde mit einem flapsigen: „My name is Luca, I live on the second floor“. Ob es am familiären Setting des MEH SUFF! liegt oder daran, dass der heutige Auftritt für HYPOCRISY das Ende der Festivalsaison markiert – der Unterschied zur überroutinierten Show auf dem Brutal Assault ist jedenfalls signifikant.

So macht dann auch die dargebotene Musik viel mehr Spaß, obwohl de Facto das gleiche Set auf dem Programm steht: Mit einem Song von jedem Album außer „Penetralia“ und „The Fourth Dimension“ geht die Reise von der Bandgründung bis ins Jahr 2005 („Virus“, vertreten durch „War-Path“); dazu kommen mit „Chemical Whore“ und „Children Of The Gray“ noch zwei Songs des aktuellen Albums. Dass „A Taste Of Extreme Divinity“ und „End Of Disclosure“ hingegen komplett außen vor gelassen werden, ist bei Hits wie „Hang Him High“ oder dem Titeltrack des zweitgenannten etwas unvertändlich. Egal: Meisterwerke wie „Eraser“ oder „Fire In The Sky“ lassen die Herzen aller Melo-Deather höher schlagen – und 60 Minuten Showtime wie im Fluge vergehen.

FLESHGOD APOCALYPSE auf dem MEH SUFF 2023Dass es keine leichte Übung ist, nach einer Instanz wie Hypocrisy auf die Bühne zu gehen, wissen auch FLESHGOD APOCALYPSE: Sängerin Veronica Bordacchini spricht das sogar direkt an und wirkt sympathisch geplättet von dem Fakt, dass sie nach einer Legende wie Peter Tägtgren auf dieser Bühne steht. Trotzdem ergehen sich die Italiener nicht in falscher Demut, sondern zeigen in ganzer Stärke, was sie drauf haben. So tragisch es ist, dass Gitarrist und Sänger Francesco Paoli nach seinem schweren Kletterunfall nach wie vor nicht auf der Bühne stehen kann, so erfolgreich mühen sich die anderen Bandmitglieder, diesen Verlust zu kompensieren.

Insbesondere die Umstellung, dass die grundsympathische Sopranistin nicht mehr nur im Hintergrund steht, sondern neben dem singenden Bassisten vorne einen sehr aktiven Part in der Showgestaltung einnimmt, ist eine echte Bereicherung. So gelingt es FLESHGOD APOCALYPSE spielend, beim Publikum mit ihrem zwar symphonischen, aber dabei extrem energiegeladenen und brachialen Sound letzte Energiereserven zu mobilisieren: Sogar eine massive Wall Of Death bekommen die ansonsten vom Tag sichtlich mitgenommenen Fans noch zusammen. Eine starke Show, mit der FLESHGOD APOCALYPSE ihre Genre-Kollegen von Septicflesh komplett in den Sack stecken.

TUMULO auf dem MEH SUFF 2023Wenn man ehrlich ist, ist das MEH SUFF! Metal Festival 2023 damit aber auch beendet: Das Infield leert sich rapide, und von den Fans, die vor der Bühne stehen bleiben, sind nurmehr die wenigsten bei klarem Verstand. Nüchtern ist das, was jetzt noch kommt, allerdings auch kaum auszuhalten: Das erst 2022 in Zürich gegründete Drei-Mann-Projekt TÚMULO versucht sich an einer Hommage an den frühen Speed/Black/Thrash Metal. Nachdem die Band erst ein Demo (natürlich auf Tape und live im Proberaum eingespielt!) mit knapp 25 Minuten Spielzeit veröffentlicht wird, bleibt unklar, was die Truppe hier eigentlich eine knappe Stunde lang (!) abzieht. Nachdem aber sowieso jeder Song nach einem schlechten Hellhammer-Rip-Off klingt, und Sänger Miasma den Auftritt vorsorglich damit rechtfertigt, dass diejenigen, die verstehen, wie es gemeint sei, es schon verstehen würden (nun gut), ist das für Uneingeweihte wohl auch egal. Dennoch: Man wartet auf einen Des-Kaisers-Neue-Kleider-Moment und den Zwischenruf: „Die haben ja gar nichts drauf!“ Unter den Anwesenden finden aber selbst TÚMULO noch Begeisterungswillige, sodass die Truppe schlussendlich sogar zur Zugabe gebeten wird. Selig, wer da schon den Weg ins Zelt und den Schlaf des Gerechten gefunden.

Mit einem (fast) ausnahmslos stimmigen Line-Up, vor allem aber natürlich für die Event-Größe spektakulären Headlinern hat das MEH SUFF! Metal Festival 2023 musikalisch einiges zu bieten. Vor allem aber ist es das Ambiente, das dieses Festival so herausstechen lässt: Ob das hölzerne Halbrund der Bühne, das Bierzelt, das bis zur Stage reicht, oder eine Food-Area, auf der neben Standards wie Burgern und Pommes auch Raclette (!) angeboten wird, machen dieses mitten im Wald und doch nur fünf Minuten von der Autobahn entfernt gelegene Festival auf sympathische Art und Weise einzigartig. Wer genug hat von Mega-Events mit Anfahrtschaos, langen Wegen und Shows, die man nurmehr auf Leinwänden mitverfolgen kann, ist hier definitiv richtig. Das MEH SUFF! Metal Festival 2024 findet vom 06./07. September 2024 an gleicher Stelle statt.

HYPOCRISY auf dem MEH SUFF 2023

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