Konzertbericht: Rock Meets Classic 2024

14.04.2024 München, Olympiahalle

Für 2024 haben sich die Veranstalter von ROCK MEETS CLASSIC etwas Besonderes ausgedacht: Anstatt einer weiteren Rocklegende steht mit TARJA TURUNEN die ehemalige Nightwish-Sängerin ganz oben auf dem Plakat. Diese präsentiert sich vor eher ungewohntem Publikum in der hinten abgehängten, dafür insgesamt gut gefüllten Olympiahalle bei bester Stimme und Laune. Ersteres trifft auf viele, wenngleich leider nicht auf alle männlichen Gäste zu.

Noch vor der eigentlichen Show eröffnet das Duo BEERS & BALLADS den Konzertabend. Georg Kleesattel und Martin Stellmacher liefern lediglich mit Gesang und Piano einen starken Auftritt, der von den bereits anwesenden Zuschauern auch entsprechend honoriert wird. In der Songauswahl folgen sie mit ihren Cover-Songs dem Geist von ROCK MEETS CLASSIC, verzichten aber angenehmerweise auf die offensichtlichen Stimmungsbringer. Stattdessen gibt es neben einer gelungenen Gotthard-Nummer von den Eagles eben nicht „Hotel California“ zu hören, sondern eine wahnsinnig gefühlvolle Interpretation von „Desperado“.

Pünktlich um 20 Uhr beginnt ROCK MEETS CLASSIC mit dem Auftritt von Quiet-Riot-Frontmann PAUL SHORTINO, dessen Haarpracht ähnlich gut gealtert ist wie seine Stimme. Sowohl das rockige „Metal Health“ als auch das weit gefühlvollere „Stay With Me Tonight“ funktionieren im rockig-klassischen Gewand mit SHORTINO als Frontmann der alten Schule, der sich gemäß guter, alter Rockstar-Klischees mit dem Text der Ballade intensiv an die Damen in der Band und im Chor wendet.

Auch ROBERT HART von Manfred Mann’s Earth Band hat ganz offensichtlich auf seine Stimme geachtet. Optisch wirkt er zwar mehr wie ein Mathelehrer als eine Rocklegende, doch seine Performance bei „Davey’s On The Road Again“ und „The Mighty Quinn“ lässt dies schnell zur absoluten Nebensache werden. Durch den (Radio-)Hitfaktor ist das Publikum auch noch einmal enthusiastischer bei der Sache und singt weiter fleißig die Hook, als HART nach zwei Songs bereits wieder von der Bühne verschwindet.

Den ersten längeren Block mit ganzen vier Songs bestreitet anschließend MIDGE URE, der zu den alten Bekannten bei Rock Meets Classic zählt. Seine Stimme lässt allerdings nicht mehr die absoluten Höhen in Songs wie „Hymn“ oder „Dancing With Tears In My Eyes“ zu, so dass der vierköpfige Chor an diesen Stellen immer wieder aushilft und Ure sich vermehrt dem Gitarrenspiel widmet. Insgesamt erreicht er trotz einiger schöner Soli nicht den Level seiner beiden Vorgänger, sondern profitiert mehrheitlich von der Wirkung seiner Hits und einer professionellen Präsentation.

RUSS BALLARD ist der Special Guest der diesjährigen ROCK-MEETS-CLASSIC-Tour. Von Peter Keller, der an diesem Abend sowohl als Moderator als auch als Chorsänger agiert, wird er als Künstler vorgestellt, der mehr ist als nur Musiker und Produzent. So gibt sich BALLARD anschließend auch, als er unter anderem darüber spricht, dass er an Magie glaube und daran, dass jeder seine Träume verwirklichen kann. Vor „The Fire Still Burns“ findet er angemessene Worte für die derzeitige Kriegssituation weltweit, der Song wird dann passend von einem großen Peace-Zeichen auf der Leinwand begleitet. Zu „God Gave Rock And Roll To You“ erzählt RUSS BALLARD noch eine kleine, launige Anekdote darüber, wie er den Song Anfang der 80er geschrieben hat und ihn KISS erst Ende der 90er vertont haben. Insgesamt liefert er eine ordentliche Performance ab, die bei der Mehrheit allerdings kaum bleibende Eindrücke hinterlassen dürfte.

Auf einem ganz anderen Level agieren JOHN HELLIWELL und JESSE SIEBENBERG von Supertramp. Während HELLIWELL mit einem ganzen Arsenal an Bläsern ausgestattet ist und sich auf den instrumentalen Teil fokussiert, nimmt SIEBENBERG am Klavier Platz und präsentiert sich direkt zu Beginn mit „School“ stimmgewaltig. Den Übergang zu „Breakfast In America“ meistert wiederum Helliwell mit einer charmanten Ansage darüber, wie sehr er bayerisches Frühstück genießt, ehe er alsbald die Heimreise in die USA antreten wird. Mit „Give A Little Bit“ heben sich HELLIWELL und EISENBERG einen ihrer Höhepunkt bis zum Ende auf. Bei Auftritten wie diesen spielt ROCK MEETS CLASSIC seine gesamte Faszination aus. Bekannte Hits in einem modernen Gewand mit klassischer Note, präsentiert von all jenen, die sie zu weltweiten Erfolgen gemacht haben und immer noch abliefern können.

Nachdem SHORTINO für „Cum On Feel The Noize“ und HART für „For You“ nochmals jeweils kurz begleitet von lautem Jubel zu mit ihren größten Hits zurückkehren, wird es Zeit für den größten Stilbruch des Abends. Bereits in dem Moment, als Peter Keller TARJA TURUNEN ankündigt, wird anhand der Publikumsreaktionen deutlich, wer wegen oder trotz der gebürtigen Finnin nach München gekommen ist. Ihr Set beginnt die Sopranistin erst klassisch, ehe sie fix den Bogen zu „I Walk Alone“ spannt. Gesanglich ist TARJA auch mit 46 Jahren über jeden Zweifel erhaben: Jeder einzelne Ton sitzt, auch durch die anspruchsvollsten Passagen bewegt sie sich stimmlich mühelos und verkörpert dabei eine Menge guter Laune.

In „Phantom Of The Opera“ schlüpft Peter Keller in die Rolle des Phantoms und schlägt sich tapfer neben der Stimmgewalt seiner Duettpartnerin, die gefühlt alles und jeden überstrahlt. Gegen Ende holt TARJA JOHN HELLIWELL und JESSE SIEBENBERG noch einmal auf die Bühne, um mit ihnen gemeinsam „The Logical Song“ zu covern. Ein einmaliges Erlebnis und genialer Schachzug zugleich, der in dieser Form bei ROCK MEETS CLASSIC gerne ausgebaut werden darf. Nightwish-Fans dürften sich wiederum gefreut haben, noch einmal „Nemo“ von TARJA zu hören, die mit diesem Song beweist, dass ihr keine andere Frontfrau im Symphonic Metal das Wasser reichen kann.

Zum großen Finale und RUSS BALLARDs „Since You’ve Been Gone“ versammeln sich schließlich alle Beteiligten noch einmal zusammen auf der Bühne und zelebrieren einen unter dem Strich gelungenen Konzertabend. Schön zu sehen beim diesjährigen ROCK MEETS CLASSIC war besonders, dass die Musik im Vordergrund stand und das Rahmenprogramm auf ein Minimum reduziert worden ist. Dafür bekamen sowohl der Chor als auch das Orchester ihre eigenen Momente im Rampenlicht. Eine schöne Geste und mehr als angemessen. Der quasi dauerbeschäftigte Peter Keller überzeugte wiederum als Teil des Chors, Phantom und Moderator mit (gefühlt einigen improvisierten) kurzen Ansagen sowie flotten Sprüchen.

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