Review Adam Nergal Darski – Beichten eines Ketzers

Adam Nergal Darski ist ohne Frage ein Genie. Als Musiker, sagen die einen, als Selbstdarsteller die anderen. Am Ende stimmt vermutlich beides. Fakt ist: Nergal ist eine der vielleicht spannendsten Personen der aktuellen Extreme-Metal-Szene. Bandkopf der Szene-Superstars Behemoth, Moderator der polnischen The-Voice-Sendung, offen im Umgang mit seiner besiegten Leukämie-Erkrankung und nie um eine Meinung verlegen. Mit anderen Worten: Der Traum eines jeden Biographen.

All zu schwer hatten es die beiden Polen Krzysztof Azarewicz und Piotr Weltrowski dementsprechend wohl nicht, als sie Nergal für ihr Projekt in über 100 Gesprächen mit Fragen löcherten. Unter dem Titel „Beichten eines Ketzers. Der Heilige und der Heide: Behemoth And Beyond“ erscheint das Ergebnis dieser Bemühungen, die Nergal-Biographie „Spowiedź Heretyka“ von 2012, drei Jahre nach der englischen Fassung nun endlich auch in deutscher Sprache.

Durchweg im Interviewstil gehalten, nähert sich das Buch dem Black-Metal-Shootingstar aus verschiedenen Blickwinkeln an: Nach einem Vorwort von Randall Blythe (Lamb Of God) erwarten den Leser 13 Kapitel und damit insgesamt 388 Seiten Nergal pur.

Angefangen bei seiner Kindheit und seinen ersten Kontakten zu Religion, Sexualität und Black Metal arbeitet sich das Buch langsam aber sicher zur Black-Metal-Ikone Nergal vor: Zu seinen Kontakten in der Szene, von der strittigen Bekanntschaft mit Rob Darken bis zu seinen Erfahrungen mit Jon Nödtveidt, über das Geldverdienen mit Behemoth bis zu Themen wie seinem Fernseh-Engagement, Diäten und seinem förmlichen Kirchenaustritt.

Während der Band dabei vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wird (hierzu sei an dieser Stelle das Buch Behemoth: Des Teufels Konquistadoren“ empfohlen), befasst sich „Beichten eines Ketzers“ ganz mit der Person hinter der Musik. Das ist interessant, beispielsweise, wenn Nergal eindrücklich und detailreich von der schrecklichen Zeit der Leukämie-Erkrankung berichtet. Es lässt das Buch jedoch passagenweise auch in den Boulevard abrutschen: Etwa, wenn die Autoren gefühlt sämtliche Frauengeschichten aus Nergals Leben im Detail erfragen oder all zu suggestiv zu Werke gehen.

Nicht nur einmal bekommt man das Gefühl, die Interviewer hätten von Nergal etwa gerne ein Bekenntnis zu rechtem Gedankengut gehört. Etwa, wenn sie ihn mit stumpfen Fragen wie „Bist du ein Antisemit?“, „Bist du vielleicht ein Rassist?“ oder „Hast du Hitler bewundert, als du jung warst?“ löchern, auf die Nergal aber so abgeklärt wie sympathisch-verständnislos reagiert. Diesem Kritikpunkt steht der aus dieser offensichtlich sehr entspannten Gesprächssituation entstandene, flüssige Gesprächsstil entgegen, der, überaus gelungen ins Deutsche transferiert, dafür sorgt, dass sich das Buch insgesamt leicht und unterhaltsam liest.

Dass Adam Nergal Darski gerne und viel über sich redet, steht außer Frage – für Biographen und Biographie-Fans ist das jedoch ein Segen. Mag auch nicht jede Erkenntnis aus dem Buch eine Lebensweisheit sein – es finden sich darin auch Sätze wie Seit ich einen Geschirrspüler habe, bin ich richtig gut im Abwaschen“. Am Ende des schick aufgemachten Wälzers angekommen, hat man jedoch das Gefühl, der polnischen Metal-Ikone etwas näher gekommen zu sein. Mehr kann eine Biographie nicht erreichen.

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