Review Alestorm – No Grave But The Sea

Ein sonniger, warmer Tag. Der Himmel blau und wolkenlos, eine angenehme Prise streicht uns ums Gesicht und wirkt der Hitze an diesem Sommernachmittag entgegen, der uns zu einem ausgiebigen Spaziergang am Ufer einlädt. Plötzlich wird vom Ausguck her in aufgeregter Weise ein sich näherndes Piratenschiff angekündigt. Wie angewurzelt bleiben wir stehen, die schwitzenden, zittrigen Hände fingern nach dem Fernglas, mit dem wir uns diesen dunklen Fleck auf dem Wasser näher heranholen. Schon ist der Fall klar und wir atmen tief durch, denn diese Piraten nehmen bestimmt nicht Kurs auf uns, um uns das Leben schwer zu machen. Wie von Geisterhand erscheinen Piratenhüte auf unseren Köpfen und den Rum, den das Schiff geladen hat, können wir schon von Weitem riechen. Sämtlichen Metallern, die das Genre nur in Bezugnahme auf seine atmosphärisch-düstere, ernste Seite schätzen, empfehlen wir, die Taverne am Hafen für diesen Abend strikt zu meiden, denn wenn ALESTORM aus Schottland anreisen und mit „No Grave But The Sea“ auch gleich ihr fünftes Album mit an Bord haben, ist Feier- und Trinklaune angesagt.

Bevor man auch nur einen einzigen Ton des Albums gehört hat, dürfte klar sein, dass es mit Depressive Suicidal Black Metal, dem Genre also, dem ALESTORM laut ihrer Facebook-Seite angehören, in etwa so viel gemeinsam haben dürfte wie benutzte Sportschuhe mit Vanilleduft. Bereits der Opener und Titeltrack macht unmissverständlich klar, dass wir einmal mehr an partytauglichem Heavy Metal sind, der mit haufenweise Mitgröhl-Refrains und den typischen Keytar-Melodien von Anfang bis Ende dazu einlädt, das Tanz-, beziehungsweise Holzbein zu schwingen. Gerade letztere stehen auf „No Grave But The Sea“ wieder stärker im Fokus als noch auf dem Vorgänger „Sunset On The Golden Age“, wo die Melodien zugunsten gesteigerter Heaviness teilweise ins Hintertreffen gerieten. Dass sich ALESTORM abermals auch nicht vor weniger beschwingten,dafür aber epischen Kompositionen scheuen, beweisen Nummern wie „To The End Of The World“, auf dem auch der schon auf „No Grave But The Sea“ in Szene gesetzte gutturale Gesang großflächig eingesetzt wird, oder das recht langsame, hymnenhafte „Bar und Imbiss“. Dennoch sind es die Partykracher, mit denen „No Grave But The Sea“ in erster Linie auffällt und so hat die Platte etwa mit den Vorab-Auskoppelungen „Alestorm“ und „Mexico“, aber auch „Pegleg Potion“ einige Nummern geladen, die kaum mehr als einen Durchgang benötigen, um zu neuen ALESTORM-Hits zu avancieren.

Klar, wirklich viel Neues machen die schottischen Piraten dabei nicht. Im Wesentlichen sind es die typischen ALESTORM-Zutaten, aus denen die fünfte Langrille besteht, sodass der geneigte Hörer nichts vermissen dürfte. Seien es die schon erwähnten Melodien, die sich symbiotisch dazu gesellenden Gitarrenriffs für den headbangenden Freibeuter, oder natürlich Christopher Bowes‘ raue Seefahrer-Stimme, mit der er uns über Themen wie übermäßigen Alkoholkonsum, Schatzsuchen, Seeschlachten oder aber auch die vielleicht nicht ganz so offensichtlichen Verwendungszwecke eines Schiffsankers informiert – all das kennt man bereits von den vorherigen Alben, sodass ALESTORM sich mit „No Grave But The Sea“ vermutlich abermals den Vorwurf mangelnder Innovation gefallen lassen müssen, bei den Puristen in ihren Reihen allerdings auf vollen Zuspruch stoßen dürften. Denn das Gefühl, dass es den Schotten gelingt, ihren eigenen Sound, der nicht zuletzt durch eine Rückbesinnung auf mehr Melodie positiv auffällt, auf eine höhere Stufe zu heben, erzeugt die Platte durchaus.

„Rum, beer, quests and mead, these are the things that a pirate needs“. Na, wenn ihr es sagt, ALESTORM… das ist euer Metier. Unseres dagegen ist die Beurteilung der Musik und hier lässt sich erfreulicherweise mitteilen, dass eure fünfte Kaperfahrt wohl eine der erfolgsversprechendsten ist, die ihr bisher angetreten habt. Insofern: Leinen los für „No Grave But The Sea“!

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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