Review Amenra – Mass IIII

Eine kleine völlig dunkle Bühne. An die Rückwand werden sich langsam bewegende schwarzweiße Videoaufnahmen von düsteren Landschaften projiziert. Die Band selbst ist kaum auszumachen. Die Instrumentalisten stehen fast unbeweglich an den äußeren Rändern der Bühne, während sich der Sänger mit dem Rücken zum Publikum völlig verausgabt. Allein die Beschreibung der Rahmenbedingungen macht klar, welchen musikalischen Weg AMENRA beschreiten. Die unglaubliche Intensität des erlebten (2009 im JUZ Mannheim) lies natürlich auch mich nicht kalt und so rotierte schon bald der vierte (und bisher letzte) Teil der Mass-Reihe in meinem Player.

Optisch macht das Album mindestens so viel her wie das Konzert, verstehen sich die Bandmitglieder doch als Künstler deren „Produkt“ nicht nur die nackte Musik ist, die hier allerdings eindeutig in den Mittelpunkt gerückt ist. Nicht verwunderlich also, dass es auch schon Bildbände und Ausstellungen der Herren gab. Weil wir hier aber kein Kultur-Feuilleton, sondern ein Musikmagazin sind, möchte ich mich im Folgenden auch darauf beschränken. Dies fällt nicht weiter schwer, gestaltet sich doch gleich der erste Track „Silver Needle. Golden Nail“ von Anfang an ebenso stimmungsvoll wie interessant. Ineinander übergehende Rückkopplungen unterschiedlicher Tonhöhe (vermutlich durch Bewegen im Raum erzeugt) begleitet von einem schleppenden Floor-Tom-Rhythmus und sehr dezentem und sporadischem Riffing. Dazu noch ein paar gemurmelte Sprachpassagen, die diesen über vier (!) Minuten dauernden Einstieg in den ersten Song zu etwas absolut Großartigem machen. Wenn sich dann unverhofft unglaublich massive Soundwände vor einem auftürmen ist man schon längst in der apokalyptischen Atmosphäre der Band gefangen. Zwischendurch schleicht sich eine recht ruhige und im Gesang durch seine dünne Brüchigkeit etwas an Tool erinnernde Passage ein, die jedoch der verzerrten Dampfwalze nicht lange stand halten kann. So wuchtig „Silver Needle. Golden Nail“ schließt so wuchtig setzt sich das Album fort. Immer wieder finden sich Parallelen zu Neurosis oder Cult Of Luna. Besonders dieses Verhaftetsein in den langsameren Geschwindigkeiten was eine unglaublich schleppende und monotone aber gleichzeitig eben auch überaus emotionale und ergreifende Stimmung aufbaut. Doch AMENRA gehen viel zu eigenständig vor um als bloßes Anhängsel der Großen betrachtet zu werden. Allen voran Sänger Colin. Seine ungewöhnlich hohe Stimme erinnert etwas an ganz frühe – und somit ziemlich gute – Caliban CDs. Auch zelebrieren AMENRA mehr als andere mir bekannte Genrevertreter dieses repetitive, recht simple und dadurch irgendwie psychodelisch wirkende Riffing. Immer wieder gräbt sich Minuten lang ein einzelnes Riff tief in die Gehörgänge um dann dort zu explodieren. Die größten Momente erzeugen die Herren jedoch wenn sie wie zu Anfang, bei „Razoreater“ (dem Highlight der Scheibe) oder auch bei „Aorte. Nous Sommes Du Même Sang“ zusätzlich zu aller Wut und Verzweiflung ruhige, ergreifend traurige Teile einbauen. Zum Einen kann dann Sänger Colin zeigen was wirklich in ihm steckt, ist er doch bei den härteren Passagen genretypisch stark im Hintergrund als fünftes Instrument eingesetzt. Außerdem schaffen diese „Verschnaufpausen“ genau die nötige Ruhe, die die Wirkung der restlichen Teile zusätzlich verstärkt.

Man muss den düsteren Post Metal schon mögen, um an AMENRA gefallen zu finden. Wer gern fröhliche oder technisch anspruchsvolle Musik hört, ist hier definitiv falsch. AMENRA machen Musik aus dem Bauch, nicht aus dem Kopf. AMENRA vertonen düstere Visionen voll Verzweiflung ohne sich dabei an platten Klischees zu bedienen. AMENRA zelebrieren eine Anti-Show und machen dabei verdammt gute Musik.

Wertung: 9 / 10

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