Review Anderwelt – 2084

Anfang der 2000er-Jahre machte in der Melo-Death-Szene eine Linzer Band auf sich aufmerksam: In Slumber. Obwohl noch (oder wieder?) aktiv, ist deren letztes Album bereits zwölf Jahre alt – und Leadgitarrist Simon Öller mittlerweile bei einer neuen Band involviert: ANDERWELT. Nach dem Debüt „Schattenlichter“ (2015) und einer Single (2017) legen die Österreicher nun ihr zweites Full-Length vor, das musikalisch im Grenzgebiet zwischen Post- und Melodic Death Metal anzusiedeln ist und konzeptionell von George Orwells 1984 inspiriert ist.

Damit wäre der etwas kryptisch klingende Titel „2048“ hinreichend erklärt – die Musik jedoch nicht. Denn tatsächlich sind ANDERWELT diesbezüglich nicht so leicht zu fassen wie ihr Album-Topos. Gleich der Opener, „Plenty“ ist ein 12-Minüter, der einiges zu bieten hat: Los geht es mit einer melancholischen Frauenstimme, die an Arwens Lied aus „Herr der Ringe“ denken lässt, ehe der Song über postrockige Gitarren langsam zu wuchtigem Riffing übergeht, zu dem sich dann – nach gut vier Minuten – erstmals die Growls von Fronter Phil gesellen. Doch ANDERWELT können auch die umgekehrte Richtung, lassen das Stück wieder zurück in ruhigere Gefilde segeln und überraschen den unbedarften Hörer dort mit ihrer Besonderheit: Zum Lineup der Linzer gehört ein Cellist, der bis zum finalen Aufbäumen des Stücks die Lead-Stimme übernimmt.

Wie es sich für ein ordentliches Konzeptalbum gehört, lassen ANDERWELT ihre Songs ansatzlos ineinander übergehen – so wirkt „True“ auch eher wie ein zweiter ruhiger Part von „Plenty“ als wie eine separate Einheit. Während die ruhige Passagen und Riffs immer, wenn das Cello in Erscheinung tritt, so markant wie spannend klingen, gelingt es ANDERWELT in den deathigen, leicht sludge-inspirierten Parts („True“; Vergleichsband: Crown) allerdings nicht immer, diese Eigenständigkeit (und damit die Spannung) aufrecht zu erhalten. So fallen die Riffs bisweilen etwas zu generisch aus – ein Eindruck, der Durch den Sound der harten Parts verstärkt wird: Hier klingt „2084“ zwar druckvoll, aber wenig charakteristisch – eher „aufgepumpt“ und etwas beliebig.

Hervorragend hingegen funktioniert, wenn ANDERWELT ihre Song sich öffnen und – etwa gegen Ende von „Luv“ – herrliche Melodien gen den Himmel steigen lassen. Oder wenn sie ihre Musik, wie in „Pax“, um etwas Post-(Black-)Metal-Feeling bereichern, das ANDERWELT atmosphärisch durchaus auch für Fans von Bands wie Harakiri For The Sky interessant macht: In diesem 13-minütigen krönenden Abschluss herrscht nämlich allenfalls passagenweise Frieden. Vielmehr mäandert das Stück mit beachtlicher Dramatik zwischen ruhig und hart, zwischen Cello-Leads und Double-Bass-Shredding-Passagen, bezauberndem weiblichen Gesang und harschen Screams.

Vielleicht ist der Sound etwas zu glatt, das Riffing in den harten Passagen ein Scherflein zu austauschbar, vielleicht klingt „2084“ einen Tick zu steril. Wo ANDERWELT jedoch ihren Melodien freien Lauf lassen – sei es in ruhigen Cleanteilen oder schwirrenden Post-Metal-Parts – weiß „2084“ direkt wieder zu begeistern. Allein damit gelingt es ihnen, zu überzeugen und alle kritisierten Aspekte unbedeutend wirken zu lassen. Auch das muss man erst einmal schaffen.

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Wertung: 8 / 10

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