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Review anorak. – Enthusiasts & Collectors

Bands fallen nicht vom Himmel, Musiker springen (in den allermeisten Fällen) nicht aus dem Stand auf die großen Festivalbühnen und Musikstile werden nicht von heute auf morgen spannend und innovativ; der Brutkasten für gute Musik, egal welcher Couleur, sind Jugendzentren und alternative Veranstaltungsorte. Kleine, von verschüttetem Bier klebrige Bühnen, wenig Eintritt, eine knarzende Anlage, der obligatorische Kicker in der Ecke, vollgeschmierte und beklebte Pissoirs: Hier bildet sich das heraus, was morgen jeder kennen und lieben wird. ANORAK aus Köln versprühen das hierin angelegte Gefühl des Aufbruchs, des Jungen und Ungestümen auf ihrem Debütalbum „Enthusiasts & Collectors“ zu jeder Sekunde und reihen sich mit ihrem indiefinzierten Screamo nahtlos in die Riege großartiger Bands des New Wave Hardcore ein.

Musikalisch, textlich sowie auch künstlerisch (wofür sowohl das Photoprojekt von Gitarrist Julian, das sich in den Polaroidfotos auf dem Cover niederschlägt, als auch die Musikvideos sprechen) setzen ANORAK ganz auf Leidenschaft und Emotionalität. Scheppernde Gitarren, perlende Melodien, ein ungestümes Schlagzeug, ein brummender Bass, voller Herzblut geschriene Texte, Tempowechsel, verspielte Rhythmen: Zu keiner Sekunde herrscht auf „Enthusiasts & Collectors“ so etwas wie Stillstand und man glaubt den fünf Musikern, dass sie das alles ernst meinen. Textlich kann besonders das Doppel aus „The Calm“ und „The Tempest“ als musikalische und inhaltliche Vertonung der Borderline-Erkrankung aus der Außen- sowie der Innenperspektive beeindrucken. Aber auch der unmittelbare Opener „Forlorn/Desolate/Alone“, der trotz seiner traurigen Thematik einen gewissen Popappeal verspürt, das stark an Touché Amoré erinnernde „These Times“ oder die epischen Sing-A-Longs am Ende von „Move To Norht (The South Is Rough)“ beweise, dass ANORAK die Klaviatur des modernen New Wave Hardcore zwischen Emo, Pop und Screamo bereits aus dem Handgelenk beherrschen.

Die ganze Produktion ist sehr minimalistisch gehalten, der Hall auf den Gitarren ruft oft Erinnerungen an Bands wie The Tidal Sleep wach, verleiht ANORAK aber auch einen charakteristischen Sound. Dass sich über den Verlauf des gesamten Albums einige Längen einschleichen, da Sänger Philipp noch ein wenig mehr Variation in seine überzeugenden Schreie einbauen könnte, der Hintergrundgesang von Basser Patrice doch arg kraftlos klingt und die Songstrukturen sich doch recht oft gleichen, ist aufgrund der durchweg hohen Qualität leicht zu verschmerzen. Auch wenn sie derzeit noch mit ihren durchgetretenen Chucks auf den kleinen Bühnen des Landes stehen, verdienen ANORAK alle Aufmerksamkeit der (Post-)Hardcore-Szene, sind sie doch bereits jetzt fast auf demselben dem Niveau wie die ganz großen dieses Genres.

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