Review Asphyx – Necroceros

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Death Metal

Wenn sich für den harten Metal ein Fazit aus den letzten Jahr(zehnt)en ziehen lässt, dann wäre das wohl „Oldschool lebt länger“: Während unzählige Bands zusehends an Bedeutung verloren haben, weil sie modern klingen und sich ständig neu erfinden wollten, geben heute Gruppen wie Benediction, Sodom oder Vader den Ton an. Mit Songs, die mit voller Absicht nach den frühen 1990ern klingen, einem Sound, der gezielt auf „retro“ getrimmt ist, und Artworks, die dieses Flair gekonnt untermalen. Wo bleibt da der Pioniergeist, könnte man fragen. Oder aber: Was will man mehr?

Auch ASPHYX sind eine Band dieser Sorte: Gerade weil sie sich stilistisch in über 30 Jahren bestenfalls um Zentimeter weiterbewegt haben, gelten die Niederländer heute zu Recht als absolute Death-Metal-Koryphäe. Und dennoch ist „Necroceros“, das zehnte Studioalbum der Band wie eben auch Sodoms „Genesis XIX“, „Scriptures“ von Benediction oder „Solitude In Madness“ von Vader noch einmal einen Zacken „oldschooliger“ als seine Vorgänger.

Das fängt schon bei der Optik an: Die handwerklich top umgesetzte, fast nostalgische Kreidezeichnung bei „Necroceros“ wirkt wie eine Kampfansage an all die mit Photoshop aufpolierten Artworks, die man im Death Metal in den letzten Jahren gesehen hat. Konsequenter hätten ASPHYX die stilistische Entwicklung ihrer Cover seit der Reunion – vom fotorealistischen Artwork bei „Death… The Brutal Way“, 2009, zum klassischen Metal-Gemälde bei „Incoming Death“, 2016 – kaum weiterführen können.

Dasselbe gilt für den Sound, für den nach jahrelanger Zusammenarbeit mit Death-Metal-Produzenten-Ikone Dan Swanö erstmalig Sebastian „Seeb“ Levermann engagiert wurde – Sänger und Keyboarder der Power-Metaller Orden Ogan. Eine „Verweichlichung“ braucht deswegen aber niemand zu befürchten – eher das Gegenteil ist der Fall: Rund, druckvoll und trotzdem dreckig ist der Klang von „Necroceros“ ein perfekter Mix aus dem (zumindest aus heutiger Sicht) etwas zu kratzigen Sound von „Deathhammer“ und dem etwas zu mumpfigen von „Incoming Death“. Damit tönt „Necroceros“ so lebendig und „echt“ wie ein wirklich guter Live-Mitschnitt … was will man mehr? Gratulation an den Death-Metal-Produktions-Debütanten: Besser geht es für ein Studioalbum mit geradlinigem, unverblümtem Death Metal wie dem von ASPHYX wirklich kaum.

Und dann sind da natürlich noch die Songs: Wer ASPHYX kennt, weißt natürlich prinzipiell, was zu erwarten ist. Doch wie in den anderen Punkten wissen die Niederländer auch in diesem Punkt noch eine Schippe draufzusetzen: Mal schieben die Riffs mit der Power einer Dampfwalze drauflos, dann schalten ASPHYX auf lässiges Downtempo zurück – nur um das Gaspedal bald wieder durchzudrücken. Der große Unterschied zwischen „Necroceros“ und seinen Vorgängern ist, wie ASPHYX die verschiedenen Tempi einsetzen: Gab es auf „Incoming Death“ (immerhin!) doomige, groovige und rasante Songs, lassen sich die Stücke auf „Necroceros“ nicht mehr so leicht sortieren: Schon im Opener „The Sole Cure Is Death“ wechseln ASPHYX munter zwischen Groove und Geknüppel. Noch deutlicher zeigen „Mount Skull“ und „The Nameless Elite“ die neue kompositorische Finesse: Beide beginnen schleppend, um völlig überraschend – aber absolut stimmig – in Raserei zu verfallen. Dazwischen hat „Necroceros“ ungebremst brutale Songs („Botox Implosion“) wie durchgängig gemäßigte Stücke zu bieten: „In Blazing Oceans“ etwa, das sogar mit einer melodischen Leadgitarre aufwartet, oder den getragenen Titeltrack, der in seiner ganzen unheilvoll-pathetischen Art an Hail Of Bullets denken lässt.

Dass Paul Baayens‘ Riffs auch 2021 noch knallen, der unverkennbare van Drunen – anders als so manch anderer Death-Metal-Sänger seiner Generation – nach wie vor bemerkenswert gut bei Stimme ist und Stefan „Husky“ Hüskens sich auf seinem zweiten ASPHYX-Longplayer hinter den Kesseln gänzlich eingegroovt hat, tut sein Übriges, um das zehnte ASPHYX-Werk ohne jeden Zweifel zum ihrem bis dato besten zu machen. Nur eine Frage beantwortet auch diese Platte nicht: Was soll werden, wenn all die ergrauten Leitwölfe – die van Drunens und Angelrippers, Wiwczareks und wie sie alle heißen – die Instrumente einmal an den Nagel hängen? Bis dahin scheint für hochwertigen Nachschub jedenfalls gesorgt zu sein: Von Altersmilde oder gar schwindenden Kräften ist auf den aktuellen Werken dieser Haudegen rein gar nichts zu merken.

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Wertung: 9 / 10

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