Review Ayreon – The Theory Of Everything

Vor fünf Jahren verkündete Arjen Anthony Lucassen eine längere Auszeit für seine AYREON-Rockopern und kündigte an, erst dann wieder ein Werk unter diesem Banner zu veröffentlichen, wenn er ein komplett neues Konzept für Musik und Texte erarbeitet hat. Jetzt ist es soweit: Auf dem Doppel-Album „The Theory Of Everything“ machen die liebgewonnen Sci-Fi-Geschichten Platz für ein Familien-Drama um einen Wissenschaftler, der auf der Suche nach der Formel zur Erklärung des Universums ist. Musikalisch hingegen bewegt sich Lucassen weiterhin auf bekanntem Terrain: Zelebriert wird progressiver Metal mit flirrenden Synthies, hardrockigen Riffs und folkloristischen wie sphärischen Zwischenspielen, perfekt zusammengehalten durch ohrwurmige Melodien.

Dieses Erfolgsrezept funktioniert auch auf „The Theory Of Everything“ wieder hervorragend, wobei der Niederländer einige Detailveränderungen vorgenommen hat, die sich positiv bemerkbar machen:

Erstens: Vor allem im direkten Vergleich mit dem Vorgänger „01011001“ gibt Lucassen den Instrumentalteilen wieder mehr Raum. Im Umkehrschluss arbeitet er mit einer kleineren Zahl an Gastsängern und -sängerinnen, wodurch die einzelnen Stimmen besser zur Geltung kommen. Die Musik wirkt luftiger, nicht mehr so überladen und massiv wie noch vor fünf Jahren.

Zweitens: Die Instrumentalteile sind abwechslungsreicher und ausgefeilter. Der Hardrock-Anteil wurde klar zurückgefahren, der Prog-Faktor dafür erhöht. Insgesamt entsteht dadurch ein deutlich abwechslungsreicheres Album, auf dem es auch wieder mehr Ruhephasen gibt.

Drittens – die wohl die bedeutendste Änderung: Es gibt nur selten konventionelle Refrains, kaum eine Textzeile wiederholt sich; eine bewusste Entscheidung von Lucassen, die zur Folge hat, dass die Platte bei den ersten Durchgängen ein wenig sprunghaft und zusammenhanglos erscheint. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der begabte Multi-Instrumentalist vier über 20-minütige Longtracks aufgenommen hat, diese aber in insgesamt 42 kleine Tracks aufteilt. Diese Zerstückelung ist zwar unnötig, aber ein schöner Beweis für die Detailverliebtheit, mit der Lucassen zu Werke geht. Denn „42“ ist die Antwort des Computers aus Douglas Adams‘ Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ auf die Frage nach „dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“, wozu auch der Albumtitel „The Theory Of Everything“ wunderbar passt. So richtig verstecken kann der langhaarige Holländer seine Sci-Fi-Liebe also doch nicht.

Diese drei Verschiebungen im AYREON-Soundgefüge sorgen letztendlich dafür, dass „The Theory Of Everything“ wesentlich fordernder und spannender ist als sein Vorgänger. Das Salz in der Suppe sind wie immer die Gastsänger, darunter Tommy Karevik (Kamelot, Seventh Wonder), Cristina Scabbia (Laguna Coil) und John Wetton (Asia, ex-King Crimson). Es ist einfach erstaunlich, wie brillant Lucassen die unterschiedlichen Stimmen in Szene setzt – Wetton beispielsweise klingt wesentlich lebendiger als auf den letzten Asia-Veröffentlichungen – und dadurch die Spannung aufrecht erhält.

„The Theory Of Everything“ ist ein hervorragendes Album. Stilistisch und atmosphärisch steht es genau zwischen den beiden AYREON-Vorzeigewerken „Into The Electric Castle“ und „The Human Equation“, sodass es bei so ziemlich jedem Lucassen-Fan für Glückseeligkeit sorgen sollte. Und auch wenn sich dieses Gefühl vielleicht beim ersten Durchgang noch nicht vollends einstellen will: Es wird kommen und es wird anhalten. Arjen ist und bleibt der König der Rockopern!

Wertung: 9 / 10

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2 Kommentare zu “Ayreon – The Theory Of Everything

  1. Höre das aktuell ein paar Tage über progstreaming,com, weil ich noch auf mein Päckchen von Arjen warte. Der Ersteindruck ist jedenfalls wie immer sehr gut, weil Arjen ja auch wirklich immer wunderbar abwechslungsreiche Alben auf einem unheimlichen Niveau abliefert & ein außergewöhnliches Gespür für den Einsatz der verschiedenen Stimmen im Rahmen von Ayreon hat.
    Freu‘ mich das Ding dann real in Händen zu halten & noch auf sehr viele Durchläufe :)

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