Review Billy Talent – Billy Talent

Zugegeben, vor einem Jahr hätte ich nicht damit gerechnet, mich jemals für Musik wie die von BILLY TALENT begeistern zu können. Natürlich gibt es da Personen in meinem Umfeld, die nicht ganz unschuldig daran sind, doch vielmehr geht es darum eine gewisse Grenze abzulegen. Vielleicht kann man es als musikalische Reifung oder Öffnung bezeichnen (Als „Verweichlichung in manchen Belangen“ würden das wohl andere spöttisch bezeichnen), die eigenen Bedenken hinsichtlich einer Gruppe abzulegen, die doch in letzter Zeit nach subjektiven Empfinden ziemlich gehyped wurde – um dieses unschöne Wort ein mal mehr in den Mund zu nehmen. Kann eine Band überhaupt gute Musik machen, wenn man als Fans überwiegend kreischende 14-Jährige Mädels vor Augen hat, die irgendwo auf ihrer Selbstfindungsphase Alternative Rock ganz trendy finden? Nachdem ich mich also mit dem aktuellen Album „II“ der Kanadier anfreunden konnte, musste ich mich natürlich an ihr kommerziell noch nicht ganz so erfolgreiches, selbstbetiteltes Quasi-Debüt-Album wagen.

Ein Salto rückwärts sozusagen, aber sobald die ersten, zuerst sehr vorsichtig, dann aber unbekümmert wirkenden Töne von „This Is How It Goes“ erklingen, ist das sowieso egal. Und nach 30 Sekunden hat man die Erkenntnis, dass auch Benjamin Kowalewicz vor drei Jahren nicht viel anders als heute geklungen hat. Er war, ist und bleibt entweder das Aushängeschild des Quartetts oder eben der Grund warum man die Musik einfach nur erbrechlich findet. Während der normale Gesang noch relativ gemäßigt anzuhören ist, muss man den sehr hohen, prägnanten Screamgesang, der BILLY TALENT zudem von der Masse abhebt, wirklich mögen, wobei der nachfolgende Titel „Living In The Shadows“ für mich wirklich der einzige ist, bei dem man sich wünscht, dass der Kleine am Mikro einfach mal die Klappe halten würde, aber dafür gibt es ja die Skip-Taste am CD-Player. Ansonsten ist das Ganze nämlich mehr als grundsolide gehalten, mit Melodien die sich sehr gut im Ohr festsetzen. Nichts außergewöhnlich Vertracktes, keine Songs, die man mehrmals anhören muss, damit man sie versteht, sondern einfach Lieder die ab der ersten Sekunde funktionieren und für Spaß sorgen. Was „Billy Talent“ darüber hinaus ausmacht sind nette Details in den Songs, die man nicht so einfach herbeizaubert und hier meine ich nicht die mitsingtauglichen Refrains, wie man sie bei fast jedem Song vorfindet, sondern so Dinge wie das butterweiche Intro mit zwei harmonisierten Gitarren zum Frust-Song „The Ex“, der eigentlich gar nicht so aggressiv tönt, wie es der Songtext vermuten lässt oder das nahezu optimale Laut-Leise-Spiel bei „Try Honesty“. Nahezu optimal auch nur deshalb, weil es zum Nachteil der Kanadier da schon eine Band aus Ingolstadt mit dem Namen Slut gibt, die das einfach noch sanfter und eindrucksvoller beherrschen.

So einfallslos das Cover auch wirkt, so abwechslungsreich präsentiert man sich jedoch auf dem Silberling, ohne wirkliche Totalausfälle – vom bereits erwähnten „Living In The Shadows“ mal abgesehen – zu liefern. Ob Balladen wie „Nothing To Lose“, eine Vielzahl an im Midtempo angesiedelten Stücken oder den abschließenden Kracher „Voices Of Voilence“, dessen Tempo herrlich nach oben ausbricht. Man erfindet den Alternative Rock nicht neu, den Punk sowieso nicht, denn den haben ja bekanntlich Die Ärzte erfunden, aber man hat seinen eigenen Stil, der sich an diesen beiden Richtungen bedient und den man zudem mit einer Priese Emo-Hardcore würzt. Die Suppe wird dadurch aber nicht versalzen, sondern bleibt schmackhaft.

Spätestens jetzt stellt sich also die Frage ob nun „I“ oder „II“ das bessere Album ist. Klares Unentschieden in meinen Augen und ab mit den schwarzen Peter zur Band, denn diese hätte ja nicht wirklich zwei zwar massentaugliche aber trotzdem hochklassige Alternative Rock Alben nacheinander liefern müssen um mir die Entscheidung so schwer zu machen. Das aktuelle Output ist zwar an manchen Stellen noch etwas geschmeidiger und noch (!!) eingängiger, jedoch hat das 2003er Release hier doch noch an manchen Stellen etwas mehr Unverbrauchtheit und den Charme des noch nicht ganz so perfekten.

Wertung: 8 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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