Review Botanist – Collective: The Shape Of He To Come

Ob man ihrer doch recht experimentellen Musik etwas abgewinnen kann oder nicht, es lässt sich jedenfalls nicht leugnen, dass BOTANIST einzigartig sind. Ehemals das Soloprojekt von Mastermind Otrebor, machen die inzwischen zum Sextett herangewachsenen „Green-Metaller“ vor allem dadurch auf sich aufmerksam, dass sie anstelle von E-Gitarren Hackbretter einsetzen. Doch auch die ungewöhnlichen Melodien und die mit botanischem Fachvokabular übersäten Songtitel und Texte machen schon seit längerem von sich reden. Mit ihrem sechsten Album wagen die amerikanischen Avantgardisten nun etwas Neues: „Collective: The Shape Of He To Come“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Alben, wurde erstmals von der gesamten Band komponiert und beinhaltet – trotz eindeutig weiterbestehendem Bezug zur Natur – keine komplizierten Pflanzennamen mehr.

Schon vor dem Hören fällt auf, dass sich „Collective: The Shape Of He To Come“ zwar aus weniger, dafür aber wesentlich ausschweifenderen Tracks zusammensetzt, als es beispielsweise noch auf dem 2014er Vorgänger „Flora“ der Fall war. Wer jetzt denkt, BOTANIST hätten damit ihre bisher am schwersten zugängliche Platte kreiert, liegt vermutlich im Recht. Die Exotik, die den sanften Hackbrett-Klängen im trübsinnigen Intro „Praise Azalea The Adversary“ anfangs noch entströmt, ist nur ein Vorgeschmack, denn schon bald zerschmettern bedrohliche Dissonanzen und geradezu verstörende, verzweifelte Screams den trügerischen Frieden.

Was folgt, sind drei ausgedehnte Post-Black-Metal-Nummern, ein bedrückendes, aber doch beschwingtes Interlude mit rhythmischem Saitenspiel und dem klagenden Gesang von Bezaelith („And The World Throws Off Its Oppressors“) und ein Outro, das in etwa in dieselbe Kerbe schlägt. Während die niedergeschlagenen Akustik-Kompositionen relativ leicht zu erfassen sind und viel Stimmung rüberbringen, stellen BOTANIST den Hörer in den metallischen Longtracks immer wieder vor Herausforderungen. Im Zusammenspiel mit brachialen Blast-Beats und intensiven, dramatischen Riffs und Leads, die sich auch gut auf einer Deafheaven-Scheibe machen würden, wirken die geisterhaften, beschwörenden und chorartigen Gesänge sowie die wahnwitzigen, wechselhaften Screams wie ein einziges großes Rätsel.

Fremd und unnahbar klingen die Melodiebögen, die damit geweckten Gefühlslagen lassen sich kaum in Worte fassen. Auf „The Reconciliation Of Nature And Man“ treiben BOTANIST den Hörer mit ihren teuflischen Dissonanzen und schiefen Tönen gar völlig in den Wahnsinn – mit voller Absicht. Komplettiert wird das Gefühl von Mystik, das BOTANIST vermitteln, durch die sonderbar verwaschene, aber dennoch kraftvolle Produktion, in der manche der packenden Melodien leider etwas untergehen.

„Collective: The Shape Of He To Come“ ist sicherlich kein perfektes Album. Die Chorgesänge erscheinen oft als zu ziellos arrangiert und einige der in der Wall Of Sound vergrabenen Tonfolgen hätten im Mix etwas mehr Aufmerksamkeit verdient – was man von den klanglichen Experimenten hält, steht sowieso auf einem anderen Blatt. Doch so schwer es auch sein mag, sich in die Platte hineinzuhören, so lohnenswert ist es. Die Dynamik und das Ausdrucksvermögen, das BOTANIST in ihren Songs zur Schau stellen, ist nämlich wirklich faszinierend. Man darf also gespannt sein, wie die avantgardistischen Post-Black-Metaller die damit begonnene Albumreihe fortsetzen werden.

Wertung: 8 / 10

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