Review Civil War – The Last Full Measure

Gestatten? Hier kommen CIVIL WAR – wahlweise auch als „Sabaton 2“ zu bezeichnen. Für diese Benennung gibt es gleich mehrere Gründe, erfuhr die Band zum einen doch durch größtenteils ehemalige Sabaton-Mitglieder ihre Gründung. Aber auch lyrische Vergleiche in Bezug auf die Kriegsthematiken in den Songs sowie gewisse Ähnlichkeiten im Sound lassen sich nicht von der Hand weisen. Ob es CIVIL WAR gefällt oder nicht, den Vergleich zur Band, aus der sie gewissermaßen entstanden sind, müssen sie sich bieten lassen. Er bedeutet jedoch keineswegs, dass die Gruppe nur ein müder Abklatsch ist. Das neue, insgesamt dritte Album „The Last Full Measure“ verdeutlicht nämlich einmal mehr, dass dem nicht so ist.

So genial der Vorgänger „Gods And Generals“ auch ist – unbedingt beim ersten Durchlauf zündet das Album nicht restlos. Einige Songs erschließen sich auf Anhieb, viele brauchen etwas Zeit, um zu wachsen. Im Grunde funktioniert „The Last Full Measure“ nach dem gleichen Prinzip, CIVIL WAR haben nichts an ihrem vergleichsweise doch ansprechenden und vielschichtigen Songwriting geändert. Dadurch offenbaren die neuen Songs eher sukzessive, dann jedoch nachhaltig einen sehr abwechslungsreichen Charakter. Der Band gelingt auch auf dem dritten Silberling das Kunststück, das schon „Gods And Generals“ besonders macht: Songs zu präsentieren, die stilistisch teils stark divergieren und dennoch zusammenhängend als Einheit funktionieren.
So merkt der Hörer dem Material auf der neuen Platte, lässt er ihm genug Zeit, sich zu entfalten, nicht nur immer mehr feine Details wie die kurze, atmosphärische Melodie in „Deliverance“ an, die das titelgebende, zweimal gesungene Wort im Refrain verbindet, sondern erkennt auch, wie viel Abwechslung die Songs an sich bieten. Mit „Road To Victory“ eröffnen CIVIL WAR den Reigen mit einer straighten, stimmungsvollen und episch arrangierten Hymne, die in das bereits erwähnte, zunächst langsamere, sich aber steigernde und stets dramatisch anmutende „Deliverance“ mündet – die kurze, unvermittelt einsetzende Pause vor dem letzten Refrain, in der lediglich ein uhrenartiges Ticken zu hören ist, ist nebenbei erwähnt einer der großen Gänsehautmomente der Platte. Song Nummer drei, „Savannah“, präsentiert sich dann als launiger Ohrwurm mit enorm rhythmischen Strophen und einem markanten Refrain, bis mit dem vorab veröffentlichten Western-Song „Tombstone“ eine vollkommen durchgeknallte, überdreht-sympathisch wirkende Brainfuck-Nummer eintrudelt, inklusive „Yokee-Yokee-Yokk“-Textstelle – nein, kein Witz.
Im Grunde zieht sich diese Abwechslung dergestalt weiter durch den Rest des Albums, sodass CIVIL WAR hymnische, epische sowie dramatische Songs bieten und gerne mal das Tempo herausnehmen, nur um es dem Hörer dann wieder mit Schmackes ins Gesicht zu knallen – ebenso wie ihre Gitarrenriffs und -soli übrigens, die sich schön im Sound entfalten können und einen angenehmen Kontrast zur Melodik darstellen, statt von ihr untergraben zu werden – genau so muss das. Zu Nils Patrik Johansson, der die Nummern gesanglich veredelt, müssen indes nicht viele Worte verloren werden. Zweifelsohne eine der coolsten Stimmen derzeit im Power-Metal-Bereich.

Etwas schade ist die Absenz einer wirklichen Ballade, haben CIVIL WAR doch etwa mit der großartigen und emotionalen Wikinger-Geschichte „Tears From The North“ vom Vorgänger-Album bewiesen, dass auch diese ihnen gut zu Gesicht stehen. Mit viel Gefühl kommt dafür das Mid-Tempo-Stück „A Tale That Never Should Be Told“ daher, welches unbedingt einer gesonderten Erwähnung bedarf: Ein Song mit einem lyrisch sehr interessanten Ansatz, in dem niemand anderes als Jesus Christus seine in der Bibel überlieferte Geschichte als Lüge deklariert und sein Bedauern darüber kundtut, dass sie immer noch blindlings von der Menschheit geglaubt wird. Religionskritik auf innovativem Niveau nennt man das wohl, hinzu gesellt sich jede Menge Gefühl, mit dem der Song umgesetzt wird, sowie eine der wohl fiesesten Ohrwurm-Melodien, die CIVIL WAR je auf dem Keyboard komponiert haben und die trotzdem angenehm melancholisch-düster bleibt. Mit dieser Nummer wartet die Band also nicht nur mit dem absoluten Album-Höhepunkt, sondern definitiv auch mit einem ihrer bisher besten Songs auf, der die Messlatte für ihr kommendes Schaffen sehr hoch legt.

Mit „The Last Full Measure“ legen CIVIL WAR damit einmal mehr ein großartiges Album vor, das mit jedem Hördurchgang wächst und mit Nummern wie dem bereits gelobten „A Tale That Never Should Be Told“ oder dem abschließenden Titelsong einige der bisherigen Highlights zum Repertoire der Schweden fügt. Bleibt nur zu hoffen, dass die Band weiterhin derart hohe Qualität liefern kann – aber vom verdammt guten Vorgänger hin zu diesem Werk klappte es ja auch reibungslos.

Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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