Review Dawn Of Destiny – Human Fragility

Alle Jahre wieder kommt nicht nur der Osterhase, auch Nikolaus, Weihnachtsmann und DAWN OF DESTINY stehen regelmäßig vor der Tür. Der schlaue Leser wird erkannt haben, dass einer der Begriffe groß geschrieben wurde und somit ist klar, dass es im folgenden nicht mehr um den Hasen, den guten Mann aus Kleinasien oder den rotbemantelten Rauschebartträger, sondern alleine um die Power-Metal-Kapelle aus dem Ruhrpott. Tatsächlich haben es nämlich Jens Faber und Co im dritten Jahr in Folge geschafft, ein qualitativ hochwertiges Album auf den Markt zu werfen.

Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass dort keine Schmalhansprodukte daherkommen, sondern die Alben jeweils über eine Stunde Spielzeit aufweisen. So gab es auch diesmal einiges zu tun, 15 Songs wollen erstmal auf Herz und Nieren geprüft werden. Als erstes fällt (nach einem kurzen Pianointro) auf, dass der Fünfer mit ordentlich Schmackes an die Sache rangeht. “Silent Suffering” ist alles, nur nicht das, was der Titel in der direkten Überstezung bedeutet. Mit mächtigem Doublebass-Geknüppel steigt man und auch wenn man der (falschen) Meinung ist, dass Frauengesang eher mit balladesken Tönen einhergeht, sieht man sich hier eines besseren belehrt: Fronterin Tanja, schon von jeher mit einiger Stimmgewalt ausgestattet, intoniert derartig kraftvoll, dass es für jeden Freund der schnellen Melodien eine kleine Offenbarung sein kann. Daher überrascht es auf den ersten Blick schon ein wenig, dass man sich mit Ian Parry und Bernhard Weiss zwei männliche Stimmen mit ins Boot holte. Laut Jens wollte man einfach für etwas mehr Abwechselung sorgen, außerdem sollte dies zusätzliche Emotionen schüren. Verständlich, denn die Band gibt selber an, in den letzten Monaten mit allerlei Schwierigkeiten konfrontiert gewesen zu sein.

Musikalisch hat dies der Band ohrenscheinlich nicht geschadet, alleine der Titletrack wartet mit Ohrwurmmelodien auf, die sich nicht nur rasant in den Gehörgängen festsetzen, sondern dort auch lange verbleiben, die Spielereien zwischen Saiten und Tasten sind hervorragend umgesetzt, die Instrumente scheinen beinahe zum Hörer zu sprechen, so lebendig, so ausdrucksstark kommen sie zur Geltung. In ähnliche Hörner stoßen auch “In A Heartless World” und “Learning To Fly”, welche aufgrund der Titel zwar etwas klischeebehaftete Texte erwarten lassen, sich aber als 1A-Rocker entpuppen. Dabei und auf dem ganzen Album geht es mal schneller, mal langsamer zur Sache, eine echte Ballade fehlt dieses mal allerdings. Da die zackigen Nummern aber beinahe durchgehend mit voller Qualität überzeugen können, fällt dies nicht so wirklich ins Gewicht.

Das Wörtchen “beinahe” deutet an dieser Stelle auf das einzige Manko hin – jedenfalls aus meiner Sicht: 15 Songs in 66 Minuten sind vielleicht doch des Guten ein wenig zu viel. Einen echten Totalausfall vermag ich zwar nicht auszumachen, aber gegen Ende des Albums schleichen sich schon ein paar klitzekleine Längen ein. Hier stehe ich jetzt vor der moralischen Gretchenfrage: darf man einer Band so einen Umstand überhaupt ankreiden? Mindestens 55 Minuten sind sehr gut geworden, viele Klassikeralben kommen gerade mal auf gut die halbe Spielzeit und werden mit Höchstnoten bedacht. Muss man in diesem Fall also nicht sagen, 55 Minuten sind spitze, also ist es das Album auch? Natürlich muss man das, wer im frühen einundzwanzigsten Jahrhundert handgemachten Power Metal aus deutschen Landen, dargeboten von einer durch und durch symphatischen Truppe, hören möchte, liegt bei DAWN OF DESTINY nicht nur ein wenig, sondern vollkommen richtig.

Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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