Review Deftones – Koi No Yokan

Wen interessiert heute, außer aus nostalgischen Gründen, noch ein neues Limp Bizkit Album? Hat irgendjemand, der Papa Roach damals zu „Infest“-Zeiten gefeiert hat, noch Interesse an dem glatten Emocore, den die Band jetzt praktiziert? Gibt es wirklich Leute, die meinen, dass es revolutionär ist, wenn man, wie Korn, plötzlich Dubstep mit harten Gitarren mischt? Und haben Linkin Park wirklich dieses großartige „Hybrid Theory“ veröffentlicht, oder war das eine andere Band, als diejenige, die häufig im Abspann der Sportschau läuft? Anders ausgedrückt: Nu Metal ist schon lange vorbei. Dennoch gibt es eine Band, die dieses Genre mitgeprägt hat, ohne ihm je wirklich anzugehören. Eine Band, die jede Trendwende einfach ignoriert hat, ihr Ding durchzieht und genau dadurch interessant bleibt, während viele gleichzeitig gestartete Bands schon lange wieder in der Versenkung verschwunden sind oder musikalisch angepasstere Gefilde beschritten haben. Die Rede ist selbstverständlich von den DEFTONES, welche mit ihrem siebten Album „Koi No Yokan“ ein weiteres Mal ein beeindruckendes Stück Musik veröffentlichen.

Nachdem ihr Bassist Chi Cheng vor vier Jahren nach einem tragischen Unfall ins Koma fiel, ging die Band in sich, verwarf ein vollständig aufgenommenes Album und veröffentliche, mit Sergio Vega von Quicksand am Bass, mit „Diamond Eyes“ 2010 ein von Kritikern und Fans einstimmig gefeiertes Album, welches alle Stärken der Band vereinte und dabei so aggressiv klang, wie lange keines ihrer Alben. Diese Härte ist auf „Koi No Yokan“ (ein japanisches Sprichwort, welches das Gefühl beschreibt, einer Person, die man zum ersten Mal sieht, stark verbunden zu sein) immer noch vorhanden, allerdings stärker durch ruhige, beinahe an Shoegaze erinnernde, sphärische Elemente angereichert. Die Wirkung, die die Songs auf „Koi No Yokan“ dadurch erzielen, klingt durch dieses Wechselspiel deutlich intensiver als auf dem Vorgänger. Dennoch eröffnet mit „Swerve City“ ein direkt nach vorne preschender Rocksong mit einer unwiderstehlichen Hookline und packenden Rhythmen das Album. Spätestens in „Leathers“ werden diese fetten Gitarren und tief gespielten Melodien allerdings immer wieder durch ruhige Momente unterbrochen.
Die Atmosphäre, die im Verlauf des gesamten Albums erzeugt wird, wird erneut zu einem großen Teil durch Chino Morenos Gesang getragen, welcher auf diesem Album so vielseitig klingt, wie selten zuvor. So deckt er hier die Spannweite zwischen fiesem Keifen, aggressivem Gebrüll und langgezogenen, sehnsüchtigen Cleanpassagen so überzeugend ab, dass der Gesang fast als ein ergänzendes Instrument wahrgenommen wird. Seine ganze Leidenschaft wird vor allem im von elektronischen Beats geprägten „Entombed“ deutlich, in welchem seine Stimme auch in den lauteren Passagen immer noch klar und hoffnungsvoll klingt, dabei dennoch ständig eine bedrückende Melancholie mitführt.

Auch wenn die Mischung zwischen harten und atmosphärischen Momenten schnell als Muster erkennbar wird und so auf Albumlänge für eine immer wiederkehrende Struktur sorgt, wirkt diese Kombination nicht ermüdend, sondern erzeugt vielmehr einen ganz eigenen Sog, der den Hörer tief in das Album hineinzieht. Zwar sind es nur einige wenige Songs, die sich in allen Einzelheiten und mit beißenden Hooklines im Gehirn festsetzen, die anderen Songs als Füller zu bezeichnen, wäre allerdings absolut nicht richtig, ist das, was die DEFTONES hier abliefern, doch um Welten durchdachter, als der Output vieler anderer Alternative-Bands. Dies wird spätestens im neunminütigen „Rosemary“ deutlich. Die Band erzeugt hier eine wahre Urgewalt in Form einer emotionalen Berg-und-Tal-Fahrt, die in ihrer Intensität an die düstere Stimmung auf „White Pony“ erinnert. Gleichzeitig zeigt der Song, dass die Band sich nicht auf den Lorbeeren dieses Kultalbums ausruht, sondern nie auf der Stelle tritt und versucht, ihren wiedererkennbaren Sound stetig weiterzuentwickeln. Einzig die Entscheidung, das vor sich hin plätschernde „What Happened To You?“ als Abschluss eines großartigen Albums zu wählen, erscheint etwas unglücklich.
Auch nach 24 Jahren sind die DEFTONES so kreativ wie am Anfang ihrer Karriere. Auf ihrem siebten Album überzeugt die Band auf ganzer Linie, indem sie alle Stärken der vorangehenden Alben kombiniert und so ein unglaublich reifes, mitreißendes und emotionales Werk vorlegt.

Wertung: 8.5 / 10

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