Review Dzö-nga – The Sachem’s Tales

  • Label: Avantgarde
  • Veröffentlicht: 2017
  • Spielart: Black Metal

Avantgardistischer Atmospheric Folk Black Metal – eine selbst für Metal-Verhältnisse arg sperrige Genre-Klassifizierung. Dennoch ist jeder dieser Termini mehr oder weniger notwendig und zutreffend, um die Musik von DZÖ-NGA in all ihren stilistischen Facetten zu erfassen. Das ehemalige Soloprojekt des Amerikaners Cryvas, dessen Name nicht etwa eine dadaistische Buchstabenkombination, sondern der Name eines Dämons aus dem Glauben der amerikanischen Ureinwohner ist, vereint nämlich die unterschiedlichsten Einflüsse in seinen Kompositionen. Erst 2016 gegründet, veröffentlicht das Duo mit „The Sachem’s Tales“ bereits sein zweites Album, auf dem DZÖ-NGA die Mythen der Algonquin erzählen und mit einzigartigen Klängen unterlegen.

Bei einem jungen Underground-Projekt wie DZÖ-NGA muss man sich selbstverständlich darüber im Klaren sein, dass dessen Möglichkeiten begrenzt sind. Es verwundert also nicht, dass sich Cryvas eine Gastsängerin und einen Gastdrummer zu Hilfe geholt und den Großteil der vermeintlichen Instrumente mit dem Keyboard eingespielt hat. Die simulierte Akustikgitarre klingt deshalb ungewohnt sanft, fast schon wie eine Harfe, und auch den Klängen der Streicher, des Pianos und der Orgel merkt man an, dass sie nicht dem jeweiligen Instrument entspringen. Dafür hören sich die Songs sogar recht gut an und ein gewisser DIY-Charme ist ihnen nicht abzusprechen.

Selbst wenn man das berücksichtigt, ist die Produktion leider dennoch die Schwachstelle am Zweitlingswerk von DZÖ-NGA. Der künstliche Sound der kräftigen Screams und der Drums – insbesondere der aberwitzig rasanten Blast-Beats – stört leider sehr, bei letzteren könnte man fast daran zweifeln, dass sie wirklich von einem Menschen eingespielt wurden. Abgesehen davon sowie der Tatsache, dass das stürmische Tremolo-Picking im Mixing viel zu sehr untergeht, haben DZÖ-NGA dennoch eine grandiose Platte geschaffen. Was die kreativen Black-Metaller nämlich beispiellos beherrschen, ist das schreiben spannender, vielfältiger Songs.

Völlig egal ob es sich dabei um ein friedliches Akustik-Interlude („Halle Ravine“), ein aufbrausendes Schwarzmetall-Gewitter („Against The Northern Wind“) oder gar um ein verspielt tänzelndes Outro („The Witching Meadow“) handelt, jeder einzelne Track ist ein kompositorisches, in sich und im Albumkontext stimmiges Glanzstück. Die Instrumente mögen zum Teil unecht klingen, die damit zum Ausdruck gebrachten Emotionen sind es jedenfalls nicht. Wehmut, Tragik, Epik, Hoffnung und eine urtümliche Kraft stecken in den außergewöhnlichen Arrangements, die wesentlich unorthodoxer und folglich interessanter strukturiert sind, als es in jenem Genre sonst üblich ist.

In der heutigen Masse an unterfinanzierten, ungeübten Newcomer-Bands ist es wirklich eine Seltenheit, auf solch begnadete Songwriter zu stoßen, wie es DZÖ-NGA sind. Die knappe Dreiviertelstunde, die „The Sachem’s Tales“ dauert, ist randvoll gefüllt mit faszinierenden Melodiebögen. Laut und leise, einfühlsam und enthemmt, episch und subtil, all diese Gegensätze greifen hier in perfekter Symbiose ineinander. Hätten DZÖ-NGA die nötigen technischen Mittel, um ihre Ideen angemessen umzusetzen, wäre ihnen schon jetzt ein Meisterwerk gelungen, das seinesgleichen sucht. Hoffentlich können sie diese Einschränkungen irgendwann überwinden, dann kann eigentlich nur etwas Atemberaubendes dabei herauskommen.

Wertung: 7.5 / 10

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2 Kommentare zu “Dzö-nga – The Sachem’s Tales

  1. Ja, die Platte hat mich beim ersten Hören auch ziemlich weggeblasen. Allerdings hat mir der Punch auch nicht wirklich gefehlt – und den ethnisch eher exotischen Flair finde ich weitab von allen potentiellen Cultural Appropriation-Diskussionen auch sehr toll. Freut mich dass sie etwas Beachtung bekommt!

    1. Freut mich sehr, dass das Album schon ein wenig Aufmerksamkeit erregt hat! Ich finde die Produktion auch nicht allzu problematisch und höre die Platte auch jetzt noch gerne, aber wollte es schon auch in die Bewertung einfließen lassen, weil es mit einem besseren Sound einfach noch beeindruckender wäre. Auch mit mehr „echten“ Instrumenten würde das Potential noch mehr ausgenutzt werden (wie im später noch online gehenden, ausführlichen Interview erwähnt, wurden sogar die Akustikgitarren auf dem Keyboard eingespielt – daher der merkwürdige Klang). Natürlich hat das auch einen gewissen Charme, aber wie gesagt, es ginge eben einfach noch überwältigender. Die Kompositionen sind aber wirklich außergewöhnlich, da bin ich ganz deiner Meinung!

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