Review Faidra – Six Voices Inside

  • Label: Northern Silence
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Black Metal

Im Black-Metal-Underground ist es durchaus keine Seltenheit, dass Musiker anonym agieren. Manche tun es, um ihr Schaffen frei von Vorurteilen aufgrund der Person des Künstlers auf den Hörer wirken zu lassen; andere vielleicht, um zu implizieren, dass die Musik größer ist als sie selbst; manche wollen womöglich auch unerkannt bleiben, weil ihnen die Aufmerksamkeit einfach nicht behagt. Welcher Beweggrund den Musiker hinter FAIDRA auch dazu antreibt, sich bedeckt zu halten, er zieht seine Sache jedenfalls konsequent durch: In Schweden ist der Mann zuhause, seit den 90er Jahren war er in mehreren, stilistisch unterschiedlichen Bands tätig und sein vom Black Metal der Second-Wave inspiriertes Soloprojekt FAIDRA hat er im Spätsommer 2019 gegründet – mehr lässt sich über ihn anlässlich der Veröffentlichung seines Debütalbums „Six Voices Inside“ nicht in Erfahrung bringen.

Dass sich der Titel der Platte auf den grauenerregenden Fall der paranoid-psychotischen Epileptikerin Anneliese Michel bezieht, welche Mitte der 70er Jahre an extremer Unterernährung starb, nachdem an ihr aufgrund ihrer vermeintlichen Besessenheit über 60 Exorzismen vorgenommen wurden, verrät vorab bereits so einiges darüber, was einen auf „Six Voices Inside“ erwartet. Ganz dem Credo der alten Schule folgend, spielt FAIDRA harschen, boshaften Black Metal mit entsprechend teuflischer Grundstimmung. Die jeweils um kaum mehr als eine Handvoll simpler, aber machtvoller Riffs herum aufgebauten Songs bewegen sich zwar überwiegend in getragenem Tempo, verströmen aber auch abseits der gelegentlich an passender Stelle heraufbeschworenen, intensiven Crescendos („The Judas Cradle“) eine abgründig-dämonische Aura.

Kultig-obskures Oldschool-Feeling verbreitet FAIDRA hier nicht nur über die giftigen, mitunter regelrecht ausgezehrten Screams („Six Voices Inside“), die monotonen, überraschend eingängigen Mid-Tempo-Riffs („The Depths“) und die finster aus dem Hintergrund hervorlugenden Ambient-Klänge, sondern auch über die kratzbürstige Produktion. Dabei klingt die Platte jedoch keineswegs wie aus der Blechdose, sondern kann sich mit seinem doch recht fülligen, kräftigen Sound auch nach zeitgemäßen Maßstäben noch hören lassen.

Mit stimmigen Einwürfen wie den melancholischen Clean-Gitarren zu Beginn von „Tomb Of Giants“ und der stark verzerrten, mit stimmungsvollem Piano und Keyboards unterlegten Spoken-Word-Passage auf „Obsequies“ verleiht FAIDRA den Songs noch zusätzlichen Wiedererkennungswert. Der namenlose Musiker tappt hier somit glücklicherweise nicht in die schon vielen Retro-Black-Metal-Bands zum Verhängnis gewordene Falle der belanglosen Selbstwiederholung, sondern wartet auf dem Album auch ohne große Innovationen mit genug hörenswerten Inhalten auf, um es relevant zu machen.

Wer den Black Metal der 90er Jahre bereits in- und auswendig kennt, wird auf „Six Voices Inside“ auch nichts Neues mehr dazulernen. Mit seinem handfesten Songwriting und seiner ziemlich gekonnt zwischen borstigem Lo-Fi-Rauschen und kraftvollem Klangvolumen ausbalancierten Produktion weiß das Album jedoch weitaus mehr zu gefallen als ein Gros stilistisch vergleichbarer Projekte, die sich in ihrem retrograden Treiben vielfach nicht so geschickt anstellen wie FAIDRA. All jenen, die es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Burzum einen Platz in ihrer Musiksammlung zu gewähren, bekommen hiermit eine durchaus nicht zu verachtende, stilistisch vergleichbare Alternative geboten – zumindest, solange sich nicht herausstellt, dass der Mann hinter FAIDRA die verqueren politischen Ansichten seines musikalischen Vorbildes teilt.

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Wertung: 7.5 / 10

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