Review Fleshgod Apocalypse – King

Um Zugang zu dem hochkomplexen Klanguniversum von FLESHGOD APOCALYPSE erhalten zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen, die der Hörer mitbringen sollte, um nicht von den schier völlig überladenen Tracks überrumpelt zu werden. Denn dass die Italiener genau das beherrschen, bewiesen sie ebenso mit dem letzten Output „Labyrinth“ (2013) als auch mit ihrem Debüt „Oracles“ (2009). Während es bei ihren griechischen Kollegen von Septicflesh ausreichend ist, eine Vorliebe für Schnelligkeit und Melodik gepaart mit symphonischen Elementen zu besitzen, fordern FLESHGOD APOCALYPSE zusätzlich noch ein hohes Maß an Tech-Death-Toleranz ein; eine Forderung, die der Hörer auch auf ihrem neuen, vierten Album „King“ nachkommen sollte.

Besonders mit ihrer zweiten Platte „Agony“ (2011) schufen die Symphonic-Tech-Deather laut Fangemeinde ein Überalbum, dessen Erstklassigkeit vom Nachfolger „Labyrinth“ nur bedingt fortgeführt werden konnte. Beim aktuellen „King“ werden sich die Geister womöglich ebenso wieder in zwei Lager scheiden: Das Eine wird den Standpunkt vertreten, dass FLESHGOD APOCALYPSE mit „Agony“ ihr bis dato bestes Werk ablieferten, hingegen das andere Lager von einer konsequenten Fortführung des hohen wie gutem Niveau der Italiener sprechen wird. Dass es das noch immer ist, steht außer Frage, tatsächlich aber sollte der geneigte Fan seine Erwartungshaltung an ein zweites „Agony“ herunterschrauben.

Mit einem Track wie „Healing Through War“ zeigen FLESHGOD APOCALYPSE, weswegen sie aber noch immer die Macht darstellen, als welche die Band verdient bezeichnet wird: Bombastische Klänge, die durch messerscharfe Riffs durchdrungen und von getriggerten Doublebass begleitet werden, getragen von einem hervorragend arrangierten symphonische Hintergrund. Mit „Cold As Perfection“ hingegen gießt das Quintett Wasser auf die Mühlen jener Kritiker, die FLESHGOD APOCALYPSE unterstellen, seit „Labyrinth“ an Dynamik zu verlieren. Ein ähnliches Resultat trifft auch auf „Gravity“ zu, welches nach dem starken „And The Vulture Beholds“ schlichtweg untergeht. Was als tragend inszeniert wurde, wirkt eher langatmig; ein Fazit, welches auf „Syphilis“ ebenso zutrifft. Dieser Song bietet mit seinem Aufbau einen Spannungsbogen, den FLESHGOD APOCALYPSE überraschenderweise nicht zu nutzen wissen, sodass das Pulver dieses Liedes verpufft anstatt zündet.

Mit „King“ legen die Italiener ein äußerst diskutables Album vor. Neben Trademark-Tracks wie „In Aeternum“, „The Fool“ und „A Million Deaths“ wartet diese Platte auch mit verhältnismäßig eher schwachen Nummer auf, die das furiose Wechselspiel von Motiven, Rhythmen und Melodien vermissen lassen und deswegen zum Aufhorchen animieren. Man erwartet diesen Clou, den fulminanten Plot Twist eines Liedes, wie man ihn schon so oft und so gut von dieser Band geboten bekam, stattdessen überraschen FLESHGOD APOCALYPSE damit, dass sie tatsächlich für ihre Verhältnisse mittelmäßige Songs schreiben können. Zur Garde des extremen Symphonic Metals gehörend, müssen FLESHGOD APOCALYPSE wesentlich mehr liefern als das gebotene Material auf „King“, um sich gegen Bands wie Carach Angren oder Septicflesh behaupten zu können.

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Wertung: 7 / 10

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7 Kommentare zu “Fleshgod Apocalypse – King

  1. Jepp, Isolfur. Da bringst du einen wichtigen Punkt an, der mich ebenso anstinkt: Manche Bands müssen nur mit ihrem großen Namen brillieren, um ne gute Bewertung zu bekommen, oder aber Mittelmäßigkeit reicht aus, um ne super Benotung abzustauben. Ich les ab und an auch andere Bewertungen von anderen Seiten und stell fest: Mensch, der Bewertungsmaßstab ist alles andere als transparent. Guter Ansporn für mich, genau so nicht zu benoten. ;)

    Ein 10/10 ist ein absolutes Überalbum, welches kompositorisch wie emotional soviel zu bieten hat, dass ich auch nach Jahren des Hörens immer wieder begeistert und fasziniert bin, Gänsehaut bekomme und von der ersten bis zur letzten Minute aus dem Staunen nicht mehr herauskomme – selbst wenn ich das Album schon zum 312x höre. Überraschung, ich vergab eine solche Punktzahl noch nicht… :) Aber, ein Album, welches verdächtig nahe in diese Liga rückt, ist Vilosophe von Manes. Dicht gefolgt von Emperor mit Prometheus: The Discipline Of Fire And Demise. Du siehst, es ist im Bereich des Möglichen, dass ich mal 10 von 10 Punkten vergeben könnte. :)

  2. Hallo nochmal!
    Erstmal danke Sarah, dass du so auf die Kommentare eingehst!
    Generell sind solche Punktewertungen immer schwierig, vorallem was den Maßstab und wie du schon sagtst die Subjektivität angeht. 7/10 erscheint mir insofern zu wenig, dass auf anderen Reviewseiten die 8/10 direkt für irgendein Allerweltsalbum als Standardwertung gezückt wird, weils ja „doch ganz ok“ ist.. eine Sache die mich sowieso dauerhaft aufregt.

    Für die Wertung ist natürlich wichtig was der Rezensent/in im vorhinein erwartet hat, und das ist wohl auch hier mal wieder der Knackpunkt, wie bei so ziemlich allen subjektiven Wertungen. Wenn man als TechDeather an die Sache rangeht – wo Fleshgod mit „Oracles“ ohne Frage herkommen, kann man das Album getrost als ein ein bisschen unterwätigend ansehen. Ich, der ich eher aus der Melodic Death Ecke komme, konnte das Album sondergleichen genießen, vorallem weil ich ein Faible für Soundtracks, „Epic Metal“ und Konzeptalben habe und in ein paar Songs auch auf das Blastbeatgewitter verzichten kann (außerdem war ich nur ein kleines bisschen gehyped ;) ).

    PS: Die Review zu This is no Fairytale habe ich damals natürlich gelesen als das Album rauskam und du hast ohne Frage Recht, dass Carach Angren auf der Platte technisch richtig ordentlich unterwegs sind. Der Vergleich zwischen den beiden Bands, die „Extreme Metal“ mit Orchester in dieser symbiotischen Form paaren, ist naheliegend und sehr interessant, wenngleich auch schwierig, weil die beiden Bands irgendwie doch ihren unverkennbar eigenen Mix/Stil spielen. (Wenn FA und CA mal zusammen durch Europa touren würden… >:>)

    PPS: Wenn 9/10 „Meisterwerk“ ist, was ist dann 10/10? :P reine Neugierde^^

  3. Heyho!
    Aus deinen Zeilen lese ich vor allem eines heraus: Du scheinst gerne die ein oder andere Rezension von mir zu lesen – das freut mich zu lesen, dass sich jemand für meinen Senf interessiert! :)

    Dieser erwähnte Unterschied zwischen „das berührt mich emotional“ und „das berührt mich in technischer Hinsicht“ ist genau der Knackpunkt bei dieser Platte. Obscura haben, da sind wir uns einig, einzig dieses technisch versierte Spiel – aber das unsagbar gut. Von einer Obscura-Scheibe erwarte ich genau das, diese verfrickelten Gitarren und das messerscharfe Drumming (um es kurz herunterzubrechen). Das haben die Jungs geliefert, auf äußert hohem Niveau.

    Von Fleshgod Apocalypse hingegen erhoffte ich mir nicht nur eine starke technische Schlagseite, sondern auch ein dominantes mitreißendes Element… Letzteres hat „King“ für mich jedoch nur begrenzt. Und die technische Schlagseite fällt vergleichsweise sanfter als erhofft aus, besonders die schleppenden Songs bringen einfach zuviel Langatmigkeit mit ins Spiel. Fleshgod Apocalypse haben mich also sowohl technisch als auch emotional weniger berührt als vermutet, obgleich „King“ dennoch ein gutes Album darstellt. Deswegen die 7 Punkte (für das gute Album), aber somit 2 Punkte weniger als bei Obscura (eben weil diese meine Erwartungshaltung erfüllen konnten, hingegen das Fleshgod Apocalypse auf zwei Ebenen nicht gelang).

    Im Endeffekt geht es mir mit dieser Platte so wie mit der aktuellen von Anaal Nathrakh: Mehr erhofft als tatsächlich bekommen. Das sind die Tücken von Erwartungshaltung und Subjektivität, aber hey, ich finde es super, dass du mich an deiner Meinung teilhaben lässt!

  4. Hi Sarah,

    danke für deine Reminiszenz.
    Ich lasse mal offen, ob ich mit der Einordnung in die jeweiligen Subgenres etwas anfangen kann, nicht nur weil sie sich von Reviewer zu Reviewer und Webzine zu Webzine unterscheiden. Kollege Isolfur nennt es sinnigerweise brutale Oper, du nennst es Tech Death. Gehe ich in mich kann ich mit ersterem Begriff mehr anfangen als mit Tech Death, bei dem ich jetzt wiederum in allen möglichen Schubladen wühle und vergleiche mit anderen Bands anstelle.
    Gerade Obscura habe ich in den letzten Tagen ebenfalls häufiger gehört und ich sehe nicht wo die 2 Punkte Unterschied herkommen sollen. Sicher, alles subjektiv, aber im Sinne der Einordnung in die Genres beurteilst du meiner Meinung im Verhältnis zu deinen sonstigen Reviews die Scheibe 1 Punkt schlechter als in anderen Fällen.
    Ebenso subjektiv, „King“ erreicht mich auch auf der emotionalen Ebene, „Akroasis“ hauptsächlich nur in technischer Hinsicht.
    Und ob Carach Angren jetzt mit der „Fairytale“ ebenfalls in die Schublade gehört würde ich erst beurteilen wollen wenn neues Material von Dimmu Borgir da ist :-)

  5. Hey ihr Zwei,
    vielen Dank für euren Input!

    Zu Beginn möchte ich euch zustimmen: Natürlich haben Fleshgod Apocalypse hiermit kein langweiliges oder sonst wie schnödes Album vorgestellt, sondern ein kompositorisch wohl durchdachtes, ein gutes Album. 7 von 10 Punkten entspricht genau dieser Bewertung. 9 Punkte hingegen stehen ausschließlich einem Meisterwerk zu, welches „King“ meiner Meinung nach aber nicht ist, gemessen an ihrer 2011er Form sowie den auf „King“ offerierten, aber stellenweise zu dürftig umgesetzen Ideen (Stichwort „Gravity“ mit seinem schleppenden Grundtenor oder „Syphilis“, dessen episches Element schlichtweg nicht genutzt wird).

    „[…] eine brutale Oper über menschliche Abgründe am Königshof“ ist eine sehr treffende Umschreibung des Albums, wenngleich sie lediglich auf die textliche Grundlage von „King“ anspielt und für mich, als Musikkritiker, kein ins Gewicht fallender Indikator zur Bewertung der musikalischen Leistung von Fleshgod Apocalypse darstellen kann. Gleiches gilt für „feine[…] Technik und beeindruckende[s] Soundgewand“, denn das sind beides Merkmale des Genres, quasi die Basis des Tech-Death, siehe an den aktuellen LP’s von Aborted, Beyond Creation oder Obscura.

    Mich freut es aber zu lesen, dass euch „King“ vom Hocker reißt, denn das ist schließlich jedes Musikers bester Lohn! :)

    PS: Isolfur, den von mir gewählten Vergleich mit Carach Angren setzte ich auch deswegen bewusst, weil meiner Meinung nach keine klare Eingrenzung mehr bei der Band möglich ist – klar, die Wurzeln liegen mit einem „Lammendam“ ohne Frage im Black Metal, aber ist „This Is No Fairytale“ nicht mehr Tech als Black? Bei Interesse lies einfach mal in meine Review herein. :)

  6. Stimme zu. 9 Punkte mindestens für dieses Meisterwerk.
    Kompositorische Extraklasse gepaart mit feiner Technik und beeindruckenden Soundgewand.

  7. 7/10 ist meiner Meinung nach eindeutig zu wenig für ein solches Monsteralbum. Ich höre die Platte seit Tagen rauf und runter und sie wird wirklich nicht langweilig. Nie war die italienische Mischung aus Brutalität, Technik und Orchester so gut abgestimmt wie auf „King“, was in einer enormen Epik und Energie jedes einzelnen Stücks resultiert und die Platte zu der reifesten der Band bisher macht. FA trauen sich auch mal langsamere und schleppende Sachen zu inszenieren, namentlich Gravity, Cold As Perfection und Syphilis, die aber wie ich finde alle ihren musikalischen und textlichen Clou haben, wobei Gravity durchaus als das eindimensionalste Stück erscheint, sich aber trotzdem perfekt in das Gesamtkonzept einfügt. Positiv überrascht hat mich außerdem die Goethe-Einlage in Paramour!
    Insesamt für mich ein herausragendes Album, ja schon fast eine brutale Oper über menschliche Abgründe am Königshof.
    Ich würde locker 9/10 geben.

    PS: Fleshgod und Carach Angren sind musikalisch meiner Meinung nach so ziemlich auf perfekter Augenhöhe, auch wenn die einen im Black und die anderen im Tech Death zuhause sind ;)

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