Review Hekate – Die Welt der dunklen Gärten

HEKATE haben sich in meiner Wahrnehmung jahrelang vor allem dadurch ausgezeichnet, nicht wahrgenommen zu werden. Klar, da gab es mal diesen Beitrag zum „Legend and Lore“-Sampler, aber nachhaltig hatte sich da nichts eingeprägt. Ansonsten findet sich der Name eben seit Urzeiten in der Liste der Auerbach-Bands, die sich aber alle nicht durch überschäumende Aktivität auszeichnen. Dem Release von „Die Welt der dunklen Gärten“, als Neofolk-Scheibe beworben, stehe ich also erstmal gleichgültig gegenüber, zeichnet sich doch auch dieses Genre nicht per Definition durch riesige Abwechslung aus. Hinzu kommt, dass es vor ein bis zwei Jahren zwar wohl noch Frevel gewesen wäre, einem Prophecy-Release nicht mit Spannung entgegenzusehen, wurde man hier doch quasi von jedem Release positiv überrascht – inzwischen erschienen mit „Écailles De Lune“, „Flammentriebe“ oder „Sól“ aber Alben, die für mich eher gute Folgewerke als in sich unersetzbar waren. Die Erwartungen sanken also erstmal ab. Bis jetzt.

Denn „Die Welt der dunklen Gärten“ ist wieder anders. Und das gleich vorneweg: Ich kenne mich zwar mit dem Neofolk-Sektor nicht im Detail aus, aber das, was man als Außenstehender vielleicht an dieser Musik ablehnt, existiert hier nicht. Überhaupt ist das mal wieder ein Album, welches durch Genre-Bezeichnungen übel limitiert wird. Doch eins nach dem andern.
Bemerkenswert an dieser Scheibe ist erstmal, dass mit Französisch, Deutsch und Englisch drei Sprachen verarbeitet werden, was schon von vorneherein ein gewisses Maß an Abwechslung nahelegt. Verwendet werden diese in einer Melange aus Sounds, die befremdlicherweise dennoch stimmig funktioniert: Dominiert eine entrückte Grundstimmung die Songs, die entfernt mit Alcests „Souvenirs D’un Autre Monde“ vergleichbar ist, wird dieses in sich relativ statische Prinzip mit verschiedensten Einflüssen zwischen mittelalterlichen Drehleier-Melodien („Die dunkle Wolke“), treibenden Akustikgitarren („Byronic Hero“) und Klavierpassagen erweitert, die oft beinahe perkussiven Charakter haben („In My Garden“). Auch abgesehen davon bleibt festzuhalten, dass die rhythmische Begleitung und Gestaltung der Songs einen der Hauptreize dieser Platte ausmacht, gibt es doch in quasi jedem Song geschäftige perkussive Patterns, denen es zu lauschen gilt.
Das Zusammenspiel dieses oft orientalisch wirkenden Elements mit den Sängern macht den Hauptgrund für die Faszination von „Die Welt der dunklen Gärten“ aus: Schafft Susanne Grosche in „Jardin d‘ Anaïs“ mit französischem Gesang poppige Stimmung, pendelt „Seelenreise“ mit deutschen Vocals auf kaum zu erklärende Weise zwischen verlorener, introvertierter Stimmung und friedvollen Flöten(?)melodien. Vollkommen skurril wird es in „In My Garden“, einerseits durch die leicht industriell anmutende Percussion, vor allem aber durch den Gesang von Axel Menz, dessen Stimmfarbe in Kombination mit seinem seltsam intonierten Englisch und dem traumwandlerischen Text eine vollkommen fremdartige Atmosphäre kreiert. Überhaupt lebt das Album davon, einen unglaublichen Reichtum an Einflüssen stimmig in 68 Minuten Spielzeit zu packen und den Hörer dabei nur selten beispielsweise auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass „Idilia Dubb“, warum auch immer, auf die deutsche Mittelalter Folk-Vertonung einer Koblenzer Legende einen beschwingten englischen Refrain folgen lässt. Oberflächlich betrachtet sollte es keinen Sinn ergeben, beim Hören selbst wirkt aber nichts plausibler, als ebendiese Elemente zusammenzumischen.

„Die Welt der dunklen Gärten“ kommt tatsächlich einer Art „Seelenreise“ gleich, in der mystischen, geisterhaften Grundatmosphäre bewegt man sich quer durch verschiedenste musikalische Szenerien, von welchen man sich weder losreißen kann noch will. HEKATE klingen gleichermaßen exotisch wie vertraut, ebenso fremdartig wie wohlbekannt. Viele andere Künstler können nur davon träumen ein derartig interessantes, perfekt instrumentiertes Album zu schaffen, dass weder an Stimmung und Spannungsbögen vermissen lässt, was die komplette Spielzeit angeht, noch Schwächen bezüglich der Qualität der Einzelsongs zeigt. Hier wird ein ganzer Haufen an Bands, der sich Atmosphäre auf die Banner geschrieben hat, mal eben in den Schatten gestellt, alles nur laue Lüftchen im Vergleich zu „Die Welt der dunklen Gärten“. Prophecy sind ihrem Ruf wieder mehr als gerecht geworden.

Wertung: 10 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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