Stilübergreifend (Melodic Death / Modern Metal) Es ist amüsant zu sehen, wie sehr sich Metalheads über eine Band aufregen können – weil sie offensichtlich zu viel Zeit oder Langeweile haben. Mittlerweile sollte jedem, der sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt, klar sein, dass sich IN FLAMES einem radikalen Stilwandel unterzogen haben. Im Grunde ist die Sache einfach: Wer sie nun nicht mehr mag, braucht sie nicht zu hören. Gezwungen wird keiner und zurückrudern werden die Schweden sicher nicht mehr. Deswegen: IN FLAMES sind tot. Zumindest die, die man noch für ihren kantigen Melodic Death Metal kannte. Die anderen IN FLAMES, die Alben wie „Come Clarity“ (da war endgültig klar, dass ein starker Wandel erfolgen würde) und „A Sense Of Purpose“ (Hallo, Wandel!) zustande brachten, sind lebendiger denn je. Mit dem brandneuen Langspieler „Sounds Of A Playground Fading“ haben sich die Schweden von Nuclear Blast Records verabschiedet und – vorerst – einen Ein-Album-Deal mit Century Media Records abgeschlossen.
Aber auch innerhalb der Band hat sich einiges getan: Gitarrist Jesper Strömblad hat die Segel endgültig gestrichen, um seine Alkoholsucht therapieren zu lassen. An seiner Statt ist nun Gitarrist Björn Gelotte zum Hauptsongschreiber aufgestiegen und hat das Material fürs neue Album nahezu komplett in Eigenregie geschrieben, während Live-Gitarrist Niklas Engelin endlich eine Festanstellung bekommen hat.
Der Titelsong „Sounds Of A Playground Fading“ wurde direkt am Anfang platziert, erwartet den Hörer mit halbakustischen Gitarren und einer satten Portion Melancholie, wie man sie von IN FLAMES zuletzt schon gewohnt war. Wenige Sekunden später setzen die ersten Riffs im typischen Modern Metal-Sound, dem neuen Markenzeichen der Band, ein und gehen wieder auf direktem Wege ins Ohr. Besonders das Schlagzeug wirkt auf Album Nummer zehn verdammt kräftig, macht mit der Gitarrenfraktion immer wieder ordentlich Druck („Fear Is The Weakness“). Ruhiger, beinahe schon versöhnlich, geht es auf „Deliver Us“ zu, während „Where The Dead Ships Dwell“ wieder mit einem hymnenhaften Ohrwurmrefrain überzeugt. Dass Frontmann Anders Fridén keinen Sekundenbruchteil mehr mit Growling zubringt, ist ja bereits seit „A Sense Of Purpose“ bekannt, an die vielfach gedoppelten Gesangsspuren – damit überhaupt ein wenig Druck dahinter ist – sollte man sich gewöhnt haben. Das hat an sich vielleicht weniger mit Metal zu tun, aber Scheisse: Es funktioniert einfach! Erst wenn Fridén Halbballaden wie „The Attic“ intonieren will, geht das voll in die Hose – hätte man sich schenken können. Mehr als ein schwaches Flüstern und Krächzen bekommt der Mann leider nicht mehr hervor.
Mit seinen Streichern aus der Dose und den dezenten Synthi-Beats im Hintergrund erzeugt „Ropes“ ein sehr dichtes Klangbild mit einigen Stimmungs- und Rhythmuswechseln, leitet den härteren „Enter Tragedy“ würdig ein. Die Wehleidigkeit von „A Sense Of Purpose“ ist bei „Sounds Of A Playground Fading“ einer angemessenen Portion Melancholie gewichen, die bei „A New Dawn“ in einem Trauerspiel der positiven Art ihren womöglich größten Kontrast findet.
Ein Großteil der immensen Dynamik der neuen Scheibe wird aus den unterschiedlichen Ausrichtungen und Stimmungen der einzelnen Songs gezogen. IN FLAMES wuchten ihren Modern Metal mit Melo Death-Touch überzeugender denn je aus der Anlage. Und obwohl sich mit „The Attic“ ein astreiner Lückenfüller eingeschlichen hat, können die restlichen 12 Tracks doch begeistern – so denn man mit dem Kapitel der alten IN FLAMES abgeschlossen hat und bereit ist, sich den neuen zu öffnen. Großartige, griffige Melodien und tolle Leads treffen auf Melancholie und werden von einem letztendlich positiven Unterton getragen, der etwas von einer freudigen Aufbruchsstimmung hat. Höchstes Ohrwurmrisiko!