Review Judas Hengst – Death Tapes

Einen ausgesprochen merkwürdigen Bandnamen hat sich die Post-Hardcore-Band JUDAS HENGST ausgesucht – da ist der Albumname schon wesentlich greifbarer: „Death Tapes“ heißt das Debüt der vier Bremer und verspricht eine hörenswerte Melange aus Post-Rock, Hardcore und Sludge – alles aktuell recht angesagte Musikrichtungen, in denen tagtäglich neue Platten veröffentlicht werden. So stellt sich die Frage, ob JUDAS HENGST aus der Masse herausstechen können – oder zusammen mit anderen Genrebelanglosigkeiten untergehen werden.

Die ersten Minuten auf „Death Tapes“ wirken vertraut: Sich langsam steigernde, gepickte Gitarrenmelodiebögen mit viel Delay – das kennt man auch von Bands wie Mogwai oder Wang Wen und bietet somit dem geneigten Post-Rock-Fan auf den ersten Blick wenig Spannendes. Allerdings handelt es sich bei „Death Tapes“ nur um ein kurzes Intro und beim ersten „richtigen“ Titel „The Beginning“ sieht die Sache schon anders aus, zeigt der Song doch nahezu die komplette stilistische Bandbreite auf dem JUDAS-HENGST-Debüt auf – und macht Lust auf mehr: Fette, im Chorus beinahe doomige Gitarrenwände, coole Bassläufe und hardcore-typisch geshoutete Vocals von verschiedenen Bandmitgliedern geben sich die Klinke in die Hand. Letztere eher dezent in den Hintergrund gemischt, was aber als Teil des Produktionskonzepts eher positiv zu bewerten ist – Bands wie Isis haben es erfolgreich vorgemacht. Die Hardcorepassagen werden dabei immer wieder von atmosphärischen Songabschnitten unterbrochen und regelmäßig mit elektronischen Spielereien garniert.

Die Grundzutaten sind also klar definiert, trotzdem haben JUDAS HENGST im Verlauf der knapp unter 45 Minuten Albumlänge noch die ein oder andere Überraschung parat: So kommt das Riff von „Right Place To Kill“ im ersten Moment fast Rammstein-artig daher und verbreitet in Verbindung mit dem stampfenden Rhythmus in der Strophe fast so etwas wie Oldschool-Industrial-Metal-Attitüde. Produktionstechnisch können die Bremer allerdings nicht mit dem Industrial-Flagschiff aus Berlin konkurrieren: Die Mischung ist zwar im Großen und Ganzen recht ausgewogen, tönt aber gerade in den harten Passagen ein ganz klein wenig flach und mumpfig, während die Becken eine blecherne Tendenz aufweisen – da wäre in Anbetracht der heutigen technischen Möglichkeiten sicherlich ein bisschen mehr drin gewesen. Aber das dynamische Verhältnis zwischen leisen und lauten Abschnitten passt zumindest und dass „Death Tapes“ insgesamt rougher als beispielsweise eine Converge-Platte klingt, hat auch was für sich.

Positiv zu erwähnen ist sicherlich auch das Händchen für organische Arrangements, welches JUDAS HENGST auf „Death Tapes“ unter Beweis stellen. Tracks wie besagter Opener, „Leave“ oder „Fragments“ bieten eine tolle und ausgewogene Mischung aus Härte, Atmosphäre und melodischen Momenten und kommen dabei in keiner Minute erzwungen oder gewollt rüber. Ob die ersten Takte von „The Innocence Of Youth“ eine versteckte Hommage an den Jim-Martin-Remix des Die-Krupps-Songs „Crossfire“ sind, bleibt unbeantwortet.

JUDAS HENGST haben auf ihrem ersten Album nicht unbedingt das Rad neu erfunden, aber ein Album geschrieben, das bekannte Elemente aus Hardcore, Stoner-Irgendwas, ein bisschen Sludge und Doom und eben Post-Rock gekonnt zu einem hervorragend funktionierendem und durchaus eigenständigen Ganzen zusammengefügt hat und in keiner Sekunde langweilt oder nervt. Musikalisch und soundästhetisch schon definitiv anders als Bands wie Converge oder Rise And Fall, wird beim Zuhören aber sicherlich ein ähnlicher Nerv angetriggert – mit dem Resultat, dass man sich „Death Tapes“ problemlos neben Alben wie „The Dusk In Us“ oder „Our Circle Is Vicious“ ins Regal stellen kann.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert