Review Leech – If We Get There One Day, Would You Please Open The Gates?

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2012
  • Spielart: Rock

LEECH haben 2008 mit „The Stolen View“ meiner Meinung nach einen absoluten Meilenstein instrumentalen Rocks geschaffen. Obwohl es das erste Werk der Schweizer war, das in diesem Stil gehalten war, gibt es bis heute kaum Alben, die gleichermaßen derart vielfältig und doch stringent, verspielt und doch monolithisch, dramatisch und doch entspannt waren. Eine Scheibe, die keine Ziele zu verfolgen schien, sondern sich schlicht und ergreifend damit beschäftigte, Musik um ihrer selbst willen zu zelebrieren. Nun steht der Nachfolger in den Läden, und die Erwartungen sind dementsprechend hoch.

Schon die ersten Minuten machen klar, dass man von dem einmal gefundenen Rezept nicht abweicht. Glücklicherweise. Wieder dominieren ausladende Soundlandschaften die Songs, in deren verträumten Charakter das Kopfkino sich automatisch einschaltet. Abehobene, in sich ruhende Melodien, die oft minutenlang wiederholt und variiert werden, ohne, dass dem Hörer im Ansatz einfiele, die Songverläufe als monoton einzustufen. Hier klingt nichts abgenutzt, wie es im benachbarten (aber eben auch nur benachbarten) Post-Rock-Sektor doch allzu häufig der Fall ist. Der Sound entwickelt sich, festgelegte Strukturen oder gar einzelne musikalische Blöcke sucht man hier vergebens. Dennoch – oder gerade deshalb – klingt alles unerhört plausibel, nie kommt man auf die Idee, irgendein Element als unpassend zu empfinden, dafür sind die Übergänge viel zu fließend und selbstverständlich. Im Vergleich zu „The Stolen View“ räumen LEECH den einzelnen Instrumenten mehr Solospots ein, es kommt durchaus vor, dass die Band nicht als Gesamtheit agiert, sondern auch mal eine Gitarre oder ein Synthesizer aus dem Sound ausbricht. Vielleicht liegt es auch daran, dass „If We Get There One Day, Would You Please Open The Gates?“ noch facettenreicher und mit Songs mit stärkerer Individualität daherkommt, wo der Vorgänger sich doch sehr in seiner Gesamtheit verstanden wissen wollte.
Vor allem aber scheint die Musik LEECHs abermals nicht von dieser Welt zu sein – die natürliche Erhabenheit, die jede Sekunde des Albums ausstrahlt, klingt grundlegend anders, als die oft mühsam erzeugt wirkende Majestät anderer Alben. Ein in sich schlüssigeres Gesamtprodukt bleibt, bei allem Respekt vor und bei aller Liebe zu anderen Gruppierungen, für mich unauffindbar. Hinweise werden gerne entgegengenommen.

Mal wieder ist eine Seite Rezension gefüllt, ohne die Musik einer Band genau definiert zu haben. Im Falle von LEECH allerdings vollkommen vertretbar, ist der Sound doch nichts, was sich auf Phrasen reduzieren ließe. Für Post Rock ist das hier zu ungezwungen, für Progressive Rock fehlen die erdachten Strukturen, von anderen Musikrichtungen mag man hier gar nicht erst zu reden anfangen, würden sie doch falsche Assoziationen wecken. Ein Album, das man hören muss, um die Begeisterung dafür nachvollziehen zu können, ein Sound, in den man sich fallen lassen muss, um seine Tragweite zu erkennen. Das noch einigermaßen junge 2012 hat seinen wichtigsten Pflichtkauf bereits hervorgebracht.

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Marius Mutz

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