Review Lorna Shore – …And I Return To Nothingness (EP)

Die Jungs von LORNA SHORE konnten einem zu Beginn des letzten Jahres nur Leid tun. Kurz vor Release ihrer aktuellen Platte „Immortal“ mussten sie ihren kurzzeitigen Frontmann CJ McCreery aufgrund mehrerer Vorwürfe sexuellen Missbrauchs aus der Band werfen. Nur kurze Zeit später wurde ihre Europa-Tour mit Größen wie Decapitated und Beyond Creation aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen. Schon für die wenigen Shows als Sänger am Start, jedoch noch nicht offiziell als neues Mitglied bestätigt: Will Ramos, seinerseits Ex-Sänger der Deathcore-Truppe A Wake In Providence.

Doch so leicht lassen sich die Mannen um Mastermind Adam De Micco nicht klein kriegen: Allen Widrigkeiten zum Trotz steht gute anderthalb Jahre später in Form der EP „…And I Return To Nothingness“ der nächste Release in den Plattenläden – diesmal mit Will Ramos, dem dritten Sänger bei der dritten Veröffentlichung in Folge, als festem Bestandteil LORNA SHOREs.

Trotz der geringen Anzahl an Tracks, drei an der Zahl, kommen LORNA SHORE auf ihrem neuesten Werk auf beachtliche 18 Minuten Spielzeit. Und wer die Truppe in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß auch, was in dieser guten Viertelstunde vorzufinden ist: Brachiale Riffs, symphonische Melodien, phantastische Gitarrenarbeit und knochenbrechende Breakdowns – nur legt das Quartett auf „…And I Return To Nothingness“ bei allem nochmal eine Schippe drauf.

Doch nicht nur, dass LORNA SHORE in vielen Belangen noch extremer werden – gleichzeitig verspürt man einen wahrhaftigen Reifeprozess im Songwriting: War auf „Immortal“ noch die größte Kritik, dass die möglichst brutalen und oft überspitzten Breakdowns den Fluss der Songs stören und diese ihrer freien Entfaltung berauben, gehen die teilweise absurden und aberwitzigen Breaks nun famos einher mit der düsteren schwarzmetallischen Grundstimmung LORNA SHOREs.

Mit dem Opener „To The Hellfire“ fahren die Amerikaner sogleich alle vorhandenen Geschütze auf: Nach kurzem Akustik-Intro setzen erst eine verzerrte Melodie, dann Ramos‘ Black-Metal-Schreie ein, bevor der Track in einem wahrlichen Riffgewitter mündet und der neue Frontmann seine gesamte Bandbreite von derben Growls bis zu den erwähnten schwarzmetallischen Screams darbieten darf. Beeindruckend ist dabei vor allem, dass man einerseits die Lyrics überraschend gut verstehen kann und im Refrain mit der Beschwörung des muslimischen Todesengels Azrael sogar eine wahrhaftige Ohrwurm-Hookline vor den Latz geknallt bekommt. LORNA SHORE wären jedoch nicht sie selbst, wenn sie es dabei belassen würden: So darf erst De Micco mit dem ersten dramatischen Solo der EP glänzen, während im Anschluss das Wort Breakdown eine neue Referenz versehen bekommt: Nicht nur klingt Ramos, als hätte man den nach frischem Fisch lechzenden Gollum durch den Fleischwolf gedreht, sondern auch die Instrumentalfraktion – allen voran Drummer Austin Archey – beendet den Opener auf einer vor Brutalität strotzender Note.

Wer nach dieser ausführlichen Beschreibung der Lead-Single denkt, das Beste wäre gleich zu Beginn geschehen, der irrt jedoch: Denn mit „Of The Abyss“ und dem Titeltrack „…And I Return To Nothingness“ gelingt es LORNA SHORE, nochmal eine Schippe drauf zu legen. Dabei geht das Quartett mit etwas mehr Fingerspitzengefühl und weniger mit dem Vorschlaghammer zu Werke, ohne dabei an Brutalität einzubüßen. So liegt der Fokus bei beiden Titeln vermehrt auf den orchestralen Elementen, die sich als tonangebende Melodien in den double-bass- und riff-lastigen Sound eingliedern. Mal mit der Unterstützung von Chören („Of The Abyss“), mal als die Grundtonart verändernder Klimax im letzten Refrain („…And I Return To Nothingness“). Die gehörige Portion Breakdowns und Soli fehlt für Deathcore-Jünger dennoch nicht.

Entgegen aller zu Beginn angesprochener Nackenschläge zeigen sich LORNA SHORE auf ihrer neuesten EP in Topform und liefern drei der besten Tracks ihrer bisherigen Karriere ab. So war auch der Wechsel von McCreery zu Ramos letztlich ein Glücksfall, ist dieser sogar noch vielseitiger und setzt neben schierer Brutalität in den richtigen Momenten auch auf packende Emotionen. Gelingt es der Truppe, dieses Niveau auch auf Albumlänge konsequent durchzuziehen, so können sie die Größten ihrer Zunft werden – wenn sie dies in der Nische des Blackened Deathcores nicht jetzt bereits schon sind.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Keine Wertung

Publiziert am von Silas Dietrich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert