Review Ministry – Adios… Puta Madres (Live)

Dass sich MINISTRY vor einiger Zeit aufgelöst haben, dürfte mittlerweile niemandem mehr entgangen sein, wurde dies doch hinreichend mit letzten Alben, Abschiedstourneen und nachgereichten Coveralben zelebriert.
Auf der anderen Seite könnte man wohl niemanden Lügen schelten, der behauptet, die Herren um Mastermind und Workoholic Al Jourgensen wären noch aktiv – reißt der Veröffentlichungsstrom aus dem Hause MINISTRY doch nicht ab – man könnte dabei fast über die Frage ins Philosophieren kommen, ob eine Band als aufgelöst betrachtet werden kann, solange noch an neuen Releases geschraubt wird.
Nun kommt jedenfalls mit „Adios… Puta Madres“ erneut der (vorerst?) allerletzte Release der Truppe ins Wohnzimmer, genauer gesagt in den DVD-Player des geneigten Fans – begleitet vom Release der entsprechenden Live-CD.

Nun, was soll man von dem finalen Doppeloutput einer Legende wie MINISTRY, die auf eine fast 30-Jährige Geschichte zurückblicken kann, in dieser Zeit 13 Studioalben, 3 Live-Alben, 2 DVDs und unzählige EPs veröffentlicht hat, erwarten?
Ein Dokument für die Ewigkeit, ein zeitloses Erinnerungsstück an die größte Band des Genres.
Gelungen ist dies, soviel vorweg, leider nicht ganz. Die Aufteilung erfolgte dabei ganz klassisch: Die erste DVD beinhaltet dabei den Live-Part, die zweite eine Band-Historie.

Zum musikalischen Aspekt braucht man wohl nicht viele Worte zu verlieren. Wer die Band kennt, weiß, was auf ihn zukommt: Metal-Riffs, gepaart mit einer Menge Industrial und diversen Samples gegen die damals noch aktive Bush-Regierung.
Nicht zuletzt auf Grund eben jener vielen verwendeten Samples und Industrial-Effekte, aber natürlich auch Dank des glasklaren und druckvollen Live-Sounds klingt das Dargebotene dabei eigentlich genau so wie auf den entsprechenden CDs – wenig verwunderlich bei der Routine der beteiligen Musiker. Bezüglich Showeffekten gibt man sich sparsam wie eh und je: Ein Maschendrahtzaun zwischen Band und Fans, wie in alten Tagen, und der mit Geweihen geschmückte Mikrophonständer sind die einzig verwendete Deko, darüber hinaus kommt gelegentlich eine Leinwand zum Einsatz. Die Aktion bieten vor Allem die Saiteninstrumentalisten, die diversen Posereien nicht abgeneigt sind und so die Bühne etwas beleben, während der Altmeister sich nahezu die gesamte Show über beidhändig an seinen Miktophonständer klammert, als wäre es eine Gehhilfe. Einige Gesten und Fuchteleien mit beiden Armen sind das Maximum an Aktion, zu dem er sich durchringen kann, wobei ihn diese nicht selten etwas hilflos, wenn nicht gar bemitleidenswert aussehen lassen – insbesondere, wenn ihn die Sprachsamples seiner Aufgabe als Sänger berauben. Stimmlich ist der Herr jedoch voll präsent und führt gesanglich so souverän durch das aus der gesamten Diskographie zusammengestellte Set, dass man über die mangelnde Action durchaus hinwegsehen kann – zumal die geringe Bewegungsbereitschaft der Hauptfigur durch eine hohe Schnittfrequenz mehr als kompensiert ist, wodurch die Bilder den hektischen Klängen der Musik gut zu folgen wissen.
In eben diesen Schnitten liegt jedoch auch der Hauptkritikpunkt, oder zumindest der Punkt, an dem sich die Geister scheiden könnten: So ist es zwar für alle Besucher eines Konzertes cool, dieses auf einer DVD verewigt zu wissen, jedoch halte ich es für einen Irrglauben vieler DVD-Produzenten, zu meinen, sie täten vielen Leuten einen Gefallen, wenn sie Mitschnitte möglichst vieler Konzerte verwenden. Denn zum einen hat niemand etwas davon, wenn er nichteinmal weiß, welcher Song beziehungsweise ob überhaupt ein Song „seines“ Konzertes auf der DVD gelandet ist. Zum anderen – und das ist viel ausschlaggebender – geht ein Großteil der Atmosphäre verloren. Dass Mr. Jourgensen auf der gesamten DVD auch nahezu keine Ansage macht, wirkt zwar auf jeden, der die Band schon einmal live erleben durfte, durchaus plausibel – wenn jedoch der eine Song bei strahlendem Sonnenschein bei einem Open Air, der nächste in dunkelster Nacht oder gar in einem Club gefilmt wurde, fällt dies doch negativ auf. Auch nahezu komplett fehlende Publikumsreaktionen wirken als absolute Stimmungskiller, will man bei einer DVD doch das Live-Feeling verspüren, nicht bloß die Band wie in einem Musikvideo die Songs performen sehen.
Nichtsdestotrotz gibt es wohl Bands, die darunter mehr gelitten hätten als MINISTRY, da die Band generell nicht viel Augenmerk auf Präsenz zwischen den Songs legte, sondern eher mit den Songs überzeugen wollte, was auch in diesem Fall recht gut gelingt. Spätestens mit dem gecoverten „Wonderfull World“ als Outro sollte davon jeder überzeugt sein.

Die zweite DVD beinhaltet jedoch hält eine herbe Enttäuschung bereit, bietet sie nämlich leider nicht, wie man es bei einem Abschiedswerk hätte erwarten können, eine Band-Geschichte, sondern setzt sich aus einer Kombination aus Behind The Scenes-Material, Live- und Interviewschnipseln zusammen, wobei sich letztere nahezu ausschließlich um die Abschiedstour und verhältnismäßig belanglose Anekdoten von dieser drehen. Dass dabei natürlich auch die Tränendrüse nicht ungedrückt bleibt, ist klar, insgesamt verbleibt der Film jedoch auf der Ebene des Belanglosen – eine Biographie mit alten Aufnahmen und etwas tiefer gehendem Hintergrundwissen wäre weit sinnvoller gewesen.

Wie also soll man also das Gesamtpacket beurteilen? Eine den Sound und das Bild betreffend nahezu perfekte Live-DVD, deren Atmosphäre leider unter den unzähligen Location-Schnitten leidet, sowie eine Dokumentations-DVD, die eher wie eine Bonus-DVD einer x-beliebigen Veröffentlichung anmutet, denn als das, was man erwartet hätte: einen Rückblick auf fast 30 Jahre MINISTRY und einen Abschied von dieser großartigen Band.
Alles in Allem bleibt das etwas schale Gefühl, dass man hier zwar ein hochwertiges Package in Händen hält, jedoch vor Allem auf DVD zwei Einiges hätte anders beziehungsweise besser gemacht werden müssen, um diese DVD dem Anlass gerecht werden zu lassen. Schade.
Trotz allem, diesmal nun wirklich und für die Ewigkeit: R.i.P, MINISTRY!

Wertung: 7 / 10

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