Review Ministry – Moral Hygiene

Wenn Al Jourgensen sauer ist, schreibt er MINISTRY-Alben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten kam das recht häufig vor: Für George W. Bush komponierte er mit „House Of The Molé“ (2004), „Rio Grande Blood“ (2006) und „The Last Sucker“ (2007) eine ganze Albumtrilogie. Und als nach acht Obama-Jahren am 20. Januar 2017 Donald Trump als Präsident vereidigt wurde, dürfte Onkel Al bereits mit zornesrotem Kopf vor dem Computer gesessen haben, um mit „AmeriKKKant“ seine Antwort auf den sich anbahnenden politischen Wahnsinn zu produzieren. Dass er die Karriere von MINISTRY zuvor mit „From Beer To Eternity“ einmal mehr für beendet erklärt hatte? Nebensächlich.

Nun ist die Ära Trump (vorerst) beendet, und wenn die Welt auch nicht übernacht zum Paradies geworden ist, hätte man Al Jourgensen doch gegönnt, wenn er einfach mal durchatmet. Irgengwie tut er das sogar: „Ich bin für 2021 hoffnungsvoller als ich es mindestens die letzten zwei Jahrzehnte lang war“, sagt er. „Weil ich sehe, dass sich etwas ändert: Die Leute fangen an, den ganzen Bullshit zu durchschauen und wollen wieder zu einem wirklichen Anstand in der Gesellschaft zurückkehren. […] Ich hätte nie gedacht, dass MINISTRY einmal in der Lage sein würden, traditionelle Werte zu predigen, aber das ist jetzt die Rebellion.“ Insofern ist es nur konsequent, dass Al Jourgensen mit MINISTRY auch in diesen Zeiten weitermacht: um den gesellschaftlichen Wandel zu begleiten, mit erhobenem Zeige- statt Mittelfinger.

Dabei hat Al Jourgensen MINISTRY abermals eine Frischzellenkur verpasst: Weiter dabei sind Cesar Soto (Gitarre) und John Bechdel (Keyboard). Zurück an Bord ist Schlagzeug-Tausendsassa Roy Mayorga (Stone Sour, Hellyeah, ex-Soulfly und bereits 2016/2017 bei MINISTRY). Und neu dazu gekommen sind Paul D’Amour (ex-Tool, für Tony Campos am Bass) sowie Monte Pittman (Live-Gitarrist bei Madonna) auf der Position von Gitarrist Sin Quirin. Dass letztgenannter nicht mehr Teil der Band ist, ist schade – ansonsten macht dieses Lineup gewaltig Lust auf Liveshows.

Das gilt auch für das Material selbst – wenngleich die Zeiten vorbei sind, in denen „beats per minute“ bei MINISTRY das Maß aller Dinge waren: „’Moral Hygiene‘ ist […] eine Warnung geworden – vor dem, was passieren wird, wenn wir nicht handeln. Es gibt weniger Wut, dafür mehr Reflexion“, ließ Jourgensen vorab verlauten. So knüpft das Werk auch musikalisch eher an das chillige „From Beer To Eternity“ als an das wütende „Amerikkkant“ an. Gleich der erste Track, „Good Trouble“ lässt einen lässigen Retrovibe aufkommen. Der zieht sich im Sound und auch einigen Effekten dann auch durch das ganze Album: Zwar sind zwischendurch auch mal härtere Beats zu vernehmen („Disinformation“, „TV Song #6“) – weit mehr Zeit füllen jedoch eher ruhige Nummern wie die griffige Rock-Hymne „Search And Destroy“, das post-punkige „Broken System“ (Killing Joke lassen grüßen) oder das fast ambient-artige „We Shall Resist“.

Davon, dass MINISTRY diesmal musikalisch etwas ruhigere Töne anschlagen, sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. „Moral Hygiene“ ist nicht weniger politisch als sein Vorgänger: Gleich im Opener „Alert Level“ samplet Al Jourgensen Greta Thunberg, „Good Trouble“ ist inspiriert von den „Black Lives Matter“-Protesten und der Arbeit des verstorbenen Kongressabgeordneten John Lewis und „Death Toll“ speist sich textlich komplett aus der medial gegangenen „Destroy-Corona-Predigt“ des Televangelisten Kenneth Copeland. Ein Präsident Trump mag Geschichte sein – Onkel Als MINISTRY sind es noch lange nicht.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert