Review Ministry – Relapse

Es gab Zeiten, in denen eine Reunion ein Jahrhundert-Ereignis war: Nach Jahrzehnten fanden sich längst tot geglaubte Bands wieder zusammen, um noch einmal auf Tour zu gehen oder, im besten Fall, sogar noch ein Album zusammen aufzunehmen. Dass diese Zeiten längst vorbei sind, ist nichts Neues mehr, seit eigentlich jedes Jahr eine andere Band auf dem Wacken Open Air spektakulär ihre Reunion feiert, von der man bisweilen nicht einmal mitbekommen hatte, dass sie sich zwischenzeitig aufgelöst hatte.

Den Vogel dürfte diesbezüglich nun die Industrial-Legende MINISTRY abgeschossen haben – steht mit „Relapse“ nun doch knapp fünf Jahre nach „The Last Sucker“ auch schon das „Reunion-Album“ in den Läden. Fünf Jahre mögen nun gar nicht so kurz wirken – wirklich ad absurdum geführt wird das Prinzip der Reunion in diesem Fall jedoch dadurch, dass von der Band in der Zwischenzeit mehr veröffentlicht wurde denn von so mancher „aktiven“ Truppe: Um eine DVD, eine Live-CD, ein Remix-Album sowie diverse Singles wurde die Diskographie seit dem erweitert. Doch sei’s drum, wirklich daran geglaubt, dass Workoholic Al Jourgensen sein Baby tatsächlich zu Grabe getragen hätte, hatte wohl eh niemand – und warum sollte man sich als Fan einer Band über ein neues Album beschweren … erst recht, wenn es so viel versprechend daherkommt wie „Relapse“.

Bereits der Opener „Ghouldiggers“ gibt nach einem bis ans Maximum ausgereizten Intro in typischer Ministry-Manier Vollgas – und auch „Double Tap“ steht dem in nichts nach. Dass das langjährige Feindbild Bush nicht mehr an der Regierung ist, beeinflusst dabei natürlich auch das Schaffen seines Erzfeindes Al – MINISTRY wären jedoch nicht MINISTRY, wäre „Relapse“ deshalb ein unpolitisches Album geworden: Egal ob es die Todesumstände von Osama Bin Laden (in eben erwähntem „Double Tap“), die Politik für die reichen 1% der Bevölkerung („99 Percenters“) oder der schlichte Aufruf, überhaupt zur Wahl zu gehen („Get up Get Out ’n Vote“) – Al hat auch auf „Relapse“ noch eine konkrete Message, die er loswerden möchte. Sonderlich tiefschürfend ausgearbeitet sind zwar die wenigsten seiner Statements – vielleicht ist das aber genau das, was nicht nur die Musik von MINISTRY, sondern auch der amerikanische Hörer braucht.

Ähnlich verhält es sich mit der Musik: Dass das S.O.D.-Cover „United Forces“ im Albumkontext nicht wirklich auffällt, spricht für sich – merkt man MINISTRY auf „Relapse“ ihre Punk-Wurzeln doch wieder etwas deutlicher an: Waren MINISTRY nie die Meister der Klangvielfalt, wirkt mancher Song doch sogar für MINISTRY-Verhältnisse stumpf. Das ändert zwar nichts daran, dass es manchmal genau diese Songs sind, die sich bereits beim ersten Hördurchgang als Hits herauskristallisieren („99 Percenters“!) – dass jedoch beispielsweise schon dieser Song für sich genommen mit seinen fast vier Minuten für die Anzahl der verarbeiteten Ideen gefühlte zwei zu lang ist, ist bezeichnend – fehlt doch dem ganzen Album irgendwie der letzte Kick.

„Relapse“ ist ein Album, das sich MINISTRY-Fans guten Gewissens kaufen können und das auch allen, die MINISTRY bislang nur am Rande oder auch gar nicht verfolgt haben, recht schnell klar machen sollte, wofür der Name MINISTRY steht. Mit „99 Percenters“, „Double Tap“ oder das fast schon ruhige „Bloodlust“ hat das Album auch einige verdammt fette Nummern zu bieten – der Fan wird jedoch nach einigen Durchläufen feststellen, dass das Album aufs Ganze gesehen leider durch die eine oder andere (vermeidbare) Länge nicht ganz so fetzt wie die – stilistisch recht ähnlichen – letzten beiden Alben, „The Last Sucker“ vorneweg. Dennoch: Reunion-Alben haben andere schon schlechter gemacht – Willkommen zurück, Al!

Wertung: 7.5 / 10

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