Review Motörhead – Aftershock

  • Label: UDR
  • Veröffentlicht: 2013
  • Spielart: Hard Rock

Eine Plattenkritik zu einer neuen MOTÖRHEAD-Scheibe zu schreiben ist eine sehr dankbare Aufgabe, denn es gibt wohl kaum eine andere Musikgruppe, bei der man schon so gut weiß, was einen mit der neuen Veröffentlichung erwartet, bevor man auch nur den kleinsten Informationsfetzen dazu gelesen oder Album-Teaser gehört hat. Manche mag solch eine Vorhersehbarkeit an einer Band langweilen, MOTÖRHEAD-Fans wissen diese Verlässlichkeit jedoch in der Regel zu schätzen, und so verdirbt man auch niemandem die Chance auf eine Überraschung, wenn man feststellt: „Aftershock“ ist wieder ein typisches MOTÖRHEAD-Werk ohne bahnbrechende Überraschungen geworden.

Stiltechnisch geht das Trio den Weg der letzten Handvoll Langeisen konsequent weiter, wobei böse Zungen behaupten mögen, dass sich ihr Stil ohnehin nicht nennenswert geändert hat, seit die Gruppe in den Siebzigern zu ihm fand. Auch was Studiosound und Produktion angeht, wurden seit dem ersten Output der aktuellen Besetzung – dem 1996er Release „Snake Bite Love“ – keine allzu großen Schritte zur Seite unternommen. Aber wozu auch? MOTÖRHEAD müssen sich nicht neu erfinden, der Erfolg gibt ihnen dabei Recht – spätestens seit „Inferno“ haben die Briten einen anscheinend nicht enden wollenden Lauf. Wer den zweiten Frühling dabei lediglich damit begründet, dass die drei Herren mittlerweile doch zumindest ein bisschen im Mainstream angekommen sind, ihre Leibchen in Läden für schwedische Billigmode angeboten und ihre CDs in der FAZ besprochen werden, der tut ihnen Unrecht.

Denn musikalisch haben MOTÖRHEAD nach wie vor so einiges zu bieten – auch auf „Aftershock“. Da fällt zunächst einmal die verhältnismäßig hohe Trackzahl von 14 Songs auf, das ist in der Tat selbst bei insgesamt 21 Studioalben in der Diskografie eine Premiere. Ob Lemmy und Co. mit etwas mehr Quantität dafür entschädigen wollten, dass die Wartezeit zur nun aktuellen Langrille doch eher drei als die üblichen zwei Jahre betrug, sei dahingestellt; an der üblichen Spielzeit von circa einer Dreiviertelstunde hat sich nichts geändert. Dafür finden sich auf „Aftershock“ viele kompakte Tracks – die Hälfte der Nummern bleibt, wenn manchmal auch nur knapp, unter der Dreiminutenmarke. Dadurch ergeben sich einerseits eine für Bandverhältnisse hohe Variation und keine unnötig in die Länge gezogenen Songstrukturen. Andererseits kann es dadurch hingegen auch vorkommen, dass nach dem ersten Durchlauf erstaunlich wenig hängenbleibt und so mancher Song im Schatten seiner stärkeren Kollegen verblasst.

Das bleibt jedoch – vor allem nach mehreren Umdrehungen – die Ausnahme, denn allein schon die ersten vier Tracks zeigen MOTÖRHEAD von ihrer besten Seite. Der Opener „Heartbreaker“ ist ein bandtypischer, stampfender Rocker mit abgehacktem Riff und Ohrwurm-Hooks, auf den mit „Coup De Grace“ eine nicht minder unaufhaltsame, flotte Nummer mit gelungenem Refrain folgt. Nach dieser anfänglichen Vollbedienung scheint der Dreier mit „Lost Woman Blues“ eine erste Verschnaufpause einzulegen und macht dem Liedtitel alle Ehre, reißt den Hörer jedoch mit einem energetischen Finale aus der melancholischen Schwerfälligkeit heraus. Richtig auf die Bremse getreten wird nur im Kuscheltrack „Dust And Glass“, in dem Lemmy seine Reibeisenstimme stark im Zaum hält, ansonsten strotzt „Aftershock“ nur so vor Kraft. Das kommt vor allem in der großartigen Doublebass-Hymne „End Of Time“ und dem finalen Speed-Knaller „Paralyzed“ zum Tragen, der dem Hörer auf dem Weg nach draußen noch mal ordentlich eine mitgibt. Aber auch Songs wie „Going To Mexico“ und „Queen Of The Damned“ mit ihrem durchgängigen Uptempo oder „Death Machine“ mit seinen gezielten Aggressivitäts-Attacken warten mit massenhaft Energie auf.
Was fehlt noch, um eine MOTÖRHEAD-Scheibe komplett zu machen? Natürlich eine dicke Portion Rock ’n’ Roll der alten Schule. Den bekommt man auf „Aftershock“ in Form des groovigen „Do You Believe“ und dem Piano-Rocker „Crying Shame“ geboten, und auch „Keep Your Powder Dry“ macht mit seinem an AC/DC erinnernden Riff einfach nur Spaß. Und wo ich gerade von Riffs spreche: Zusätzlich zur starken Performance von Lemmy und Mikkey Dee wirft Phil Campbell mit exzellenten Licks, Leads und Soli nur so um sich.

Herzschrittmacher und Schwächeanfälle auf der Bühne hin oder her – zumindest auf Platte kann man bei MOTÖRHEAD keine Alterserscheinungen entdecken. „Aftershock“ ist ein sehr ausgereiftes und facettenreiches Album geworden, das mit den letzten Veröffentlichungen der Szene-Veteranen locker mithalten kann. Doch eigentlich geht es bei MOTÖRHEAD auch gar nicht darum, vorherige Outputs zu toppen; man muss den drei Herrschaften vielmehr und vor allem zugutehalten, dass sie es nach all den Jahren immer noch so gut können.

Wertung: 8.5 / 10

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4 Kommentare zu “Motörhead – Aftershock

  1. Auch wenn ich dem Argumentationsgang durchaus folgen kann, und man „Aftershock“ an sich wenig vorwerfen kann, was man nicht schon den letzten 5 Platten hätte vorwerfen können, rockt mich das Album nach wie vor nicht.

    Ich finde die Songs klingen teilweise einfach nicht zu Ende gedacht und im Endeffekt wie das, was übrig bleibt, wenn Motörhead ein gutes Album schreiben.

    Auch find ich den Sound langsam echt fad… mal wieder etwas mehr Rock’n’Roll-Attitüde wäre auch diesbezüglich wünschenswert. Aber klar: besser als kein neues Motörhead-Album ist „Aftershock“ allemal.

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