Review Motörhead – The Wörld Is Yours

  • Label: SPV
  • Veröffentlicht: 2010
  • Spielart: Hard Rock

Böse Zungen behaupten ja, dass die größte kreative Leistung, die Lemmy, Wizzo und Mikkey leisten, wenn sie ein neues MOTÖRHEAD-Album schreiben, das „Hide an Ö“-Spiel ist: Je eleganter das Ö im Titelvorschlag versteckt ist, umso mehr Punkte gibts. Für „The Wörld Is Yours“ dürfte jemand ordentlich abgesahnt haben. Ganz kann man das mit der kreativen Leistung jedenfalls nicht abstreiten – dürfte das Songwriting für die Herren nach mittlerweile stolzen 19 Studioalben reine Routine geworden sein. Dass dies den Alben zum Nachteil gereichen würde, kann man nicht behaupten – gilt für diese doch nach wie vor: Uninspiriert ja, aber mit Stil.

Auch auf „The Wörld Is Yours“ hütet sich das Triö, mit dieser Tradition zu brechen und fährt damit alles andere als schlecht. Zwar kann das Album nicht ganz mit dem nicht zuletzt seines Abwechslungsreichtums wegen herausragenden „Kiss Of Death“ mithalten und vermag auch nicht ganz die Power einer „Inferno“ aufzubringen – mit dem etwas arg gesichtslosen „Motörizer“ vermag das Werk jedoch spielend mitzuhalten: Zwar gehen MOTÖRHEAD auch diesmal alles in allem gemäßigter zur Sache (Ausnahmen wie der Rausschmeißer mit dem alliterationsstarken Titel „Bye Bye Bitch Bye Bye“ bestätigen die Regel), jedoch steht diese „Altersweisheit“ den Briten gut zu Gesicht. Sie haben sich in diese Rolle gefunden und wissen – anders als auf dem schlichtweg uninspirierten Vorgänger – mit dieser Attitüde zu spielen. Wem könnte die Rolle des abgeklärten Altrockers schließlich besser stehen, als Mr. abgeklärter Altrocker persönlich?

Da die Klassiker-Platten aus den wilden Jugendtagen der Rock-Legende ehrlicherweise nicht als Vergleich herangezogen werden können, erringt das Werk nach den genannten („Kiss Of Death“ und „Inferno“) immerhin einen achtbaren dritten Platz in der Kategorie „2000-2010“ – und wird diesen wohl auch nicht wieder hergeben müssen, ist vor Ablauf des Jahres wohl nicht mit Nummer 21 zu rechnen.

Allein Fans der gediegenen Ästhetik werden hier gleich doppelt enttäuscht: Ist schon der kitschige Titel eher von zweifelhafter Genialität, geht das Artwork in Richtung ästhetisches Verbrechen. Zwar versucht sich „The Wörld Is Yours“ wenigstens nicht wieder mit SOS-Kinderdorf-Spendenaufruf-Postkarten-Ästhetik wie sein Vorgänger – ob die Alternative besser ist, ist aber wohl Ansichtssache: Die mäßig elegante Symbiose aus Erde und Snaggletooth B. Motörhead wirkt mehr wie ein grausames Photoshop-Verschmelzungsexperiment und dabei gleichermaßen modern wie trashig – zwei Attribute, die man so nicht unbedingt mit MOTÖRHEAD in Verbindung bringt. Gerade in Gedenken an die wirklich prächtigen Bilder, die sich schon auf MOTÖRHEAD-CDs wiederfanden (man denke nur an „1916“ oder „Kiss Of Death“), ist wirklich schade.

„Wer hier die rotzrock’sche Revolution oder MOTÖRHEAD’sche Innovation erwartet, hätte schon Ende der Neunziger eine Ausfahrt nehmen sollen und hat das Konzept MOTÖRHEAD nach all den Jahren noch immer nicht verstanden. schrieb Kollege Piller im Review zum Vorgängeralbum – Recht hat er damit nach wie vor. Wer also vom neuen MOTÖRHEAD-Album mehr erwartet als ein neues MOTÖRHEAD-Album, wird wohl enttäuscht – denn das bekommt er selbstverständlich nicht. Stattdessen liefern MOTÖRHEAD mit „The Wörld Is Yours“ wie gehabt das ab, was man von ihnen gewohnt ist und hören möchte: Ein Album, das im Hinblick auf den Vorgänger so gleich wie möglich und so verschieden wie nötig ist – „Never change a running system“, um mit dem Ingenieur zu sprechen. Oder, biologisch gesehen: Wofür Evolution, wenn die perfekte Adaption an die eingenommene Nische bereits erfolgt ist?

Wertung: 8 / 10

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