Review Mystic Circle – Erzdämon

  • Label: Fireflash
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Black Metal

Woran merkt man, dass man alt wird? Selbst die alten Witze funktionieren nicht mehr. MYSTIC CIRCLE waren früher prädestiniert dafür, durch den Kakao gezogen zu werden. Zu aufgesetzt war das Image, zu peinlich der teils dreiste Klau bei Keyboard-Vorreitern wie Dimmu Borgir oder Cradle of Filth. Was haben wir gelacht. Irgendwann verschwanden MYSTIC CIRCLE im Dunklen, man selbst wurde älter, ließ sich ein fesches Oberlippenbärtchen wachsen, hörte plötzlich Jazz und fühlte sich sehr seriös. MYSTIC CIRCLE hingegen tauchten vor zwei Jahren plötzlich wieder auf, veröffentlichten 2022 ein selbstbetiteltes Album und machten einfach stoisch dort weiter, wo sie vorher aufgehört hatten. Über wen sollte man jetzt mehr lachen?

Immerhin kann man so das neue Album „Erzdämon“ einmal ohne kindisches Grinsen angehen und unter musikalischen Aspekten rezensieren. Graf von Beelzebub und der zurückgekehrte Drummer Aaarrrgon spielen noch immer stark von Bands wie Dimmu Borgir, Old Man’s Child oder Dark Funeral geprägten, hochmelodischen und teils recht schnellen Black Metal, der gerne die sowieso nicht wirklich definierten Grenzen zum Dark Metal überschreitet. Technisch lässt sich den Herren hier keinerlei Vorwurf machen. Die hochgetriggerten Drums bollern ordentlich vor sich hin, der Graf schmeißt mit einigen sehr ansehnliche Soli um sich und mit „The Scarecrow“ haben MYSTIC CIRCLE sogar einen kleinen Hit platziert. Dazu dürfen programmierte „Chöre“ ab und an „Oh ho ho!“ singen und ein genauso programmiertes Orchester ein paar epische Passagen einstreuen.

Etwas irritierend sind die elektronischen Elemente („From Hell“, „The Mothman“), die mitunter deplatziert wirken. Und wo jetzt plötzlich Westerngitarren herkommen, die in brutale Blastbeatpassagen übergehen („Skinwalker“), weiß auch nur Beelzebub selbst. Natürlich ist das alles in allem so innovativ wie eine Kartoffelsuppe und schon oft an anderer Stelle gehört. Die Sprechpassagen bei „Unholy Trinity“ kennt man beispielsweise von Dimmus „Puritanic Euphoric Misanthropia“; auch kein Album, das erst gestern veröffentlich wurde.  Die Texte sind erwartungsgemäß voll von sämtlichen „satanischen“ Klischees und gewinnen keinen Bachmann-Literaturpreis. Aber das müssen sie natürlich auch nicht.

Nüchtern betrachtet legen MYSTIC CIRCLE mit „Erzdämon“ ein abwechslungsreiches, teils durch die recht „scharfe“ Produktion etwas anstrengendes Album ab, für das man eine gewisse Kitsch-Toleranz aufbringen sollte. Für was MYSTIC CIRCLE stehen, ist mittlerweile hinlänglich bekannt, und so kann jeder Hörer für sich selbst entscheiden, ob das jetzt komisch oder konsequent ist. Professionell komponiert ist das Album auf jeden Fall und das Ohrwurmpotential ist hoch. Unvoreingenommene Hörer könnten also durchaus ihren Spaß haben … wenn sie rechtzeitig ausschalten.

Denn den an sich ordentlichen Eindruck, den der durch die Altersmilde gnädig gestimmte Musikfreund beim distinguierten Gläschen Rotwein gewinnen konnte, zermalmen MYSTIC CIRCLE ausgerechnet mit dem abschließenden „The Princess Of The Deadly Sins (Erzdämon Part II)“. Der Track erweist sich als gepresst geknödelten Ballade (!), die denn wirklich nur unter parodistischen Aspekten gutzuheißen ist. Leider versteht man den Text. Verstört drückt sich der Hörer tiefer in seinen Ohrensessel. Es ist also manches doch noch so wie vor zwanzig Jahren.

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Wertung: 6.5 / 10

Redaktion Metal1.info

Publiziert am von

Ein Kommentar zu “Mystic Circle – Erzdämon

  1. Man konnte die Band halt irgendwie immer etwas belächeln, eben weil es sich immer anfühlte als ob das Image einfach nur drauf gesetzt wurde. Aber ehrlich gesagt mag ich Drachenblut bis heute gerne, eben wegen des epischen Themas und eben auch wegen der alles andere als perfekten Musik geschweige denn der perfekten englischen Aussprache (wobei Grave Digger auch gern Mal ihr Swörd gezogen haben). Infernal Satanic Verses fand ich dann als Mischmasch aus Dimmu und Cradle richtig gut gemacht und die etwas gemächlichere Great Beast hat nicht zuletzt wegen des tollen Bathory Covers überzeugt. Danach war die Band für mich nicht mehr interessant.
    Die neuen Sachen entlocken mir jetzt aber auch keine Freudensprünge. Mehr als „nett“ fällt mir leider nicht ein.

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